Günderrode / Simm | In die unbegrenzte Weite | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Reihe: Klassiker der Weltliteratur

Günderrode / Simm In die unbegrenzte Weite

Gedichte, Prosa, Briefe

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Reihe: Klassiker der Weltliteratur

ISBN: 978-3-8438-0428-8
Verlag: marix Verlag ein Imprint von Verlagshaus Römerweg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Karoline von Günderrode lebte und schrieb gegen die Konventionen ihrer Zeit. In Gedichten, Studien und Skizzen widmete sie sich, in ihrem Freiheitsdrang radikal, philosophischen, religiösen und psychologischen Fragen; ihre Briefe zeigen eine Frau zwischen Hoffnung und Enttäuschung, Sehnsucht und Verzweiflung, dem Wunsch nach Anerkennung und dem Leiden an Demütigungen. Sie war nur sechsundzwanzig Jahre alt, als sie 1806 ihrem Leben ein Ende setzte. Den Liebesverrat, den sie erfuhr, konnte sie nicht verwinden. Die Nachwelt hat mit Spekulationen, aber auch mit einfühlsamen Porträts reagiert; Christa Wolf, Hermann Hesse oder Johannes Bobrowski zollten der Dichterin Respekt. Die vorliegende Ausgabe bietet eine umfangreiche Auswahl aus dem lyrischen Werk, der literarischen Prosa und der Korrespondenz einer der faszinierendsten Persönlichkeiten der deutschen Romantik.
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DEM SCHÖNEN WERD’ ICH IMMER
ANGEHÖREN
Gedichte und Phantasien
Wandel und Treue
Violetta Ja, du bist treulos! laß mich von dir eilen; Gleich Fäden kannst du die Empfindung theilen.1 Wen liebst du denn? und wem gehörst du an? Narziß Es hat Natur mich also lieben lehren: Dem Schönen werd’ ich immer angehören Und nimmer weich ich von der Schönheit Bahn. Violetta So ist dein Lieben, wie dein Leben, wandern! Von einem Schönen eilest du zum Andern, Berauschest dich in seinem Taumelkelch, Bis Neues schöner dir entgegen winket – Narziß In höh’rem Reiz Betrachtung dann versinket Wie Bienenlippen in der Blume Kelch. Violetta Und traurig wird die Blume dann vergehen Muß sie sich so von dir verlassen sehen! Narziß O Nein! es hat die Sonne sie geküßt. Die Sonne sank, und Abendnebel thauen. Kann sie die Strahlende nicht mehr erschauen, Wird ihre Nacht durch Sternenschein versüßt. Sah sie den Tag nicht oft im Ost verglühen? Sah sie die Nacht nicht thränend still entfliehen? Und Tag und Nacht sind schöner doch als ich. Doch flieht ein Tag, ein Andrer kehret wieder; Stirbt eine Nacht, sinkt eine Neue nieder, Denn Tröstung gab Natur in jedem Schönen sich. Violetta Was ist denn Liebe, hat sie kein Bestehen? Narziß Die Liebe will nur wandlen, nicht vergehen; Betrachten will sie alles Trefliche. Hat sie dies Licht in einem Bild erkennet, Eilt sie zu Andern, wo es schöner brennet, Erjagen will sie das Vortrefliche. Violetta So will ich deine Lieb’ als Gast empfangen; Da sie entfliehet wie ein satt Verlangen, Vergönnt mein Herz Ihr keine Heimath mehr. Narziß O sieh den Frühling! gleicht er nicht der Liebe? Er lächelt wonnig, freundlich, und das trübe Gewölk des Winters, niemand schaut es mehr! Er ist nicht Gast, er herrscht in allen Dingen, Er küßt sie Alle, und ein neues Ringen Und Regen wird in allen Wesen wach. Und dennoch reißt er sich aus Tellus2 Armen Auch andre Zonen soll sein Hauch erwarmen Auch Andern bringt er neuen, schönen Tag. Violetta Hast du die heil’ge Treue nie gekennet? Narziß Mir ist nicht Treue was ihr also nennet, Mir ist nicht treulos was euch treulos ist! – Wer den Moment des höchsten Lebens theilet; Vergessend nicht, in Liebe selig weilet; Beurtheilt noch, und noch berechnet, mißt; Den nenn’ ich treulos, ihm ist nicht zu trauen Sein kalt Bewußtseyn wird dich klar durchschauen Und deines Selbstvergessens Richter seyn. Doch ich bin treu! Erfüllt vom Gegenstande Dem ich mich gebe in der Liebe Bande Wird Alles, wird mein ganzes Wesen seyn. Violetta Giebt’s keine Liebe denn die dich bezwinge? Narziß Ich liebe Menschen nicht, und nicht die Dinge, Ihr Schönes nur, und bin mir so getreu, Ja Untreu’ an mir selbst wär andre Treue, Bereitete mir Unmuth, Zwist und Reue, Mir bleibt nur so die Neigung immer frei. Die Harmonie der inneren Gestalten Zerstören nie die ordnenden Gewalten Die für Verderbniß nur die Noth erfand. – Drum laß mich, wie mich der Moment gebohren. In ew’gen Kreisen drehen sich die Horen; Die Sterne wandeln ohne festen Stand, Der Bach enteilt der Quelle, kehrt nicht wieder Der Strom des Lebens woget auf und nieder Und reisset mich in seinen Wirbeln fort. Sieh alles Leben! es ist kein Bestehen, Es ist ein ew’ges Wandern, Kommen, Gehen, Lebend’ger Wandel! buntes, reges Streben! O Strom! in dich ergießt sich all mein Leben! Dir stürz ich zu! vergesse Land und Port! Timur3
