Haarmann | Das Rätsel der Donauzivilisation | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 1999, 286 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Haarmann Das Rätsel der Donauzivilisation

Die Entdeckung der ältesten Hochkultur Europas

E-Book, Deutsch, Band 1999, 286 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-71153-4
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In den letzten Jahren haben Archäologen immer mehr Belege dafür gefunden, dass es zwischen dem 6. und dem 3. Jahrtausend v. Chr. auf dem Balkan eine Hochkultur gab, die bereits vor den Mesopotamiern die Schrift kannte. Harald Haarmann führt in seinem Buch erstmals umfassend in diese bisher unbekannte, in vielem noch rätselhafte alteuropäische Kultur ein. Er beschreibt Handelswege und Siedlungen, Kunst und Handwerk, Mythologie und Schrift der Donauzivilisation, geht ihren Ursprüngen am Schwarzen Meer nach und zeigt, welchen Einfluss sie auf die Kultur der griechischen Antike und des Vorderen Orients hatte.
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Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;3
3;Zum Buch;2
4;Über den Autor;2
5;Impressum;4
6;Inhalt;5
7;Das Puzzle einer 7000 Jahre alten Zivilisation;9
8;1. Der Übergang zum Neolithikum in Europa (ca. 7500–5500 v. Chr.);13
8.1;Frühe Ackerbauern in Südosteuropa;14
8.1.1;Phase 1: Kontakte über die Landbrücke am Bosporus (ca. 7500–6700 v. Chr.);15
8.1.2;Phase 2: Das Flutszenario und die Flutmythen der Nachwelt (ca. 6700 v. Chr.);25
8.1.3;Phase 3: Die formative Periode Alteuropas (6. Jahrtausend v. Chr.);31
8.2;Die Entstehung der Regionalkulturen;42
8.2.1;Vin?a;43
8.2.2;Karanovo;46
8.2.3;Cucuteni;47
8.2.4;Trypillya;48
8.2.5;Tisza;48
8.2.6;Lengyel;49
8.3;Kulturchronologie Alteuropas;50
9;2. Auf den Spuren der Alteuropäer;53
9.1;Der genetische Fußabdruck;53
9.2;Sprachliche Spuren;58
9.3;Pflanzen und Tiere Alteuropas;63
9.3.1;Naturphänomene und Landschaftsformen;68
9.3.2;Das «Agrarpaket»: Technologien und Gerätschaften;70
9.3.3;Alteuropäische Strukturelemente im Altgriechischen;75
9.3.4;Namen: Orte, Personen, Gottheiten;75
9.3.5;Sprach- und Kulturkontakte;77
10;3. Wirtschafts- und Lebensraum;81
10.1;Handelsrouten und Handelsgüter;81
10.1.1;Warenverkehr;81
10.1.2;Ritueller Geschenketausch;86
10.1.3;Wasserfahrzeuge und Bootsmodelle;88
10.2;Siedlungen und Architektur;91
10.2.1;Die Anlage der Dörfer und Städte;92
10.2.2;Hauskonstruktionen: Grundrisse und Baustile;97
10.2.3;Die ersten Reihenhäuser der Geschichte;100
10.3;Kultstätten und Gräber;103
10.3.1;Schreine und Tempelmodelle;103
10.3.2;Altäre und Opfertische;106
10.3.3;Bestattungssitten und Grabkultur;107
11;4. Handwerk und Kunst;113
11.1;Weben und Textilherstellung;114
11.1.1;Webstühle und deren Utensilien;115
11.1.2;Terminologie des Webhandwerks;116
11.1.3;Textilien und Kleidung der Alteuropäer;117
11.2;Keramik und Brenntechnik;118
11.2.1;Töpferrad und Brennöfen;118
11.2.2;Terminologie der Keramikherstellung;121
11.3;Metallbearbeitung;123
11.3.1;Kupfergewinnung und Schmelzverfahren;124
11.3.2;Goldschmiedekunst;126
11.4;Kunstformen und Kultursymbole;127
11.4.1;Kultgefäße;127
11.4.2;Tonstempel (pintaderas) und Siegel;128
11.4.3;Vielfalt der Figurinen;137
11.4.4;Ornamentale Motive und dekoratives Design;142
11.4.5;Abstraktheit und Symmetrie;145
12;5. Das Modell einer egalitären Gesellschaft;147
12.1;Matriarchat oder Matrilinearität?;150
12.2;Familien und Sippen;152
12.3;Ökumene und Handel;154
13;6. Religion und Mythologie;159
13.1;Das Weltbild von Wildbeutern und Ackerbauern;161
13.2;Weibliche Gottheiten in Alteuropa;162
13.3;Der Stier – Tiersymbole als Attribute der Göttin;166
