Green | Das Schicksal ist ein mieser Verräter | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Green Das Schicksal ist ein mieser Verräter

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-446-24093-3
Verlag: Carl Hanser
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



„Krebsbücher sind doof“, sagt die 16-jährige Hazel, die selbst Krebs hat. Sie will auf gar keinen Fall bemitleidet werden und kann mit Selbsthilfegruppen nichts anfangen. Bis sie in einer Gruppe auf den intelligenten, gut aussehenden und umwerfend schlagfertigen Gus trifft. Der geht offensiv mit seiner Krankheit um. Hazel und Gus diskutieren Bücher, hören Musik, sehen Filme und verlieben sich ineinander - trotz ihrer Handicaps und Unerfahrenheit. Gus macht Hazels großen Traum wahr: Gemeinsam fliegen sie nach Amsterdam, um dort Peter Van Houten zu treffen, den Autor von Hazels absolutem Lieblingsbuch. Ein tiefgründiges, emotionales und zugleich freches Jugendbuch über Krankheit, Liebe und Tod.
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KAPITEL EINS
Im Winter meines siebzehnten Lebensjahrs kam meine Mutter zu dem Schluss, dass ich Depressionen hatte, wahrscheinlich, weil ich kaum das Haus verließ, viel Zeit im Bett verbrachte, immer wieder dasselbe Buch las, wenig aß und einen großen Teil meiner reichlichen Zeit damit verbrachte, über den Tod nachzudenken. In jeder Krebs-Broschüre oder Website oder Infoseite zu dem Thema werden Depressionen als Nebenwirkung von Krebs genannt. Doch in Wirklichkeit sind Depressionen keine Nebenwirkung von Krebs. Depressionen sind eine Nebenwirkung des Sterbens. (Auch Krebs ist eine Nebenwirkung des Sterbens. Eigentlich ist fast alles eine Nebenwirkung des Sterbens.) Aber meine Mutter glaubte fest, dass ich eine Therapie brauchte, und deshalb brachte sie mich zu meinem Hausarzt Dr. Jim, der ihr bestätigte, dass ich bis zum Hals in einer lähmenden und absolut klinischen Depression steckte und dass meine Medikamente neu eingestellt werden müssten und ich außerdem einmal die Woche eine Selbsthilfegruppe besuchen solle. Die Selbsthilfegruppe bestand aus einer wechselnden Besetzung von Jugendlichen in verschiedenen Stadien des tumorbedingten Unwohlseins. Warum wechselte die Besetzung? Noch so eine Nebenwirkung des Sterbens. Natürlich war die Selbsthilfegruppe wahnsinnig deprimierend. Sie fand im kreuzförmigen Keller einer backsteingemauerten Episkopalkirche statt. Einmal die Woche setzten wir uns in einem Kreis in der Mitte des Kreuzes zusammen, an der Stelle, wo sich im übertragenen Sinn die beiden Balken überschnitten, also da, wo Jesus’ Herz gewesen wäre. Der Gedanke kam mir, weil Patrick, der Leiter der Selbsthilfegruppe und der Einzige über achtzehn in der Runde, bei jedem einzelnen blöden Treffen von Jesus’ Herzen redete und davon, dass wir als Krebskinder direkt in Jesus’ superheiligem Herzen wohnten und so weiter. Und so lief es ab in Jesus’ Herzen: Wir sechs oder sieben oder zehn Teilnehmer kamen bzw. rollten herein, bedienten uns an einem dürftigen Buffet mit Keksen und Limonade, setzten uns in den »Kreis des Vertrauens« und hörten zu, wie Patrick zum tausendsten Mal seine deprimierende Lebensgeschichte abspulte – wie er als Kind Krebs in den Eiern gehabt hatte und alle dachten, er würde sterben, aber er ist nicht gestorben, und jetzt war er hier, als erwachsener Mann in einem Kirchenkeller in der 137.-schönsten Stadt Amerikas, geschieden, videospielsüchtig, weitgehend freundlos, und verdiente seinen mageren Lebensunterhalt, indem er seine krebslastige Vergangenheit ausschlachtete, während er nebenbei auf einen Uni-Abschluss hinarbeitete, der seine Karrierechancen nicht verbessern würde, und wie wir alle darauf wartete, dass das Damoklesschwert endlich niedersauste und ihm die Erlösung verschaffte, die ihm vor all den Jahren versagt geblieben war, als der Krebs ihm beide Eier nahm, aber das ließ, was nur die barmherzigste Seele ein Leben nennen würde. UND DU HAST VIELLEICHT AUCH SO VIEL GLÜCK! Dann stellte sich jeder von uns vor: Name. Alter. Diagnose. Und wie es uns heute so ging. Ich bin Hazel, sagte ich, wenn ich an die Reihe kam. Sechzehn. Ursprünglich Schilddrüse, aber mit umfänglichen und hartnäckigen Metastasen in der Lunge. Und es geht mir ganz gut heute. Wenn wir einmal durch waren, fragte Patrick, ob sich jemand der Gruppe mitteilen wollte. Und dann ging es los mit der Selbsthilfe: Alle redeten von Kämpfen und Siegen, vom Schrumpfen und vom Scannen. Um fair zu sein, Patrick ließ uns auch vom Sterben reden. Aber die meisten der anderen starben nicht. Die meisten würden wie Patrick erwachsen werden. (Was dazu führte, dass unter uns ein ziemlicher Konkurrenzkampf herrschte, denn wir alle wollten nicht nur den Krebs besiegen, sondern auch die anderen in der Gruppe. Mir ist klar, dass es völlig irrational ist, aber wenn du gesagt bekommst, du hast eine – sagen wir – zwanzigprozentige Chance, noch fünf Jahre zu leben, dann fängst du automatisch zu rechnen an und rechnest dir aus, dass damit einer von fünf gemeint ist … also siehst du dich um und denkst wie jeder gesunde Mensch: Ich muss vier von den armen Schweinen hier überleben.) Der einzige Lichtblick in der Selbsthilfegruppe war ein Junge namens Isaac, ein schlaksiger Typ mit langem Gesicht und glattem blondem