Ermar hatte das Geschlecht von Parimor vom Thron gestoßen, Parimor selber, sein Weib und seine Freunde waren gefallen unter dem Schwerte des Ueberwinders, nur Timur sein einziger Sohn fiel lebend in Ermars Hände. Ungern unterwarf sich das Land dem Sieger, der die Burg des unglücklichen Parimor an der Nordküste der Insel bezog; und die höchste Gewalt mit seinem Bruder, dem wilden Konnar theilte. Keiner von allen Freunden des gestürzten Königshauses wußte wo Timur sey, und ob er lebe? nur die Prophetin wußte es, die verschwiegne Seherin, die in einer Höhle am Eingang der Erde wohnte, sie sah die kommenden Schicksale, die Tiefen der menschlichen Brust, und des unglücklichen Timurs Ketten. Einsam lebte die Prophetin und verrichtete geheimnißvolle Werke, und von allen Sterblichen wußte nur Thia, die schöne Tochter von Ermar, ihre Wohnung. Die Seherin liebte das Mädchen, sie lehrte sie mancherlei Geheimnisse, und enthüllte ihr oft die Begebenheiten der Zukunft. Einst sprach die Prophetin zu der Tochter von Ermar: Mädchen! fürchte das Geschick deines Vaters, seine Unthat hat den Geist der Rache erweckt; sieh hierher! Und sie zeigte dem erschrocknen Mädchen in einem Spiegel ein tiefes Gefängniß der Burg, und in dem Gefängniß lag auf moderndem Stroh, ein Jüngling mit brennenden Augen, und dichten braunen Locken; Thia konnte ihre Augen nicht sättigen an dem Anblik des Gefangnen; aber die Seherin sprach: dies ist der König dieses Landes, er schmachtet in Ketten, und dein Vater trägt die Krone die ihm gebührt. Gedankenvoll eilte Thia zurück zu der väterlichen Burg, und suchte allenthalben nach einer Thüre die zu Timurs Kerker führen möchte. Im Nord war die Burg von rauhen Felsen umgeben, die bis zum Meere hinabreichten, in diesen Felsen entdeckte Thia zwischen Gesträusch und Nesseln versteckt, ein Gitter, das eine dunkle Tiefe verschloß; dies Gitter hatte sie in dem Zauberspiegel gesehen; und jeden Morgen ehe die Bewohner des Schlosses erwachten, und jeden Abend wenn die milde Dämmerung die Thaten der Liebe in ihre Schleyer verbarg, gieng sie dahin, setzte sich trauernd neben das Gitter, und seufzte: Timur! Timur! und ihr war als kämen liebe unsichtbare Arme aus dem Gitter herauf und hielten sie umschlungen, daß sie die Stelle nicht verlassen konnte, und es nicht achtete daß der rauhe Nachtwind sie umwehte, und der Thau des Himmels sie benetzte. Zwei Jahre hatte Timur in dem Kerker geschmachtet, schon waren der Rache wilde Gedanken bleich und ohnmächtig geworden, und die Träume von Erlösung und Befreiung waren verträumt; schon glaubte er sich von allen Menschen vergessen, als ihm däuchte, er höre mit süßer Stimme seinen Namen flüstern, und jeden Morgen und jeden Abend hörte er dieselbe Stimme: Timur! Timur! rufen, und wenn er auf seinem Lager schlummerte, däuchte ihm, ein Engel mit glänzenden Locken und rosigten Wangen beuge sich über ihn her, drücke leise Küsse auf seine Lippen und seufze: Timur! Aber wenn er erwachte, vergingen die rosigten Wangen in Kerkernacht, die hellen Locken erbleichten, die Küsse verglühten, doch die süße Stimme flüsterte fort; und er wußte nicht, ob der Traum wirklich, oder das wirklich Scheinende, Traum sey. Tage und Wochen waren so vergangen, als das Mädchen zu Ermar sprach: „Vater! der Mund der Prophetin verkündet dir Unheil und Verderben, wegen des Sohnes von Parimor, der unschuldig in deinen Ketten schmachtet, deine Ungerechtigkeit wird den Geist der Rache erwecken, fürchte ihn! Timurs Kraft ist gefesselt, erwiderte Ermar: wo ist der Arm der sich der Rache leihe? Fürchte, sprach Thia, die Zukunft und der Seherin untrügliche Worte; ich habe Timur gesehen, ich liebe ihn, gieb ihm die Freiheit, gieb ihn mir, feßle ihn durch ein heiliges Band an dich, oder...


Karoline von Günderrode wurde 1780 in Karlsruhe geboren und studierte neben Philosophie und Geschichte auch Literatur und Mythologie in Frankfurt am Main. Unter dem Synonym "Tian" veröffentlichte sie mit 24 Jahren ihr erstes Buch mit dem Titel Gedichte und Phantasien, das selbst bei dem Dichterfürsten Goethe auf Interesse stieß. Die "Sappho der Romantik" verarbeitete in ihrer Poesie auf unkonventionelle Art große Themen wie Freiheit und Liebe sowie Gedanken zu Gefangenschaft und Tod. Als sich ihre große Liebe, der Heidelberger Philologe Georg Friedrich von Creuzer, 1806 von ihr trennte, setzte Karoline ihrem Leben mit nur 26 Jahren durch einen Dolchstoß am Flussufer in Winkel im Rheingau ein Ende.


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