E-Book, Deutsch, 360 Seiten
Gruber Nur zwei Todsünden
2. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7460-4129-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 360 Seiten
ISBN: 978-3-7460-4129-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Seit Carl Rodney den Pharmakonzern Holston übernommen hat, läuft alles nach Wunsch. Sie sind auf der Erfolgsstraße und lancieren in rascher Folge neue Produkte am Markt. Ein Grund dafür ist Elena Gordon, die smarte Chefin der Forschungsabteilung. Ihr neuester Coup ist ein Verfahren, das die Zulassung für Medikamente revolutionieren wird und exakte Aussagen über deren Langzeitwirkung zulässt. Sie steht kurz vor der Veröffentlichung, als die Firma durch eine missglückte Übernahme in Probleme schlittert. Carl will ein neues Produkt rasch und mit aller Macht in den Markt drücken, um seinen Misserfolg zu vertuschen. Da testet ein Mitarbeiter dieses Produkt mit dem vielversprechenden Verfahren und stellt dabei fest, dass es zu schweren Nebenwirkungen kommen wird. Und plötzlich beginnt das Sterben, dessen wahren Grund niemand erahnt.
Siegfried Gruber, Jahrgang 1956, lebt in Wien, ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Zwischen seinen ersten Lyriklesungen und dem heutigen Buch liegt eine Karriere als Manager in internationalen IT Konzernen. Über die Jahre hatten sich fünf Thriller-Konzepte in seiner Schublade angesammelt und warteten darauf, umgesetzt zu werden. Als endlich Zeit dafür war, entstand die aktuelle Geschichte.
Autoren/Hrsg.
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2 - Das Wheatleigh Meeting
Es ist immer wieder ein imposanter Anblick, dachte Carl Rodney, als er durch das von zwei altmodischen Kandelabern erleuchtete Eingangstor zu der Auffahrt des Wheatleighs fuhr. Der Kies knirschte unter den breiten Reifen seines Wagens, als er der Kurve zum säulengesäumten Eingang des Hotels folgte. Das Wheatleigh war ein luxuriöses kleines Hotel inmitten einer riesigen, parkähnlichen Landschaft, nur etwas mehr als 2 Stunden Autofahrt von Boston entfernt. Wie ihm Lorenzo Tomaso, sein Vice President Sales immer wieder aufs Neue versicherte, war es im Stil des italienischen Architekten Andrea Palladio erbaut worden. Carl liebte dieses schlossartige Hotel und manche Stimmen in der Firma meinten daher auch, dass er im Wheatleigh Hof hielt wie ein Fürst. „Wozu müssen wir in dieses gottverlassene Hotel pilgern?", maulte damals Brad Taylor, der ehemalige Sales Manager und wandte sich dabei Beifall heischend an die um ihn herumstehenden Kollegen, als Carl ihnen mitteilte, er wolle alle im Wheatleigh für ein Planungswochenende versammeln. Das war eine Facette des Stils, an die sich das Management der durchaus erfolgsverwöhnten Firma Holston, gerade gewöhnen musste. Die Bereitschaft, das Wochenende für die Firma zu opfern, war damals bei Holstons Managern noch nicht sehr weit verbreitet. Aber Carl machte ihnen schnell klar, dass mit seiner Ernennung zum CEO sich viele Dinge verändern würden. Und er musste auch rasch handeln. Holston war ein Star der neunziger Jahre auf der NY Stock Exchange gewesen, aus dem aber die Luft draußen zu sein schien. Der Fluss der Ideen, der gerade in dieser Branche den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachte, schien unterbrochen zu sein. Die Generation der Gründer war schon ins Board of Directors abgewandert. Eine Reihe von nicht sehr erfolgreichen Entscheidungen ließ den Stern erblassen und der Aktienkurs fiel ins Bodenlose. Als Holstons Chairman of the Board ihm den Job offerierte, war Carl Anfang fünfzig und hatte sich einen Ruf als Sanierer in der Pharmaindustrie geschaffen. „Einen solchen Job bekommst du nur alle zwanzig Jahre angeboten und wenn ich ein bisschen nachrechne, wirst du bei der nächsten Chance dann schon zu alt sein.