Haar, das ihm über ein Auge fiel. Und die Augen waren sein Problem. Er hatte diesen abartig seltenen Augenkrebs. Ein Auge hatten sie ihm rausgenommen, als er noch klein war, und jetzt trug er eine superdicke Brille, durch die seine Augen (das echte und das Glasauge) unnatürlich riesig aussahen, als würde sein ganzer Kopf nur aus dem künstlichen Auge und dem echten Auge bestehen, mit denen er einen anstarrte. Sein Blick hatte dadurch zwar eine unheimliche Intensität, aber Isaac war angenehm sarkastisch. Soweit ich es von den seltenen Gelegenheiten verstand, wenn Isaac sich der Gruppe mitteilte, hatten sie jetzt auch was im anderen Auge entdeckt, und das hing nun sozusagen am seidenen dem SonntagFaden. Isaac und ich unterhielten uns ausschließlich durch Seufzer. Jedes Mal, wenn jemand von Antikrebs-Diäten oder dem Inhalieren von gemahlenen Haifischflossen oder so was redete, warf er mir einen Blick zu und seufzte leise. Darauf schüttelte ich kaum merklich den Kopf und atmete zur Antwort hörbar aus.   Die Selbsthilfegruppe war also ätzend, und nach ein paar Wochen sträubte ich mich mit Händen und Füßen gegen den ganzen Zirkus. Tatsächlich hatte ich just an dem Mittwoch, an dem ich die Bekanntschaft von Augustus Waters machte, alles versucht, die Selbsthilfegruppe zu schwänzen, während ich mit meiner Mutter auf dem Sofa saß und den dritten Teil eines zwölfstündigen America’s-Next-Top-Model-Marathons vom vergangenen Jahr sah, den ich zugegebenermaßen bereits kannte. Ich: »Ich weigere mich, zur Selbsthilfegruppe zu gehen.« Mom: »Das Desinteresse an Aktivitäten ist ein Symptom der Depression.« Ich: »Bitte, lass mich einfach America’s Next Top Model sehen. Das ist auch eine Aktivität.« Mom: »Fernsehen ist passiv.« Ich: »Ach, Mom. Bitte.« Mom: »Hazel, du bist ein Teenager. Du bist kein kleines Kind mehr. Du musst Leute kennenlernen, aus dem Haus gehen, dein Leben leben.« Ich: »Wenn du willst, dass ich mich wie ein Teenager benehme, dann schick mich nicht zur Selbsthilfegruppe. Besorg mir einen gefälschten Ausweis, damit ich in Clubs reinkomme und Wodka trinken und Haschisch nehmen kann.« Mom: »Erstens, Haschisch nimmt man nicht.« Ich: »Siehst du, so was wüsste ich, wenn du mir einen gefälschten Ausweis besorgen würdest.« Mom: »Du gehst zur Selbsthilfegruppe.« Ich: »Aaaaaaaaaaaaarrggghhh.« Mom: »Hazel, du verdienst zu leben.« Darauf fiel mir nichts ein, auch wenn ich nicht nachvollziehen konnte, auf welcher Ebene die Teilnahme an der Selbsthilfegruppe die Definition von Leben erfüllte. Trotzdem ließ ich mich breitschlagen – nachdem ich ausgehandelt hatte, dass ich die 1,5 Folgen von ANTM aufnehmen durfte, die ich verpassen würde. Der Grund, aus dem ich zur Selbsthilfegruppe ging, war derselbe, aus dem ich Krankenschwestern mit einer gerade mal achtzehn Monate langen Ausbildung erlaubte, mich mit Medikamenten mit exotischen Namen zu vergiften: Ich wollte meine Eltern glücklich machen. Denn es gibt nur eins auf der Welt, das ätzender ist, als mit sechzehn an Krebs zu sterben, und das ist, ein Kind zu haben, das an Krebs stirbt.   Um 16:56 Uhr fuhr Mom in die halbrunde Auffahrt vor der Kirche. Ich fummelte an meiner Sauerstoffflasche herum, um Zeit zu schinden. »Soll ich sie dir reintragen?« »Nein, geht schon«, sagte ich. Die grüne Metallflasche wog nur ein paar Pfund, und ich hatte einen kleinen Wagen, auf dem ich sie hinter mir herzog. Sie versorgte mich über einen durchsichtigen Schlauch, der sich im Nacken teilte, hinter meinen Ohren entlanglief und sich an den Nasenlöchern wieder traf, mit einem Liter Sauerstoff pro Minute. Der war nötig, weil meine Lunge grottenschlecht in ihrem Job war. »Ich hab dich lieb«, sagte Mom, als ich endlich ausstieg. »Ich dich auch, Mom. Bis sechs.« »Lern Leute kennen!«, rief sie durchs runtergelassene Fenster hinter mir her. Ich wollte nicht mit dem Fahrstuhl fahren, weil der Fahrstuhl in der Selbsthilfegruppe so was Letztes-Stündlein-Mäßiges an sich hatte, also ging ich zu Fuß die Treppe runter. Dann nahm ich mir einen Keks, schenkte mir Limonade in einen Plastikbecher und drehte mich um. Ein Junge starrte mich an. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich ihn noch nie gesehen hatte. Er war groß und schlaksig, so dass der kleine weiße Plastikstuhl der Sonntagsschule wie ein Zwergenstühlchen unter ihm wirkte. Sein Haar war kastanienbraun, glatt und kurz. Er war vielleicht so alt wie ich oder ein Jahr älter und saß mit provozierend schlechter Haltung da, Hintern an der Stuhlkante, eine Hand in der Tasche seiner dunklen Jeans. Ich wandte den Blick ab, während mir mit einem Mal all meine tausend Schwächen bewusst wurden. Die alten Jeans, die ich trug, waren mal eng gewesen, aber jetzt flatterten sie an den falschen Stellen, und die Band auf meinem gelben T-Shirt fand ich schon lange nicht mehr gut. Und meine Haare: Ich hatte diesen Bubikopf, den man trägt, wenn man vorher eine Glatze hatte, und hatte mir nicht mal die Mühe gemacht, mich zu bürsten. Dazu kamen die grotesk aufgeblasenen Hamsterbacken, noch so eine Nebenwirkung der Behandlung. Ich sah aus wie ein normal gebauter Mensch mit einem Luftballon als Kopf. Von meinen geschwollenen Fesseln ganz zu schweigen. Trotzdem – als ich mich wieder umsah, klebte sein Blick immer noch an mir. Zum ersten Mal...


