E-Book, Deutsch, Band 287, 64 Seiten
Reihe: Der Notarzt
Graf Der Notarzt - Folge 287
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7325-4443-1
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Inas verzweifelter Kampf
E-Book, Deutsch, Band 287, 64 Seiten
Reihe: Der Notarzt
ISBN: 978-3-7325-4443-1
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Als die siebenundzwanzigjährige Ina Pfeffer ihre Assistenzstelle an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik antritt, ist Notarzt Peter Kersten zunächst sehr angetan von seiner neuen, engagierten Mitarbeiterin. Doch dann macht er eine seltsame Beobachtung, die ihn beunruhigt: Ina sammelt bei jeder Gelegenheit heimlich DNA-Proben ihrer Kollegen und verstaut sie in ihrer Tasche. Was hat sie damit vor? Auch Dr. Louis Mende, der in der Sauerbruch-Klinik das Zentrum für Labordiagnostik leitet, beobachtet die junge Frau nachdenklich. Er ist fasziniert von der hübschen Ärztin mit den funkelnden grünen Augen, aber etwas an ihr ist merkwürdig. In jeder freien Minute hockt sie im Labor, welches sie dank einer Sondergenehmigung für private Studien nutzen darf. Dabei wirkt sie äußerst verbissen und ungewöhnlich verschlossen. Mehr als deutlich gibt sie Louis zu verstehen, dass sie nachts allein im Labor sein will, um ungestört arbeiten zu können. Woran arbeitet sie nur? Was ist ihr Ziel? Niemand im Krankenhaus ahnt, dass Ina einen verzweifelten Kampf gegen die Zeit führt. Sie muss diesen Kampf gewinnen, sonst wird sie einen Menschen verlieren, der ihr unheimlich viel bedeutet ...
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„Bitte, denk nach, Mutter! Nenne mir jeden einzelnen Namen, der dir in den Sinn kommt! Valentinas Leben steht auf dem Spiel!“ Ina Pfeffer hätte ihre Mutter am liebsten von der Couch gezerrt und sie so lange durchgeschüttelt, bis der letzte traurige Rest ihrer Gehirnzellen, der noch nicht wegen konsequenter Nicht-Benutzung abgestorben war, irgendeine brauchbare Information ausspuckte. Ihr war völlig klar, dass es nicht besonders erfolgversprechend war, an das Mitgefühl der Frau zu appellieren, die die Bezeichnung „Mutter“ wahrlich nicht verdient hatte, denn Gefühle hatte Ella Prühs immer nur für eine einzige Person auf der Welt gehabt, und das war sie selbst. Um sich ein sorgenfreies Leben im Wohlstand zu sichern, hatte Inas Mutter von frühester Jugend an das eingesetzt, was sie im Übermaß besaß: ein hübsches Gesicht über einer Fülle wohlproportionierter Rundungen und eine beachtliche Portion von dem, was man allgemein als „Sexappeal“ bezeichnete. Drei Kinder hatte Ella zur Welt gebracht, und jedes einzelne davon hatte sie bei deren mutmaßlichen Vätern zurückgelassen, sobald ein neuer Mann in ihr Leben getreten war, der ihr mehr bieten konnte als sein Vorgänger. Victor – Inas älterer Halbbruder – stammte aus einer Affäre mit dem Chefarzt eines Krankenhauses in Hamburg, wo Ella aufgewachsen war. Neunzehn war sie damals gewesen, und mit den bescheidenen Verhältnissen, in denen sie groß geworden war, hatte sie sich auf gar keinen Fall zufriedengeben wollen. Der Affäre mit Prof. Rainer Wenger hatte sie ihr Diplom als Krankenpflegerin zu verdanken, das sie ohne die tatkräftige Unterstützung ihres um dreißig Jahre älteren Gönners niemals bekommen hätte. Zum Glück hatte Ella es – abgesehen von sehr kurzen Durststrecken zwischen ihren vorläufig fünf Ehen – nie notwendig gehabt, in diesem Beruf zu arbeiten. Zum Glück für die Patienten, denn selbst ihren schlimmsten Feinden würde es Ina niemals wünschen, von ihrer Mutter „gepflegt“ zu werden. Den kleinen Victor hatte Ella wenige Wochen