Gross | Augustmond | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 194 Seiten

Gross Augustmond

Roman

E-Book, Deutsch, 194 Seiten

ISBN: 978-3-7526-1408-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Mond im August ist etwas Besonderes. Das bekommt auch Holly zu spüren. Sie ist mit ihrem Leben, das sie führt, durchaus zufrieden. Sie hat ein schönes Haus, einen guten Ehemann, eine Tochter, die bald studieren geht. Und sie hat ihren Garten, der ihr Ein und Alles ist. Dann weckt der Mond verborgene Sehnsüchte in ihr, das Wort von der Fülle trifft sie und geht ihr nicht mehr aus dem Kopf. Ist das alles, was man vom Leben erwarten kann? Gibt es da nicht etwas Größeres, eine nie gekannte Erfüllung, den großen Sinn? Ist sie undankbar oder verrückt, dass sie sich mehr wünscht, als alle haben? Und ist ihr bisheriges Leben wirklich falsch gewesen? Hat sie das Wichtigste übersehen? Stück für Stück gerät Hollys sorgsam gehütete Idylle aus den Fugen, und sie macht sich auf, das wahre Leben zu suchen ...

Rainer Gross, Jahrgang 1962, geboren in Reutlingen, studierte Philosophie, Literaturwissenschaft und Theologie. Heute lebt er mit seiner Frau als freier Schriftsteller wieder in seiner Heimatstadt. Bisher u.a. erschienen: Grafeneck (2007, Glauser-Debüt-Preis 2008); Weiße Nächte (2008); Kettenacker (2011); Kelterblut (2012); Die Welt meiner Schwestern (2014); Yûomo (2014); Haus der Stille (2014); Schrödingers Kätzchen (2015); Haut (2015); My sweet Lord (2016); Die sechzigste Ansicht des Berges Fuji (2017); In der fernen Stadt (2017); Räucherstäbchenjahre (2018); Der Teehändler (2019); Er sollte nicht ahnen (2019); Lebkuchenstadt (2020); Schatzkiste (2020); Ein Nachmittag am Bondi Beach (2020).
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5 Hazel kommt
Holly hält schon nach ihr Ausschau. Sie steht auf der Veranda und schaut, ob der Bus kommt. »Warum wollte sie eigentlich nicht, dass ich sie abhole?«, fragt Hank. »Am Wochenende habe ich doch Zeit!« »Das haben wir doch schon besprochen«, erwidert Holly von der Veranda aus. »Dann sag’s mir nochmal.« »Ich sag dir meine Antwort«, meint Holly ungeduldig. »Sie ist jetzt von zuhause weg und will selbständig herkommen. Sie führt jetzt ein eigenes Leben.« »Ach, stimmt. Das ärgert mich ein bisschen. Kein Wunder habe ich’s vergessen!« Der Bus fährt ein, der große graue Überlandbus mit dem Windhund darauf, aber er hält nicht an. Er fährt vorbei. Holly runzelt die Stirn. »Was ist los?«, fragt Hank und tritt in die Tür. »Warum hält er nicht an?« »Keine Ahnung«, sagt Holly. Sie macht sich gleich Sorgen. Aber ein paar Minuten später sieht sie Hazels schlanke Gestalt die Straße entlang kommen, einen Strohhut auf dem Kopf und den Rucksack hinten drauf. Sie hält etwas in der Hand. »Da ist sie ja!«, sagt Hank. Als sie näherkommt, hält sie zwei Sonnenblumen an langen Stängeln in der Hand. »Die sind für dich, Mom«, sagt sie einfach und hält sie ihr hin. »Wo hast du die denn her?« Holly freut sich und nimmt die Blumen entgegen. »Ich bin früher aus dem Bus ausgestiegen und habe sie aus dem Sonnenblumenfeld geklaut«, sagt Hazel und grinst. Dann umarmen sie einander. Holly sucht nach einer Vase für die Blumen, während Hank sie linkisch in den Arm nimmt. »Na, meine Große«, sagt er verlegen. »Wie bekommt dir die Stadtluft?