13.4;Kulte und Rituale;168
13.4.1;Fruchtbarkeit;168
13.4.2;Wasser;169
13.4.3;Trankopfer;171
13.4.4;Prozessionen;172
13.4.5;Mythen;173
13.4.6;Masken;174
13.5;Musik und Tanz;176
14;7. Zählen, Messen, Registrieren;181
14.1;Zahlzeichen und Zahlenmagie;181
14.2;Kalendarische Notationen;184
14.3;Maß- und Gewichtseinheiten;188
14.4;Töpfer- oder Eigentumsmarken;188
15;8. Die Erfindung der Schrift;191
15.1;Ursprung und Ausbau der Donauschrift;192
15.2;Die Verbreitung der Schrift in Alteuropa;198
15.3;Beschreibstoffe, Inschriften und Textsorten;201
15.4;Das alteuropäische Zeichenrepertoire;204
15.4.1;Bildhafte Zeichen;204
15.4.2;Nicht-bildhafte Zeichen;207
15.5;Schriftzeugnisse der Donauzivilisation;209
15.5.1;Beschriftete Figurinen;210
15.5.2;Miniaturaltäre;213
15.5.3;Weihgefäße;214
15.5.4;Webutensilien;217
15.5.5;Die berühmten Täfelchen von T?rt?ria;218
15.6;Eine Schrift im Dienst der Religion;221
15.7;Ausklang des Schriftgebrauchs;223
16;9. Niedergang und Erbe der Donauzivilisation (ab ca. 4500 v. Chr.);225
16.1;Politische und kulturelle Umbrüche;226
16.1.1;Der älteste Goldschatz der Welt;226
16.1.2;Elitenbildung: Die Steppennomaden;230
16.1.3;Klimaveränderung und deren Folgen;232
16.2;Die balkanisch-altägäische Kulturdrift;236
16.2.1;Die Große Göttin und ihre Töchter;238
16.2.2;Das Geheimnis der minoischen Doppelaxt;242
16.2.3;Das alteuropäische Erbe in den ägäischen Schriftsystemen;245
16.2.4;Ägäisches Erbe? Hexameter und griechische Sonderzeichen;247
16.3;Minoisch-kyprische Kontakte: Der ägäische Schriftexport;251
17;Epilog;257
18;Literatur;267
19;Legende zu der Karte auf dem Vorsatz;285


Das Puzzle einer 7000 Jahre alten Zivilisation
Die Vorstellung, dass die griechische Zivilisation als erste europäische Hochkultur Licht ins Dunkel der Vorgeschichte gebracht hätte, ist bis heute weit verbreitet. Demnach verdanken wir den Griechen die Grundlagen unserer modernen Welt. Selten wird hinterfragt, ob denn die griechische Zivilisation tatsächlich so originell war, wie wir dies in unserem Schulwissen tradieren. Das vorliegende Buch will dem Leser eine europäische Zivilisation erschließen, die viel älter als die griechische ist und die durch die Forschung in den letzten zwanzig Jahren immer klarere Konturen angenommen hat: Die Donauzivilisation, deren Anfänge im Neolithikum liegen und die ihre Blüte in der Kupferzeit erlebte, hat mit ihren Errungenschaften die Voraussetzungen für den rasanten Aufstieg der griechischen Kultur im ersten Jahrtausend v. Chr. geschaffen. «Im 5. und frühen 4. Jahrtausend v. Chr. (…) hatten die Alteuropäer Städte mit einer beachtlichen Konzentration an Einwohnern, Tempel, die mehrere Stockwerke hoch waren, eine Sakralschrift, geräumige Häuser mit vier oder fünf Räumen, professionelle Töpfer, Weber, Kupfer- und Goldschmiede und andere Kunsthandwerker, die eine breite Palette hochentwickelter Güter produzierten» (Gimbutas 1991: viii). Vor zwanzig Jahren war der Begriff «Alteuropa» (Old Europe) in der Regel nur Experten vertraut und die fortschrittliche Kultur der vorgriechischen Bevölkerung war nur schemenhaft bekannt. Vieles von dem, was die amerikanisch-litauische Archäologin Marija Gimbutas (1921–1994) für ihr Mosaik von Alteuropa rekonstruiert hatte, war hypothetisch. Seither hat sich viel getan. Die politischen Umbrüche in Ost- und Südosteuropa nach 1989 haben einen Aufschwung der Forschung und des Kulturschaffens in den neuen unabhängigen Staaten bewirkt und als Folge davon auch eine Intensivierung der Grabungstätigkeit, und zwar sowohl in Südosteuropa als auch in der Ukraine, wo wichtige Fundstätten Alteuropas