nach der Geburt der überraschten Ehefrau des Mediziners in die Arme gedrückt und die Stadt mit einem sehr gut betuchten Anlageberater verlassen, der auf seiner Durchreise eine Nacht lang in der kleinen Pension abgestiegen war, die Ellas Eltern damals ein bisschen außerhalb Hamburgs betrieben hatten. Aus dieser Ehe mit Leonhard Pfeffer war Ina hervorgegangen, und wenn sie ihrer leiblichen Mutter für etwas dankbar war, dann dafür, dass Ella auch sie als unnötigen Ballast zurückgelassen hatte, als sie nach zweijähriger Ehe und einjähriger Mutterschaft das stattliche Haus am grünen Rand von Berlin bei Nacht und Nebel mit einem noch besser betuchten Geschäftsmann verlassen hatte. Leonhard Pfeffer war Ina ein wirklich guter und liebevoller Vater gewesen, und er war es immer noch. Sie hatte eine ebenso schöne wie behütete Kindheit in Berlin verbracht, hatte nach dem Abitur Medizin studiert und arbeitete jetzt – mit siebenundzwanzig Jahren – als Assistenzärztin in der Berliner Uniklinik. Über die weitere Karriere ihrer Mutter als hauptberufliche Ehefrau wusste Ina wenig bis gar nichts, und es hätte sie auch weiterhin nicht interessiert, wäre da nicht Valentina gewesen. Valentina war Inas jüngere Halbschwester. Sie war erst zwölf Jahre alt und in München zu Hause. Der Anlass, der dafür gesorgt hatte, dass die drei Halbgeschwister, die über das ganze Land verstreut lebten und bis vor drei Monaten nichts voneinander gewusst hatten, sich endlich kennengelernt hatten, war leider ziemlich traurig. Die zwölfjährige Valentina litt an einer ebenso schweren wie unheilbaren Nierenerkrankung und würde vermutlich bald sterben, wenn sie nicht noch rechtzeitig ein passendes Spenderorgan bekäme. Valentinas Vater, der vierte Ehemann von Ella, hatte Kontakt mit Victor und Ina aufgenommen und sie gebeten, sich untersuchen zu lassen, ob sie als Spender infrage kämen. Leider waren die Testergebnisse negativ gewesen. Er selbst – Joachim Krüger – hatte natürlich sofort sämtliche klinischen Tests über sich ergehen lassen, in der Hoffnung, seinem geliebten kleinen Mädchen, das er seit der Scheidung von Ella alleine versorgte, helfen zu können. Dabei hatte sich allerdings herausgestellt, dass er gar nicht der biologische Vater der kranken Valentina sein konnte. Als letzte Hoffnung blieb also nur noch Valentinas leiblicher Vater. Ella, die vor fünf Monaten von Ehemann Nummer fünf geschieden worden war und bereits in der feudalen Villa der zukünftigen Nummer sechs am Starnberger See residierte, kam nämlich ebenfalls nicht infrage. Joachim Krüger hatte sie beinahe mit Gewalt zur Blutuntersuchung geschleift, und obwohl er nun doch nicht ihr leiblicher Vater war, liebte er Valentina so sehr, dass er seine Exfrau vermutlich mit vorgehaltener Pistole zur Organentnahme in die Klinik getrieben hätte, wäre sie als Spenderin geeignet gewesen. Tja, so verworren diese Familiengeschichte auch war, Ina Pfeffer war wild entschlossen, ihrer kleinen Schwester, die sie längst liebgewonnen hatte, das Leben zu retten. Dazu musste sie allerdings Valentinas leiblichen Vater ausfindig machen, und das erwies sich bislang als beinahe unmöglich, denn Ella Prühs hat längst den Überblick über die zahlreichen Affären, die sie zwischen, aber auch während der einzelnen Ehen genossen hatte, verloren. „Hör doch auf, mich so schrecklich zu drangsalieren!