Erfolgskriterien erkennen und Transformationsprozesse gestalten
E-Book, Deutsch, 227 Seiten, E-Book
ISBN: 978-3-7910-5396-7
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
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1 Die neue Welt und ihre Dynamik
Ist die Welt noch VUCA oder ist sie nicht schon eher BANI? Egal, welches Akronym man für unsere Zeit verwendet: Die Beziehung zwischen Unternehmen und ihrem wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Umfeld kann als »schwierig« bezeichnet werden. Was heute noch gilt, kann morgen schon ganz anders sein – da ist es gut, wenn eine Organisation die Fähigkeit besitzt, mit diesem ständigen Wechsel umzugehen. Im persönlichen wie im organisationalen Kontext bezeichnen wir die Fähigkeit, uns an diese Veränderungen anzupassen und sie im Idealfall sogar gestaltend zu nutzen, als Resilienz. Der Weg dorthin führt durch einen Prozess der Transformation. In diesem Kapitel gelangen wir zu folgenden Erkenntnissen: Die individuelle Entwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Führungskräfte verbessert nicht automatisch die Resilienz einer gesamten Organisation. Um organisationale Resilienz aufzubauen, ist ein breiterer Blick auf Kultur, Struktur und Prozesse notwendig. Resilienz bedeutet, agil und achtsam die stabilisierenden und dynamisierenden Faktoren in einer Organisation so auszubalancieren und zu nutzen, dass eine gesunde und nachhaltige (Über-)Lebensfähigkeit und Wachstum möglich werden. Organisationen tragen das Potenzial der Selbstorganisation und Selbststeuerung in sich und haben ein intrinsisches Interesse daran, zu überleben. Systeme müssen sich stärker auf Belastbarkeitsfaktoren als auf Effizienzfaktoren fokussieren, um langfristig überlebensfähig zu sein. 1.1 Ist die Welt noch VUCA?
Wir wollen keine Eulen nach Athen tragen. Du weißt es: Das Klima ist in Unruhe, in vielen Ecken der Welt herrscht politische Instabilität, Technologien entwickeln sich exponentiell, Verbraucherinnen und Verbraucher scheinen ihre Meinung nach Belieben zu ändern. Hinzu kommen auch noch die durch die COVID-19-Pandemie bedingten Herausforderungen. In praktisch allen beruflichen und privaten Lebensbereichen haben sich die Spielregeln grundlegend verändert und die bekannten Erfolgsrezepte funktionieren nicht mehr. Nach Dampfmaschine, elektrischem Strom und Automatisierung stecken wir mitten in der 4. industriellen Revolution. Heute geht es um die Digitalisierung, und keine der bisherigen Revolutionen war so heftig und schnell wie diese. In der klassischen Industrie und so gut wie allen anderen Branchen bleibt kein Stein auf dem anderen: Innerhalb kürzester Zeit werden völlig neue Geschäftsmodelle möglich, ob wir nun an die Shared Economy mit Airbnb und Uber denken oder an die Macht der (sogenannten) sozialen Netzwerke. Das fordert Organisationen als Gesamtsysteme genauso wie uns alle als Individuen heraus. In – vorsichtig formuliert – dynamischen Zeiten stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, Organisationen möglichst unbeschadet durch die unruhige See zu navigieren. Gerade im schwierigen ökonomischen Umfeld werden Fehler kaum verziehen und deshalb wurden in den letzten Jahren Agilität, New Work, Digital Leadership etc. als Ansätze für die Bewältigung der Herausforderungen so populär. Wir werden diese Ansätze im Verlauf des Buches durchaus thematisieren, doch im Kern geht es bei diesen Konzepten um eines: um den Versuch, die Resilienz der Organisation zu stärken. Allgemein gesprochen meint »organisationale Resilienz« die Fähigkeit einer Organisation, auf Veränderungen – und damit sind Bedrohungen genauso wie Chancen gemeint – lebendig zu reagieren und sich daran anzupassen. Ein bestimmendes Merkmal resilienter Organisationen ist außerdem, dass sie die Zukunft und ihre eigene Rolle darin aktiv gestalten. Dabei sind zwei Perspektiven mitzudenken: Individuelle Resilienz: Gelingt es, die Beschäftigten in ihrer Eigenverantwortung zu fördern und sie zugleich in ihrem Umgang mit Herausforderungen und kritischen Situationen zu unterstützen, dann ist das gut für die Menschen und für die Organisation. Organisationale Resilienz: Die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger sind gefordert, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Organisation dem Wandel und der Veränderung begegnen kann und erfolgreich bleibt. Doch warum das Ganze überhaupt? Bevor wir in den kommenden Kapiteln tiefer