“ Klar, dass es nicht dieses scherzhafte Argument war, das Carl überzeugte. Aber nach einer kurzen Nachdenkphase übernahm er den Job, mit dem er seine Karriere krönen wollte. Sie waren natürlich alle an diesem Wochenende im Wheatleigh und hatten ihre Planungskonferenz. Brad Taylor und viele seiner damals Beifall bekundenden und mit dem Kopf nickenden Kollegen, schieden dann sehr rasch bei Holston aus. „Guten Tag, Sir“, begrüßte ihn Dan, der Portier und öffnete ihm die Wagentür. „Hallo, Dan“, erwiderte Carl, der sich dabei etwas mühsam aus dem Auto schälte und dann die Schlüssel in Dans Hand fallen ließ, damit er sich um das Gepäck und den Wagen kümmerte. Dan war eine Institution des Hauses. Gediegen, ruhig und sehr souverän. Das war es, was sich der Gast von diesem Hotel erwartete und Dan, mit seiner traditionellen Uniform und den gepflegten Umgangsformen, passte genau in dieses Bild. Alles war etwas kleiner und privater als in den anderen Hotels, in denen Carl normalerweise während seiner Reisen abstieg. Die, mit hell gestrichenem Holz getäfelte Eingangshalle mit der unauffälligen Rezeption, verstärkte den besonderen Charakter des Hotels. Und obwohl das Wheatleigh ursprünglich als Wohnhaus geplant worden war, trennte auch hier die Bar nur eine stets geöffnete Doppelflügeltür von der Halle. Der Pianist war gut zu hören und die Musik unterstrich diese spezielle Atmosphäre, die das Haus auszeichnete. „Hallo Carl,“ empfing ihn seine Assistentin Mildred, „ich habe dich in die selbe Suite wie immer eingecheckt.“, und reichte ihm den Schlüssel. „Für dein Meeting ist der neue Wintergarten reserviert. Ein kleines Buffet mit Snacks und Getränken steht bereit, damit ihr ganz ungestört bleibt.“ „Wintergarten?“ „Ja! Sie haben den Säulengang auf der Terrasse verglast und damit einen wunderschönen Raum geschaffen. Wenn du dort bist, hast du den Eindruck direkt im Garten zu sitzen und überblickst das ganze Anwesen.“ Mildred hatte nicht zu viel versprochen, dachte er, als sie den Raum betraten. Die Farben des Gartens leuchteten durch die, bis zum Boden reichenden, großen Glasflächen. Das gesamte Team war bereits eingetroffen und stand mit bewundernden Blicken davor. Harriet Williams war die Erste, die ihn bemerkte. „Hi Carl, gut dich zu sehen.“ „Was für ein schöner Anblick“, entgegnet er, und ließ dabei charmant offen, ob er den Garten oder sie meinte. Als HR Managerin gehörte sie zu seinem Managementteam, das er persönlich ausgewählt hatte. Dass ihr apartes Aussehen mit ein Grund war, ihr diese Position zu geben, gestand er sich nur selbst ein. Diesen politisch völlig unkorrekten Gedanken würde er niemals mit jemand anderem teilen. Der HR Bereich war schon damals derart weiblich dominiert, dass unter den sechs Bewerbern, die er sich angesehen hatte, nur ein Mann war, der aber schon die erste Vorauswahl nicht überstanden hatte. Er war immer noch überzeugt, die richtige Wahl getroffen zu haben, obwohl ihm ihre neuen Initiativen, die sie unter dem Titel „Diversity“ den Mitarbeitern verkaufte, nicht wirklich behagten. „Sieh dir den Frauenanteil in unserem Management an. Der schreit zum Himmel!“, war ihre Rechtfertigung. „In Zeiten wie diesen kann sich ein modernes Unternehmen, das auf sein positives Image Wert legt, so etwas nicht mehr leisten.“ Carl war dem Argument durchaus zugänglich und dachte eigentlich, die Sache der Frauen immer unterstützt zu haben. Was alleine schon der Anteil an Frauen in seinem Team zeigte. Sie musste ihn nicht besonders überzeugen. Aber was sie dann daraus machte, ließ in ihm Zweifel aufkommen, ob sie nicht sehr über das Ziel hinausschoss. „Ich möchte nicht mehr als junger, weißer Mann eine Karriere beginnen müssen“, hatte er daraufhin in einem schwachen Moment zu George McGregor gesagt. „Ich verstehe dich, aber wir beide wissen, dass wir mit dieser Meinung sehr vorsichtig sein müssen.