« »Prima, Dad!« Dann führt er sie ins Haus und nimmt ihr den Rucksack ab. Hazel kommt ungefähr jeden Monat einmal zu Besuch. Es geht ihr gut auf dem College. Sie hat die ersten Vorbereitungskurse fürs Studium besucht und ist in ihren Überlegungen zum Studienfach vorangekommen. Sie sitzen im Garten, an dem Blechtisch, den Holly gedeckt hat. Es gibt Kaffee und Kuchen, einen selbst gebackenen Rhabarberkuchen. »Gut siehst du aus«, sagt Hank stolz. »Was willst du denn dann studieren?«, fragt Holly. »Ich habe mir überlegt, dass ich gerne Soziologie und Politik studieren würde«, verkündet Hazel. Sie hat zugenommen, im Gesicht und an den Armen. Das steht ihr gut. Sie trägt jetzt die Haare kurz und schminkt sich. Sie trägt auch Ohrhänger, die unterschiedlich lang sind, und eine Kette aus Jaspis. Lauter kleine, bunte Kugeln. Holly weiß nicht, was Jaspis ist. »Soziologie? Was macht man da?« »Man untersucht die Gesellschaft. Wie sie aufgebaut ist, aus welchen Menschengruppen sie besteht und wie das alles miteinander wechselwirkt.« »So etwas interessiert dich?«, fragt sie verwundert. »Und was willst du später damit machen?«, fragt Hank. »Ich würde gern an der Uni arbeiten. Unterrichten.« »Ja sowas«, sagt Hank. Damit haben sie beide nicht gerechnet. Sie hatten keine Ahnung, in welche Richtung sich Hazel entwickeln würde, aber sie rechneten doch eher mit so etwas wie Jura oder Medizin. Hazel will also keine Ärztin und keine Rechtsanwältin werden. Und sie will auch nicht die Frau eines Professors werden. Sie wird selbst Professorin werden. Hank ist stolz auf sie. Holly tut es wieder ein bisschen weh, dass ihre Tochter nun ihren eigenen Weg geht. Natürlich ist sie stolz, aber sie sieht eben, wie vor ihren Augen eine neue Lebensbahn beginnt. Zum Abendessen gibt es Putenschnitzel und frittierte Kartoffeln, dazu Salat aus dem Garten. Hank neckt und hänselt sie liebevoll. Hazel weiß eine Menge vom College zu erzählen. Sie hat auch einen Kommilitonen kennen gelernt, der dasselbe studieren will. Sie findet ihn sympathisch und belegt zwei Kurse mit ihm gemeinsam. Hank grinst anzüglich. Holly lächelt. Das ist mein Mädchen, denkt sie. Jetzt beginnt sie ihr eigenes Leben. Sie hat Mut und Kraft. Sie weiß, was sie will, ohne dass sie es sich vornehmen muss. Es wird alles gut werden. »Ich hoffe, du wirst glücklich, mein Kind«, sagt sie und streicht Hazel zärtlich über die Wange. Hazel schaut sie erstaunt an. »Wieso sagst du das?« »Na, weil ich es dir von Herzen wünsche«, erwidert Holly. »Das ist doch das Wichtigste im Leben.« »Finde ich nicht«, sagt Hazel und verzieht den Mund. »Für dich vielleicht. Du sitzt hier in diesem Städtchen und hast dein Haus und deinen Garten. Aber ich will im Leben mehr erreichen. Ich will etwas verändern! Ich will etwas aufbauen, von dem viele Menschen etwas haben.« Sie schaut Holly in die Augen und merkt, dass sie sie verletzt hat. »Na ja«, sagt Holly kleinlaut, »aber man muss doch mit dem zufrieden sein, was man tut, oder nicht?« »Mom, ich will nicht bloß ein zufriedenes Leben führen«, erwidert Hazel, ohne sie anzuschauen. »Ich will mehr. Ich will ein erfülltes Leben!« Sie senkt den Blick und isst weiter, während Holly die Lippen zusammenkneift und Hank Wasser nachschenkt. Hank legt das Besteck auf den Teller und lehnt sich zurück. »Ah, das war gut. Danke fürs Essen, Liebling!