liegen. Seit Ende des 20. Jahrhunderts hat sich die Materialbasis erheblich erweitert, und die neueren Erkenntnisse lassen keinen Zweifel an der Qualität der vorgriechischen Kulturstufe als der einer Hochkultur. «Zu seiner Blütezeit, um 5000–3500 v. Chr., entfaltete Alteuropa viele der politischen, technologischen und weltanschaulichen Merkmale, durch die sich eine ‹Zivilisation› auszeichnet» (Anthony 2009 a: 29). Was wir gestern noch der Vorgeschichte zurechneten, gehört tatsächlich der geschichtlichen Periode an. Die Anfänge des kulturellen Aufschwungs in Alteuropa liegen in einer Periode ökologischer Umwälzungen. Die Hypothese von einer Großen Flut, in der die Wassermassen des Mittelmeers die bis dahin bestehende Landbrücke am Bosporus durchbrachen, ist heute gut gefestigt. Es ist davon auszugehen, dass über diese Landverbindung Menschen aus Anatolien nach Westen migrierten, die bereits Ackerbau und Viehhaltung kannten. Als Folge der Flut entstand um 6700 v. Chr. das Schwarze Meer, die Küstenlandschaften verwandelten sich nachhaltig. Die drastische Veränderung der Lebensverhältnisse setzte einen Prozess in Gang, in dessen Verlauf es zur Akkulturation der einheimischen (alteuropäischen) Bevölkerung an agrarische Lebensweisen kam, zu kleinräumigen Binnenmigrationen, zu sozioökonomischen Neuerungen und technologischen Innovationen. Dies ist der Prozess des Übergangs von der mittleren zur jüngeren Steinzeit in Europa. Der spätere Klimasturz um 6200 v. Chr. – inzwischen gut erforscht – wirkte sich zunächst hemmend auf die kulturelle Entwicklung aus, hatte aber langfristig deren Beschleunigung zur Folge. In den letzten Jahren wurden eine Reihe von erstaunlichen Entdeckungen zum Leben der frühen Ackerbauern im Tal der Donau, ihrer Nebenflüsse und in den Einzugsgebieten der Wasserstraßen gemacht: Es gab hier bereits ein rudimentäres Schriftsystem, lange bevor die Schrift in Mesopotamien entstand; die Metallverarbeitung hatte einen Entwicklungsstand erreicht wie nirgendwo sonst in der damaligen Welt; die darstellende Kunst brachte erstaunliche Meisterwerke hervor; und es gab Großsiedlungen von städtischen Dimensionen. Wie die Alteuropäer ihre Städte nannten, wissen wir (noch) nicht, und die Namen der neuen Fundstätten wie Tallyanky oder Majdanec’ke südlich von Kiev klingen fremdartig. Aber inzwischen kennen wir deren Grundrisse und wissen, dass in diesen Siedlungen Tausende von Menschen lebten. Majdanec’ke hatte zwischen 5500 und 8000 Einwohnern. Einige dieser Großsiedlungen waren zwei- oder dreimal so groß wie die frühen Städte in Mesopotamien. Für diese Hochkultur habe ich vor einigen Jahren den Namen «Donauzivilisation» (Danube civilization) eingeführt. Inzwischen werden die Begriffe «Donauzivilisation» und «Alteuropa» meist synonym verwendet. Es gibt bereits eine Fülle an neuerer spezieller Forschungsliteratur über Alteuropa auf Englisch (z.B. Marler 2008, Anthony 2009 b), Deutsch (z.B. Hansen 2007, Haarmann 2010 a), Russisch und Ukrainisch (z.B. Videjko 2003, Tkachuk 2005) und in den Balkansprachen (z.B. Kolištrkoska Nasteva 2005, C.