Zeitz, Sophie
Sophie Zeitz, 1972 geboren, lebt in Berlin. Sie übersetzt aus dem Englischen, u. a. Werke von Henry David Thoreau, Joseph Conrad, John Green und Marina Lewycka und ist dafür mehrfach ausgezeichnet worden.

Green, John
John Green, 1977 geboren, erlangte bereits mit seinem Debüt Eine wie Alaska (2007) Kultstatus unter jugendlichen Lesern. Das Buch wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. war es für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Darauf folgten die Jugendromane Die erste Liebe (nach 19 vergeblichen Versuchen) (2008) und Margos Spuren (2010), ebenfalls nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis und ausgezeichnet mit der Corine. Greens Jugendroman Das Schicksal ist ein mieser Verräter (2012) ist ein weltweiter Bestseller, der in 56 Sprachen übersetzt und verfilmt wurde. Auch in Deutschland stand der Titel über ein Jahr auf der Spiegel-Bestsellerliste, wurde u.a. mit dem Buxtehuder Bullen und dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2013 (Preis der Jugendjury) ausgezeichnet. 2017 erschien Greens neuester Jugendroman in Deutschland Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken. Mit seinem Bruder Hank betreibt John Green einen der weltweit erfolgreichsten Video-Blogs, die Vlogbrothers. Über 5 Millionen Leser folgen ihm auf Twitter. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Indianapolis.

John Green, 1977 geboren, erlangte bereits mit seinem Debüt „Eine wie Alaska“ (2007) Kultstatus unter jugendlichen Lesern. Das Buch wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. war es für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Darauf folgten die Jugendromane „Die erste Liebe (nach 19 vergeblichen Versuchen)“ (2008) und „Margos Spuren“ (2010), ebenfalls nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis und ausgezeichnet mit der Corine. In der Presse wurde Green bereits mit Philip Roth und John Updike verglichen. Greens jüngster Jugendroman „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ (2012) ist ein weltweiter Bestseller, der in über 40 Sprachen übersetzt und verfilmt wurde. Auch in Deutschland stand der Titel über ein Jahr auf der Spiegel-Bestsellerliste, wurde u.a. mit dem Buxtehuder Bullen und dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2013 (Preis der Jugendjury) ausgezeichnet. Mit seinem Bruder Hank betreibt John Green einen der weltweit erfolgreichsten Video-Blogs, die Vlogbrothers. Rund 4 Millionen Leser folgen ihm auf Twitter. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Indianapolis.


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