« Hazel bezieht ihr altes Zimmer im Obergeschoss. Sie ist müde nach der Busfahrt und auch ein wenig in sich zurückgezogen. Wer weiß, was in ihr vorgeht. Als Hank den Vorschlag macht, am Sonntag einen Ausflug zu unternehmen, mit dem Auto, zögert Hazel. Sie will einfach nur hier sein, sagt sie. Sie hat sich nach zuhause gesehnt, und jetzt will sie es genießen, ihre Eltern um sich zu haben. Kein großer Aufwand. Kein Programm. Hank zuckt die Schultern. Er würde gerne mit seiner fast erwachsenen Tochter etwas unternehmen. Gemeinsame Erinnerungen, von denen er zehren könnte, wenn sie an der Uni ist. Holly ist es gleich. Sie ist froh, Hazel wiederzusehen, und weiß doch, dass es ein Wochenende nicht ohne Schmerz sein wird. Sie wird dastehen und zusehen, wie ihr ihr Kind entgleitet. Aber im Grunde ist das schon längst geschehen. Sie hat es nur nicht gemerkt. Hat immer das Gefühl gehabt, es sei nur vorläufig. Mit Hank sitzt sie abends, in der Dämmerung, auf der Veranda. Hank hat sich ein Bier aus dem Kühlschrank geholt. Holly sitzt im Schaukelstuhl und trinkt ein Glas kalten Kakao. Ihr geht der Moment während des Essens noch nach. Ist ihr Leben in Hazels Augen so langweilig und behäbig? Hat sie wirklich nur ihr kleines Glück im Sinn? Oder vielmehr: Wirkt es so nach außen? Oder ist das Hazels Empfindlichkeit? Jenes Vorbild, von dem sie sich absetzen muss? Nun, da sie selbst Pläne und Vorstellungen hat? »Hier sieht man den Mond gar nicht«, meint Hank in die grillenzirpende Stille hinein. Ab und zu fährt ein Auto vorbei. Die Straßenlaternen brennen. »Man sieht ihn hinten im Garten«, sagt Holly. »Aber es ist ganz hell in der Dämmerung. Merkst du?« Hazel liegt oben in ihrem Mädchenbett und tut wer weiß was. So, wie sie vom Leben in der Stadt geschwärmt hat, ist es fast ein Wunder, dass sie gerne nach Hause kommt. »Es ist seltsam«, beginnt Holly. »Da beginnt vor deinen Augen ein neues Leben. Es schwenkt auf seine Bahn ein, und du kannst nichts tun. Du kannst nur hoffen, ihm genug auf den Weg mitgegeben zu haben.« »Meinst du Hazel? Ich finde, sie macht das großartig.« »Das meine ich nicht. Ich meine, da zieht so ein Leben los auf seine eigene Bahn, wie ein Planet oder ein Mond, und du hast keine Ahnung, wohin sie führen wird. Du weißt, wie es bei dir selbst war, was du erlebt, gehofft, erlitten hast. Und du wünschst ihr, dass sie auch einmal in Frieden und Glück auf ihr Leben zurücksehen können wird.« »Und?« »Na ja, vielleicht ist das gar nicht das Richtige für sie. Vielleicht endet es tragisch oder in wildem Aufbegehren. Vielleicht endet es im Elend oder im Unfrieden mit sich und der Welt. Das wäre nicht zu wünschen, aber es ist die Bahn, die sie gewählt hat.« »Was willst du damit sagen?« Hank gähnt. »Dass Glück wirklich nicht das Wichtigste im Leben ist. Nicht für jeden. Das ist mir noch nie in den Sinn gekommen.« Hank gähnt ein zweites Mal. »Liebling, sei mir nicht böse, aber ich muss ins Bett. Es war heute ein langer Tag.« Hank steht auf und gibt ihr einen Kuss auf die Wange. Dann geht er hinein. Sie hört, wie er die Treppe in den oberen Stock hinaufsteigt. Eine Weile bleibt sie noch allein sitzen. Dann geht auch sie zu Bett. Sie hat heute...


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