-M. und Gh. Lazarovici 2006–2007, Nikolov 2007 b). Die New Yorker Ausstellung «The Lost World of Old Europe – The Danube Valley, 5000–3500 BC», die das Institute for the Study of the Ancient World (New York) organisiert hat und die bis April 2010 zu sehen war, hat erstmals eine umfassende Bilanz des neuen Wissensstands für ein größeres Publikum gezogen. Ein Buch, das die früheste Hochkultur Europas einer breiteren Leserschaft vorstellt, ist aber bisher ein Desiderat. Die Dokumentation des Kulturniveaus, das die Alteuropäer erreichten, bietet so manche Überraschung und etliche Rekorde im weltweiten Vergleich: – Die ältesten Großsiedlungen (megasettlements) von Stadtgröße – bedeutend größer als Çatalhöyük in Anatolien oder die ältesten Städte Mesopotamiens – entstehen in Alteuropa. – Die ältesten, kontinuierlich bewohnten Orte in Europa sind nicht Städte wie Athen oder Rom, wo die frühesten Siedlungsspuren ins 2. Jahrtausend v. Chr. datieren; Larissa in Thessalien und Varna in Bulgarien sind mehr als doppelt so alt. – Die Alteuropäer kennen bereits Einfamilienhäuser mit mehr als 100 qm Grundfläche. – Die ersten zweigeschossigen Reihenhäuser der Welt werden in einigen der Großsiedlungen Alteuropas gebaut. – Das Töpferrad, ein Vorläufer der Töpferscheibe, wird in Alteuropa entwickelt, erst später tritt diese technische Neuerung auch in Mesopotamien auf. – Die ersten zylindrischen Rollsiegel der Welt werden in Alteuropa verwendet. – Die ersten Brennöfen zur Herstellung hochwertiger Keramikprodukte, in denen die Temperaturen kontrolliert und reguliert werden konnten, werden in Alteuropa in Betrieb genommen. – Die Technologie des Metallgusses (Verfahren zum Schmelzen von Kupfer) wird erstmals in Alteuropa angewandt, und zwar im ausgehenden 6. Jahrtausend v. Chr., und erst einige Jahrhunderte später auch in Anatolien. – Die ältesten Artefakte aus Gold wurden in Alteuropa gefunden und in die Zeit um 4500 v. Chr. datiert (der Goldschatz von Varna). – Die frühesten Notationssysteme mit konventionellem Zeichengebrauch werden in Alteuropa entwickelt; dies sind ein System zur Notation von Zahlen und ein Schriftsystem. – Jahrtausende vor den Griechen wurde in Alteuropa Wein gekeltert und Olivenöl produziert; und lange vor den Griechen aßen die Alteuropäer Kirschen, Erbsen und Petersilie. Weder die Minoer in Altkreta noch die mykenischen Griechen haben bei Null angefangen, als sie ihre Zivilisationen aufbauten, von den Griechen der klassischen Antike ganz zu schweigen. Sie alle haben auf die eine oder andere Weise von den Leistungen vorangegangener Generationen profitiert, deren Wissen nicht verloren ging, sondern aufgenommen und weiterentwickelt wurde. Insbesondere die Griechen haben viele der alteuropäischen Errungenschaften mitsamt deren Namen übernommen. Man mag nun einwenden, dass die Errungenschaften der Alteuropäer vielleicht gar nicht so exklusiv sind, denn schließlich wurden ihnen die sesshafte Lebensweise und das Know-how von Ackerbau und Viehhaltung von Anatolien herübergebracht. Die Alteuropäer, so könnte man meinen, haben einfach eine andere Lebensweise angenommen und ihre Gemeinwesen neu organisiert. Doch die Alteuropäer konnten die nahrungsproduzierenden Wirtschaftsform nicht einfach so, wie sie aus Anatolien vermittelt wurde, übernehmen, denn Europa gehört zu ganz anderen Klimazonen mit andersartiger Vegetation. Das erforderte erhebliche Anpassungsleistungen und ein zielgerichtetes Experimentieren mit der Domestizierung einheimischer Spezies, von Pflanzen wie von Tieren. Wenn auch die Idee des Ackerbaus von außerhalb nach Europa gelangte, verdankt der soziokulturelle Aufschwung, den Südosteuropa im 7. und 6. Jahrtausend v. Chr. erlebt, seine Dynamik doch der Initiative, Flexibilität und Kreativität der einheimischen Bevölkerung. Zu diesem Kulturkomplex gehört...


Harald Haarmann gehört zu den weltweit bekanntesten Sprachwissenschaftlern. Er wurde u.a. mit dem Prix Logos der Association européenne des linguistes, Paris, sowie dem Premio Jean Monnet ausgezeichnet. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt.


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