“, raunte der ihm zu. George gehörte zu jenen, die er aus dem alten Management übernommen hatte. Ein brillanter Anwalt, der wohl auch mit einer eigenen Kanzlei Karriere gemacht hätte, es aber vorgezogen hatte, in der Industrie sein Geld zu verdienen. Er zählte zu den bestverdienenden Anwälten in der Pharmabranche und seine Karriere wurde sicher auf der Universität als Vorbild für junge Rechtsstudenten verwendet. Alle anderen hatten sich nun auch endgültig vom Anblick des Gartens gelöst und kamen auf Carl zu. "Hi Carl!", Ted Ferrand ließ es sich wie üblich nicht nehmen, ihn mit einem Handschlag zu begrüßen. "Wie geht' es dir?“, dabei verneigte er sich auch noch, anstatt ihm in die Augen zu schauen. Mein Gott, wie ich diese Geste hasse, dachte er, aber Ted war als Finanzmanager fast unbezahlbar und so arrangierte er sich eben mit diesen Umgangsformen, die dieser wohl von seinem Vater gelernt hatte. Ted war in einem militärischen Haushalt aufgewachsen und so ziemlich alles an seinem Auftritt spiegelte diese Erziehung. Holstons steuerschonende Firmenkonstruktion war wohl nicht seine alleinige Idee gewesen, aber seine konsequente Umsetzung verhalf ihnen immer noch zu Gewinnen, wenn andere Firmen sich schon lange vor ihren Aktionären verantworten mussten. „Hi, Ted!“, antwortet Carl und schüttelte dabei die ihm angebotene Hand. "Ich brauch dich heute an meiner Seite.“, und schob ihm den Sessel neben seinem zurück. Sie nahmen in den roten Ledersesseln rund um den, im englischen Landhausstil gehaltenen Tisch Platz. Die Sessel waren so weich gepolstert, dass sie instinktiv ihre Arme auf die hohen Lehnen legten, um nicht darin zu versinken. George, links neben Carl, zusammen mit Ted, bildeten nicht nur optisch den älteren Teil, während Lorenzo Tomaso, flankiert von Harriet und Elena Gordon, den sichtlich jüngeren Teil des Teams repräsentierten. Elena Gordon, Vice President für Forschung und Entwicklung, war ein Star. Nicht nur in der Firma, sondern in der gesamten Pharmaindustrie. Sie war einer der Glücksgriffe, die Carl nach seinem Einstieg bei Holston gelungen waren. Tom Glancy war ihr Vorgänger bei Holston und es war absehbar, dass er sich zur Ruhe setzen wollte. Er war es, der Carl auf Elena aufmerksam gemacht hatte. „Wenn du einen Nachfolger für mich suchst, musst du unbedingt mit Elena sprechen.“, meinte er damals. „Sie hat großes Potential. Ich kenne die Firma, für die sie momentan arbeitet. Dort steht sie mit ihrer Karriere an und das könnte unser Glück sein.“ Sie war Ende dreißig und hungrig wie ein Löwe. Das war einfach zu erkennen, als er sie zum ersten Mal traf. Ein Talent, wie sich in den nächsten Jahren bewahrheitete und er war Tom noch heute dankbar für den Tipp. Elena sah blendend aus, hielt aber ihr Privatleben total bedeckt. Carl wusste bis heute nur, dass sie geschieden war und dachte, dass die Liste ihrer Liebhaber lang sein müsste, oder zumindest die Liste derer, die gerne einer wären. Carl betrachtete Lorenzo eingehend, der ihm gegenüber saß und sich intensiv mit Elena unterhielt. Möglicherweise wird einer der beiden ihm einmal nachfolgen. Aber erst dann, wenn er wirklich dazu bereit wäre. Und diesen Zeitpunkt wollte er ganz allein bestimmen. Zu sehr liebte er seinen Erfolg und die Macht, die damit einherging. Er hatte Holston aus der Krise geführt und zu so viel mehr gemacht, als er einst übernommen hatte. Das Board war ihm dankbar und er wollte es noch lange...