“, nuschelte ihre Mutter undeutlich, als Ina sie nun abermals schroff zu einer Antwort aufforderte. Ella vermied es, beim Sprechen die Lippen zu bewegen, denn sie war dick mit einer giftgrünen Creme einbalsamiert, die ihr Gesicht zum Abschwellen bringen sollte. „Valentina macht viel zu viel Wind um ihren Zustand! Ständig will sie im Mittelpunkt stehen“, behauptete sie, obwohl sie von Valentinas Eigenschaften überhaupt keine Kenntnis haben konnte, weil sie auch ihr drittes und jüngstes Kind zurückgelassen hatte, als es noch keine drei Jahre alt gewesen war. „Mir ist es schon häufig viel schlechter gegangen, und ich habe mich auch immer wieder berappelt. Wenn ich da nur an meine Verdauungsstörungen denke, die mich beinahe umbringen, oder die immer wiederkehrende Migräne, die mich noch einmal ins Grab …“ „Hör auf! Halt den Mund!“ Ina starrte ihre Mutter ungläubig an. „Valentina hat nicht einfach nur irgendwelche banalen Wehwehchen! Sie leidet an terminaler Niereninsuffizienz, muss seit über einem Jahr dreimal wöchentlich zur Dialyse und liegt jetzt seit drei Wochen in der Klinik, weil sich Komplikationen eingestellt haben. Sie wird sterben, wenn sie nicht bald ein geeignetes Spenderorgan bekommt!“ „Ach, und was ist mit mir?“ Ella Prühs befühlte ihre Gesichtsmaske, die bereits Sprünge bekam. „Du siehst doch, wie sehr ich leide. Der Arzt hat gesagt, ich muss mich schonen. Wie kannst du nur so herzlos sein und mich so sehr unter Druck setzen, wenn ich krank bin!“ „Du bist nicht krank!“, widersprach Ina empört. „Du hast dich bloß liften lassen. Und nachdem es schon deine dritte Operation war, wirst du dich ja mittlerweile daran gewöhnt haben. Wie heißt es? Wer schön sein will …“ Ina brach ab. „Nein, falsch! Wer wie eine Plastik-Barbiepuppe aussehen will, muss eben ein bisschen leiden!“ „Plastikpuppe? Ach ja?“ Da ist Holger aber anderer Meinung. Er sagt mir täglich, wie wunderschön und aufregend ich bin. Ich gehe ganz fest davon aus, dass er mir heute Abend einen Heiratsantrag machen wird. Also, lass mich jetzt bitte in Ruhe, denn ich muss heute Abend makellos aussehen. Meine Zukunft hängt davon ab.“ Ina sog zischend die Luft ein. Der unglaubliche Egoismus ihrer Mutter machte sie vorübergehend sprachlos. „Und Valentina?“, fragte sie nach ein paar Schrecksekunden. „Willst du sie wirklich sterben lassen, weil du Angst hast, das Nachdenken könnte deinem Teint schaden?“ „So schnell stirbt man nicht!“, erwiderte die mittlerweile einundfünfzigjährige Frau patzig. Sie verzog ihr grünes Gesicht zu einer weinerlichen Grimasse und schrie erschrocken auf, als ihr die Krümel der längst getrockneten Gesichtsmaske in das üppige Dekolleté rieselten. „Da siehst du, was du angerichtet hast!“, lamentierte sie, erhob sich ächzend und machte sich auf den ziemlich weiten Weg über endlose weiße Marmorflure in eines der fünf Bäder der feudalen Villa. Ihre Tochter folgte ihr dicht auf den Fersen. Sie würde den Teufel tun und lockerlassen. Ina hatte ihre kleine Schwester am Morgen in der Klinik in München besucht, in der sie seit drei Wochen lag. Das Bild des bis auf die Knochen abgemagerten Kindes, das es nicht mehr ertragen konnte, täglich stundenlang an der Dialyse zu hängen, hatte sich tief in ihre Seele eingebrannt. Die gehauchten Worte, mit denen das einst so hübsche und lebenslustige Mädchen um den erlösenden Tod gefleht hatte, trieben ihr jetzt noch die Tränen in die Augen. „Namen, Mutter! Ich möchte Namen hören!“ Ina stellte hastig einen Fuß in die Tür zum Badezimmer, ehe Ella sie hinter sich schließen konnte. „Wenn ich mich doch nicht mehr erinnern kann!“, jammerte Ella, ließ Wasser in die riesige Wanne mit den vergoldeten Armaturen laufen und goss ein nach Jasmin und Sandelholz duftendes Öl hinein. Sie schälte sich lasziv aus ihrem seidenen Morgenmantel und präsentierte stolz ihre stramm nach vorne stehenden Silikonbrüste. „Und wieso sollte ich...