Grasl / Vogel / Zembsch | Martin Luther | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 100 Seiten

Grasl / Vogel / Zembsch Martin Luther

Aus dem Leben einer Legende

E-Book, Deutsch, 100 Seiten

ISBN: 978-3-943531-67-1
Verlag: Burgenwelt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Für die einen ein Heiliger, für andere ein Ketzer – Martin Luther erschütterte im 16. Jahrhundert die Grundfesten der katholischen Kirche, die er mit der Verbreitung seiner Ansichten herausforderte. 500 Jahre ist Martin Luthers berühmter Thesenanschlag her, der den Stein ins Rollen brachte. Die Geschichten über sein Leben und seinen Glauben sind bis heute fesselnd und brisant.

17 Autorinnen und Autoren haben für diese Anthologie die Feder geschwungen und Überlieferungen aufgegriffen, weitergesponnen und zuweilen höchst kreativ ausgeschmückt. Folgen Sie mit dieser Sammlung kurzweiliger Erzählungen der Spur Luthers und den prägenden Erlebnissen seines Lebens, beginnend in seiner Kindheit bis hin zu seinem Tod und dem, was er der Nachwelt hinterließ.
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Manuela Schörghofer – Wolfsliste     Vereinzelt fielen noch einige Tropfen vom Dachrand. Durch das Fenster beobachtete ein schmächtiger Junge ihren Weg zur Erde. Der kräftige Regen hatte die lehmige Straße von Mansfeld aufgeweicht und überall Pfützen hinterlassen. Hoffnungsvoll reckte Martin den Hals, sah den schlammigen Weg entlang. Doch Nikolaus Ömler, seinen älteren Kameraden, der ihn manchmal zur Schule trug, konnte er nicht entdecken. »Trödel nicht, sonst kommst du zu spät.« Die strenge Stimme seiner Mutter ließ Martin zusammenzucken. Hastig warf er einen Blick über die Schulter. Margaretha Luder war nicht groß gewachsen. Ihre rauen Hände, mit denen sie so oft Holz im Wald sammelte, hielten das kleinste der Geschwister auf der Hüfte fest. Ihre Mundwinkel hingen stets ein wenig nach unten, was ihr Gesicht verhärmt aussehen ließ. Ihre Lippen waren fest zusammengekniffen, während sie ihren ältesten Sohn betrachtete. »Ja, Mutter, ich beeile mich.« Martin öffnete die Haustür und drückte seine Schultasche fester an sich, als könnte sie ihn vor dem feuchten Wetter schützen. Seine dunklen, sorgfältig gekämmten Haare wurden von einer Mütze verdeckt, die er sich tiefer in die Stirn zog, bevor er über die Schwelle des elterlichen Hauses trat. Vorsichtig sprang Martin über die Pfützen, darauf bedacht, nicht hineinzutreten. Schmutzige Schuhe waren der Mutter ein Gräuel und zogen Ärger nach sich. Obwohl er spät dran war, warf er – wie jeden Morgen – einen Blick auf die Burg der Grafen von Mansfeld, die hoch über der jungen Stadt thronte. Ihren Wohlstand verdankten sie den reichen Kupfervorkommen der Gegend. Martins Vater, Hans Luder, hatte von ihnen eine Hütte gepachtet, wo aus dem abgebauten Kupferschiefer Rohkupfer herausgeschmolzen wurde. Wie die Mutter, so erwartete auch der Vater gute Leistungen von seinem Ältesten. Martin seufzte, als er seinen Weg fortsetzte. Die Mansfelder Trivialschule, die durch die Großzügigkeit der Grafen errichtet worden war, lag nicht weit entfernt. Das zweistöckige Gebäude befand sich neben der St. Georgkirche, einem romanischen Gotteshaus aus einem vorherigen Jahrhundert. Magister Schneider, ein großer hagerer Mann mit einer raubvogelartigen Nase, die stets ein wenig zitterte, wenn sein Träger zornig war, wartete mit auf dem Rücken verschränkten Händen vor der Eingangstür. Er musterte die Schüler, die sich in