in die Frage einsteigen, wie wir sowohl die Resilienz des einzelnen Menschen als auch jene der Organisation stärken können, lohnt sich ein gemeinsamer Blick auf das Umfeld, in dem wir uns bewegen, und dessen Veränderungen der letzten Zeit. Veränderungsdynamiken sind nichts grundlegend Neues. Die Geschichte der Menschheit ist eine der permanenten Veränderung. Nie wurde das so deutlich wie im 20. Jahrhundert: Getrieben durch die technologischen Veränderungen, haben sich die Zyklen des fundamentalen Wandels stark verkürzt und gleichzeitig intensiviert. Als Reaktion auf den Zusammenbruch der Sowjetunion wurde – zunächst im militärischen Bereich – der Begriff der »VUCA-Welt« geprägt. Als Akronym steht VUCA für die Begriffe volatility (Volatilität), uncertainty (Unsicherheit), complexity (Komplexität) und ambiguity (Ambiguität). Zu Beginn der 2000er-Jahre wurde der Begriff auf den organisationalen Kontext übertragen und meint damit eine Welt, die als zunehmend unbeständig, unsicher, komplex und mehrdeutig beschrieben werden kann. Die Liste der Megatrends, die unsere Lebenswelt beeinflussen, ist tatsächlich sehr lang. Hier die wichtigsten Themen in einem kurzen Überblick: Klimawandel: Der Klimawandel – oder besser: die Klimakrise – fordert Ökonomien, Unternehmen und Individuen zum Handeln auf. Es scheint noch unklar, wo uns diese Entwicklungen wirklich hinführen werden – sowohl was die Intensität der Krise angeht als auch die Entschlossenheit, mit der wir uns als Menschheit dagegenstellen. Für die meisten Zukunfts- und Klimaforscherinnen und -forscher scheint festzustehen, dass uns die Aufgabe, die bestehenden Schäden an Klima und Umwelt zu beheben, für Jahrzehnte, wenn nicht für Jahrhunderte begleiten wird. Änderung der Weltordnung: Der Aufstieg Chinas zur Weltmacht steht nicht vor der Tür, sondern scheint vollzogen. Im Juli 2021 wurden 100 Jahre Kommunismus gefeiert, um das chinesische Volk und die restliche Welt gleich auf die nächsten 100 Jahre einzustimmen. Aus der zurückhaltenden, verlängerten Werkbank des Westens ist ein aktiver und fordernder Gestalter geworden. Weitere geopolitische Änderungen sind zu erwarten. Firmenübernahmen durch staatsnahe chinesische Investoren, Lieferengpässe und Preissteigerungen, wenn China etwas nicht passt, sind nur einige der Auswirkungen. Genauso bergen die Themen Überwachung und Datenschutz reichlich Sprengkraft. Mit weiteren direkten Konsequenzen für unser Handeln in Unternehmen und als Individuen ist zu rechnen. Demografischer Wandel: Kann der Generationenvertrag noch aufrechterhalten werden? Die Alterspyramide stellt sich auf den Kopf und damit stellt sich die Frage, wie unser Sozialsystem künftig noch funktionieren kann. Wer wird die Pensionen und Krankenhausaufenthalte der heute 40-Jährigen bezahlen? Zusätzlich spürt man den demografischen Wandel schon heute am Arbeitsmarkt: Viele ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nicht oder nur sehr schwer vermittelbar, anderseits ist der viel zitierte Fachkräftemangel ein Problem. Beides nagt nicht nur an der Wachstumsfähigkeit, sondern auch an der Überlebensfähigkeit von Organisationen. Wertewandel: Was uns als Individuen und Gesellschaft wichtig ist, hat sich verändert. Immer mehr Menschen drängt sich die Frage auf, ob das seit Jahrhunderten geltende Ziel des ständigen Wachstums noch richtig ist. Geht es tatsächlich nur darum oder gibt es nicht andere Werte, die wichtiger sind? Die Wertigkeit der Arbeit wird beispielsweise neu definiert und die junge Generation geht hier voran. Dadurch ergeben sich aber auch echte Interessenkonflikte zwischen den Generationen. Die Millenials wollen nicht nur über Work-Life-Balance reden, sie erheben ihren (künftigen) Arbeitgebern gegenüber auch den Anspruch nach individueller Sinnstiftung und Nachhaltigkeit. Die Möglichkeit, viel Geld zu verdienen, reicht nicht mehr. Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI): Die Art und Weise, wie Wertschöpfung in Organisationen passiert, wird in Zukunft ganz anders aussehen. Künstliche Intelligenz wird in vielen Anwendungsbereichen immer wichtiger werden und teilweise die Aufgaben der Menschen übernehmen – und das wird nicht nur die weniger qualifizierten Arbeitsstellen betreffen. Auch viele Kerntätigkeiten von Ärzten, Anwälten, Ingenieuren und Designern stehen auf der Liste jener Aufgaben, die – zumindest teilweise – durch KI übernommen werden können. Diese Liste ließe sich beliebig...