E-Book, Deutsch, 222 Seiten
Grünewald Glückliche Patchworkpaare
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-407-86651-6
Verlag: Julius Beltz GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie die Liebe mit neuer Familie gelingt
E-Book, Deutsch, 222 Seiten
ISBN: 978-3-407-86651-6
Verlag: Julius Beltz GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Patchworkpaare haben es oft schwer, sich ganz auf ihre Liebe zu konzentrieren, denn an ihrer Beziehung sind von Anfang an auch andere beteiligt: Die Trennung von den Expartnern raubt Energie und die Kinder brauchen gerade jetzt viel Liebe und Aufmerksamkeit. Patchworkfamilientherapeutin Katharina Grünewald macht Patchworkpaaren Mut, ihrer Liebe Raum zu geben und selbstbewusst zu lieben. Einfühlsam und alltagsnah erläutert sie, wie Paare Grenzen setzen und ihre Beziehung in sechs Phasen für den trubeligen Familienalltag stark machen.
Katharina Grünewald ist Diplom-Psychologin und Patchworkfamilientherapeutin. Das Glück und die Herausforderungen des Patchworklebens kennt sie aus eigener Erfahrung - seit 2001 lebt sie mit ihrem Mann, seinen Kindern aus erster Ehe und zwei gemeinsamen Kindern in Köln.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Zweite Phase Zwischen Liebeszauber und Liebesmüh – Die Kunst der Beziehungspflege
Irgendwann verliert die Phase der berauschenden Verliebtheit an Energie. Es wird schwieriger, die beflügelnden Schäferstündchen im verliebten Ausnahmezustand zu organisieren. Sie kosten Kraft und der Preis dafür gerät zunehmend ins Bewusstsein. Vielleicht ist es Ihnen auch schon so ergangen? Nutzten Sie sonst die Zeit des Fußballtrainings Ihres Sohnes für innigliche Telefonate mit der Liebsten, so lässt Sie Ihr immer häufiger spürbares schlechtes Gewissen nun wieder aufmerksam beim Kicken zugucken. Haben Sie sonst an Wochentagen länger gearbeitet, damit Sie am Freitag bereits mittags die Arbeit im Büro beenden konnten, um zu Ihrem Geliebten zu fahren, ist es Ihnen nun wichtig, in der Woche wieder früher zu Hause zu sein, um alles wie gewohnt erledigen zu können. Was ist passiert? Wo ist Platz für die neue Liebe, ohne dass Sie Abstriche machen müssen bei Dingen, die Ihnen ebenfalls wichtig sind? Die neue Liebe und ihr magischer Zauber können sich nur weiter entfalten, wenn jeder weiterhin für die Liebe, aber auch für sich in seinem bisherigen Alltag zuverlässig Raum und Zeit schafft. Und das bedeutet aktiven Einsatz, Mühe und Kraft. Dabei sind die Situationen oft so unterschiedlich, dass auch der Kraftakt sehr verschieden sein kann. Nehmen Sie regelmäßig die im ersten Kapitel beschriebenen Zeitkuchen zur Hand. An welchen Stellen können Sie Platz einräumen? Gehen Sie als Paar in den Austausch und versuchen Sie, für beide freie und günstige Zeiten zu finden. Schaffen Sie Rituale und Regelmäßigkeiten. Geben Sie sich dabei Zeit und Raum zum Ausprobieren; so schaffen Sie eine gute Basis dafür, die Herausforderungen der zweiten Phase der Patchworkliebe gemeinsam zu bestehen. Denn wenn nun der Alltag mehr und mehr den Liebesflow der ersten Verliebtheit ablöst, braucht Ihre Beziehung aufmerksame Pflege von Ihnen beiden. Gleichzeitig treten in ersten Konflikten und Streits manche Verhaltensmuster zutage – sowohl bei Ihnen als auch bei Ihrem Partner –, die womöglich gar nicht so leicht zu akzeptieren sind. Zudem werden unterschiedliche Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen an die Beziehung deutlich, was Ihnen beiden viel abverlangt. Tine und André kannten sich nun seit drei Monaten und genossen die Zeit miteinander sehr. Sie hatten beide keine großen Erwartungen aneinander und taten sich gegenseitig einfach gut. Tines Kinder Finn (16) und Leoni (18) waren sehr selbstständig, pendelten seit zwei Jahren allein zum Wohnort des Vaters und insgesamt standen alle miteinander gut und unkompliziert in Kontakt. Die Kinder freuten sich für ihre Mutter über ihre neue Liebschaft und empfanden diese als Entlastung. Andrés Kinder waren noch kleiner, 10 und 8 Jahre alt, seine Trennung war gerade sechs Monate her und die Umgangsregelung noch nicht ganz klar. Die Kommunikation mit seiner Ex war schwierig und alles andere als konfliktfrei. Dazu kam, dass André als Architekt selbstständig war und die Hauptverantwortung für eine Menge Projekte und für seine fünf Mitarbeiter bei ihm lag. André hatte Tines Kinder schon kennengelernt. Wenn Tines Kinder und André gleichzeitig bei Tine waren, lebten alle wie in einer großen WG zusammen – es war ein sehr angenehmes Beisammensein. Er wollte aber nicht, dass Tine seine Kinder traf, da er Angst hatte, dass seine Ex dann die Besuchszeiten der Kinder verkürzen könnte. Es gab auch so schon häufig Störungen in ihrer Liebe, wenn seine Kinder bei ihm waren: Er wechselte am Telefon mit Tine plötzlich die Tonlage und wurde abweisend, wenn die Kinder ins Zimmer kamen, Treffen wurden spontan abgesagt oder abgesprochene Vorhaben funktionierten nicht, weil er plötzlich dringend etwas Wichtiges erledigen musste. Tine hatte Verständnis und richtete sich nach diesen sprunghaften Ansagen. Manchmal brauchten sie dennoch ganz schön lange, bis sie wieder unbeschwert beisammen sein konnten. Erste Dysbalancen: Liebeszauber braucht Liebesmüh!