Zweierreihen aufgestellt hatten. »Hallo Hans«, murmelte Martin, als er neben seinen besten Freund, Hans Reineke, huschte. Er war ebenfalls der Sohn eines Hüttenmeisters, hatte etwa Martins Größe, war aber von kräftigerer Statur. Die Haare standen ihm immer ein wenig wirr vom Kopf ab, so sehr er sich auch bemühte sie glattzukämmen. Magister Schneiders Blick wanderte streng über die Schüler, bis kein Laut mehr von ihnen zu hören war. Erst dann ließ er die Jungen eintreten. Der Klassenraum war karg und überschaubar. Die Pulte standen in drei Reihen geordnet. Von der gekalkten Wand auf der rechten Raumseite schaute der Gekreuzigte zur Fensterfront gegenüber. Schweigend gingen die Kinder zu ihren Plätzen. Der Lehrer schloss die Tür und stellte sich vor die Klasse. »Salvete«, grüßte er die Schüler, die ihm im Chor antworteten, bevor sie sich setzen durften. Auf Lateinisch befahl der Lehrer ihnen, ihre Fibeln aufzuschlagen, über die – Dank der gräflichen Stiftung – jedes Kind verfügte. Er trat neben Ulf in der mittleren Reihe und wies ihn an, einen Satz zu lesen und zu übersetzen. Während Ulf sich redlich mühte, das Prädikat im Satz zu finden, wurde Martins Blick von einer Amsel angezogen, die auf dem Fenstersims gelandet war. Der Vogel spreizte einen seiner Flügel und begann sich zu putzen. Der Lehrer nahm den nächsten Schüler an die Reihe. Martin betrachtete weiterhin die Amsel, die sich kurz schüttelte, bevor sie den Kopf verdrehte und ihm das Gefühl gab, ihn ebenfalls zu beobachten. »Martin!« Magister Schneider stand direkt neben seinem Pult. Seine hellen Augen funkelten ihn an. Martin zuckte zusammen, sprang auf, als hätte die Bank plötzlich Feuer gefangen. »Konjugiere mir das Prädikat mittere.« Für einen Augenblick starrte der Junge seinen Lehrer sprachlos an. Er musste sich verhört haben. Das hatten sie bisher noch nicht durchgenommen. »Maneo – ich warte«, erinnerte ihn Magister Schneider, während die Spitze seiner Raubvogelnase erbebte. »Sed … – Aber …«, setzte Martin an, verstummte jedoch augenblicklich. Hatte er gerade gewagt seinem Lehrer zu widersprechen? Magister Schneider trat einen Schritt zur Seite, deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger nach vorne. »Wer nicht arbeitet, versündigt sich an Gott. Du hast nicht gelernt, also werde ich dich bestrafen, damit das nicht noch einmal vorkommt.« Martins Knie begannen zu zittern. Er schleppte sich so mühsam vor die Klasse, als würden seine Füße in tiefem Sand versinken. Seine Finger umklammerten den Rand des Lehrerpultes und er beugte sich darüber. Sein Mund wurde trocken, als Magister Schneider auf die Ecke zuschritt, in welcher der Rohrstock auf seinen Einsatz wartete. Der Lehrer ließ den Stock fauchend durch die Luft zischen, wie jedes Mal vor einer Bestrafung, was Martin den Schweiß auf die Stirn trieb. Bisher hatte er nur selten den Stock zu spüren bekommen. Er war kein übermäßig fleißiger Schüler, aber sehr gewissenhaft. »Quindecim plagae.« Was? Fünfzehn Schläge? Noch ehe Martin das Ausmaß seiner Strafe vollkommen erfasst hatte, sauste der Stock auf sein Hinterteil nieder. »Uno!« Zischend atmete Martin aus. »Duo!« Ein weiteres Mal traf ihn der Schlag, fast genau an derselben Stelle. Martins Zähne knirschten ein wenig, so fest biss er sie zusammen. Beim fünften Hieb schossen ihm die Tränen in die Augen, beim zehnten begann er zu schluchzen. »Quindecim!