Der Alltag mit den Kindern erfordert Aufmerksamkeit und Pflege – wer kümmert sich um die neue Liebe? Bisher schwebte man völlig vereint und miteinander verschmolzen durch die Tage. Doch jetzt rücken der gewohnte Alltag und die bisherigen Lebensumstände wieder in den Vordergrund und bringen Unruhe in die Liebesbeziehung. Die Verliebten sind gleichzeitig Elternteile und daher häufig hin- und hergerissen: Einerseits zieht sie alles zur neuen Liebe, aber andererseits fordern der Job, die alte Familie und besonders die Kinder ihre Berechtigung und volle Aufmerksamkeit. Tine fühlte sich immer wieder zurückgewiesen, wenn sie anrief und André keine Zeit hatte. Also verabredeten sie, dass sie um 18 Uhr, wenn die Kinder ihre Serie schauten, miteinander telefonierten. So war die Chance auf ein paar innige Minuten größer. Außerdem sahen sie sich verlässlich immer mittwochabends, wenn seine Kinder bei ihrer Mutter waren. Tine hatte ihren Yoga-Kurs gewechselt, sodass sie diesen nun dienstags statt mittwochs hatte. Alle weiteren Gelegenheiten mussten sie spontan ausloten. Jeder der beiden Verliebten hat einen eingespielten Alltag, der nun verändert werden muss, damit Platz für die neue Liebe geschaffen werden kann. Auch wenn der Wille und die Sehnsucht nach gemeinsamer Liebeszeit bei beiden gleich groß sein mag, der zeitliche und seelische Aufwand und die dafür benötigte Energie variieren von Mensch zu Mensch: Vielleicht sind die Kinder des Partners schon größer oder er hat vielleicht gar keine, die Trennung bei der Partnerin funktioniert einvernehmlicher, die Jobsituation ist beim Partner komfortabler und bietet mehr Bewegungsfreiraum und die Wohn- und Betreuungssituation ist bei der Partnerin zuverlässiger und sicherer. Oftmals stehen dann Vorwürfe im Raum: »Du willst mich nicht so oft sehen wie ich dich.« Zur Ungleichheit der Ausgangssituationen kommen unsere ganz individuellen Eigenschaften und Wege dazu, mit der Wirklichkeit umzugehen. Was dem einen leichtfällt, ist für die andere eine große Herausforderung und umgekehrt. Sie sind es vielleicht schon immer gewohnt, für die ganze Familie alles zu managen, und es kostet Sie keine große Mühe, Job, Kinder und Haushalt und nun auch die Arbeits- und Kinderzeiten Ihres Liebsten zu koordinieren. Für Ihren Liebsten dagegen kann es eine logistische und konzentrative Herausforderung sein, neben seinen beruflichen Dingen nun auch eine Einkaufsliste anzufertigen, die Termine der Kinder im Blick zu halten und daran zu denken, dass Sie heute Ihre wichtige Prüfung haben. Der seelische Aufwand ist möglicherweise für dieselben Aufgaben um einiges höher für ihn als für Sie. Sie können sich vielleicht kaum vorstellen, dass es Ihren Liebsten viel Kraft und Überwindung kostet, einmal gemachte Termine zu verlegen und Freunden, der Familie oder auch im Job zu sagen, dass etwas dazwischengekommen ist. Für Sie ist es nur ein Telefonat, für Ihren Liebsten zusätzlich mit stundenlangem Grübeln über die richtigen Worte verbunden. Eine Situation – zwei Perspektiven
Um die Balance halten zu können, muss also sowohl die Ausgangssituation als auch der individuelle seelische Aufwand erforscht und bewusst gemacht werden. Die Herausforderung ist also, in der gemeinsam erlebten Liebesbeziehung mindestens zwei Perspektiven zu entdecken und zu berücksichtigen. Tines Wirklichkeit Natürlich verstand Tine André und natürlich taten ihr seine Kinder leid. So überlegten sie gemeinsam genau, wann ein Treffen für André und die Kinder am besten passen würde. Tine hatte mehr Zeit, war viel flexibler, konnte Termine im Beruf und mit ihren Kindern leicht umorganisieren und stand André jederzeit mit Rat und Tat zur Seite, was seine Wochenendgestaltung mit den Kindern betraf. Sie hatte nach Jahren des Singleseins Lust auf das Beziehungsleben und war bereit, einiges dafür zu tun. Er hatte so viel um die Ohren, das tat ihr leid. Sie wollte ihm auch mit den Kindern helfen, aber dazu musste sie sie ja erstmal kennenlernen. Sie verabredeten, dass Tine bei einem gemeinsamen Abendessen mit André seine Kinder nun endlich kennenlernen sollte....