« Geschafft. Doch Martin konnte sich nicht sofort wieder aufrichten. Sein ganzer Körper brannte: Sein Hintern von den Schlägen, sein Gesicht vor Scham und sein Herz von der ungerechten Bestrafung. Er wischte sich mit den Handrücken über die Augen, ehe er mit gesenktem Kopf zu seinem Platz zurückschlich. In der Klasse war es still. Sein Freund Hans sah ihn mitleidig an, als Martin sich vorsichtig auf der Bank niederließ. Auf den anderen Gesichtern bemerkte er Häme, Gleichgültigkeit, aber auch Erleichterung, weil es vorbei war. Wider besseres Wissen sah Martin zu Hermann Schellenbach hinüber, dem stärksten Schüler der Klasse, der in der mittleren Reihe hinter Ulf saß. Alles an dem Jungen war breit: das Gesicht, die Hände, der Körper und die Füße. Die vollen Lippen verzogen sich zu einem gemeinen Lächeln. Demonstrativ ließ er seine Finger über den Federkiel gleiten. Hitze kroch über Martins Nacken und seine Ohren wurden rot. Diese Woche führte Hermann die Wolfsliste. Alle Schüler, die deutsch sprachen, fluchten oder sich schlecht benahmen, wurden auf ihr eingetragen. Ende der Woche wurden die Namen Magister Schneider vorgelegt, der dann die Bestrafungen durchführte. Mal mit dem Rohrstock, mal Strafarbeiten aufgab oder demütigende Tätigkeiten von den Delinquenten verlangte. Doch Martin hatte seine Hiebe bereits erhalten. Hermann würde ihn doch wohl nicht auf die Liste setzen? Vorsichtshalber warf er seinem Klassenkameraden einen weiteren Blick zu. Doch der hatte seine Aufmerksamkeit wieder dem Grammatikunterricht zugewandt und die Feder lag neben der Fibel. Aufmunternd nickte Hans seinem Freund zu. Martin gelang ein verkniffenes Lächeln. »Das war ungerecht«, versuchte Hans ihn später in der Pause zu trösten. »Niemand von uns hätte das gewusst.« »Ja, aber mich hat es getroffen«, murmelte Martin und rieb sich verstohlen die Kehrseite. »Wirst du es daheim erzählen?« »Auf keinen Fall.« Martin schüttelte sich. »Mutter würde mir nicht glauben und mich ebenfalls schlagen, weil ich nicht gelernt habe. Oder sie fürchtet sich, weil sie denkt, es wäre das Hexenwerk der alten Liese.« »Eurer Nachbarin?« Hans riss den Mund auf. »Hat deine Mutter ihr nicht Suppe gekocht und sie umsorgt, als sie im Frühjahr so krank war?« Martin winkte ab. »Aus Angst, nicht aus Nächstenliebe. Mutter befürchtet, Liese könnte uns Kindern etwas antun. Deshalb ist sie immer besonders freundlich zu ihr, um der Alten keinen Grund zu liefern, sich an uns zu rächen.« »Glaubst du, dass eure Nachbarin eine Hexe ist?« Hans hielt den Atem an. »Mutter ist davon überzeugt.« Martin zögerte. »Sie erzählt uns viele Geschichten über den Teufel und Dämonen. Satan ist der schlimmste Feind des Menschen und hat seine Helfer überall. Er verbirgt sie hinter einem freundlichen Gesicht oder in einer hübschen Gestalt. Mutter ermahnt uns ständig, auf der Hut zu sein.« »Wird wohl stimmen«, meinte Hans achselzuckend. »Aber der Hermann ist weder nett noch schön, den hat der Teufel wohl vergessen. Denn sein Gehilfe ist er bestimmt, so wie der sich jedes Mal freut, wenn er uns eins auswischen kann.« »Psst, versuche Satan nicht«, zischte Martin, während er sich hastig umschaute, als ob der Leibhaftige plötzlich neben ihm stünde. In dem Augenblick kündigte Magister Schneider mit dem Läuten der Glocke das Ende der Pause an. Erleichtert wandte sich Martin ab und ging voran. Jetzt hatten sie Musik, sein Lieblingsfach. Meist übten sie die Stücke für den Chor, da die Schüler bei den Messen mitsingen mussten. Als sie die Klasse betraten, blieb Martin...


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