Beiträge zum Wandel im Umgang mit dem Wasser und zu seiner literarischen Imagination. E-BOOK
E-Book, Deutsch, 315 Seiten, Format (B × H): 158 mm x 240 mm
ISBN: 978-3-86234-048-4
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
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1;Inhalt;7
2;Einleitung;9
3;Wasserkultur: Kulturelle Dimensionen der ökologischen Wende im Umgang mit dem Wasser und die Leistung der literarischen Imagination;11
4;I. Teil: Der ökologische Wandel im Umgang mit dem Wasser: sozialpolitische, juristische, historische und künstlerische Aspekte;25
4.1;Wasserinfrastruktur, Wasserkultur und Stadtentwicklung im Umbruch;27
4.2;» Completing the Cycle«? Vom Schließen des Wasserkreislaufs angesichts der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts;47
4.3;Wasser – Mangelware, Handelsware, Gefahr – Eine Bestandsaufnahme der gemeinschaftsrechtlichen und österreichischen rechtlichen Rahmenbedingungen zu aktuellen Herausforderungen;63
4.4;» Die Kunst, das Gewaesser zu leiten« – Künstliche Wasserstraßen als Symbol technischer Selbst-vergewisserung und Chiffre der› Entschleunigung‹;83
4.5;Wasserräume in der Land Art – ideelle Landschaftskunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts;105
4.6;Strukturwandel des Ökologischen;127
5;II. Teil: Literarische Repräsentationen und sprachliche Bilder des Wassers: Schreckensszenarien und utopische Vorstellungen;149
5.1;Das Wasser und seine Erscheinungsformen als Peripherie der Moderne;151
5.2;Physiozentrismus, Physikotheologie und ›Absolutismus der Wirklichkeit‹ – Rachel Carsons The Edge of the Sea, mit Hans Blumenberg gelesen;173
5.3;Aspekte einer Poetologie des Wassers Flüssiges bei Novalis und Hölderlin, Bachmann und Celan;197
5.4;» Verseuchte Metaphern« – Repräsentationen der Elbe als Zeichen der Zeit in der deutschsprachigen Gegenwartslyrik;219
6;III. Teil: Wasser und Gender in literarischer Perspektive;241
6.1;Wasserfrauen in ökofeministischer Perspektive bei Ingeborg Bachmann und Karen Duve – Mahnende Stimmen über unsere Beziehung zur Natur;243
6.2;Loreley geht – Weiblichkeit, Natur und literarische Autoreflektion in Loreley- Texten von Frauen;267
6.3;Der romantische Sog des Wassers, des weiblichen Elements Zu Gabrielle Alioths Irland- Roman Die Arche der Frauen;287
7;Biographische Angaben der Beiträger und Herausgeber;303
8;Personen- und Sachregister;309
"Elisa Müller-Adams Loreley geht – Weiblichkeit, Natur und literarische Autoreflektion in Loreley-Texten von Frauen (S. 265-266)
In einer Fernsehdiskussion zum Thema »Gibt es einen neuen Nationalstolz in Deutschland« im vergangenen Jahr antwortete Deutschlands prominenteste Feministin, Alice Schwarzer, auf die Frage, was sie an Deutschland schätze, sie sei zwar keine stolze Deutsche, aber als sie einmal im Zug zwischen Köln und Frankfurt eine Japanerin auf die Loreley hinwies, habe sie, Schwarzer, »einen gewaltigen Besitzerstolz« empfunden (Beckmann 2006).
In der Folge wurde Alice Schwarzers Entscheidung für die Loreley von den Kritikern der Patriotismusdebatte als Beispiel genannt für die Beschränktheit und Rückwärtsgewandtheit der gegenwärtigen Bestimmungsversuche eines Nationalstolzes, der sich auf Dinge wie Schweinebraten, den deutschen Wald und eben die Loreley beruft (Broder o.J.). Und tatsächlich assoziiert man mit dem Loreleyfelsen wohl auch zunächst am ehesten eine Mischung aus Kitsch, Deutschtümelei und Ausflugsbooten auf dem Rhein mit japanischen Touristen und Männergesangvereinen an Bord, die eine blonde Jungfrau besingen, die sich auf einem Felsen sitzend kämmt.
Aber die Tatsache allein, dass die Loreley ihre Popularität und Volkstümlichkeit einer Vertonung eines Gedichts ausgerechnet von Heinrich Heine verdankt, weist bereits daraufhin, dass sich hinter dem Klischee sehr viel mehr verbirgt. Und dies scheint auch Alice Schwarzer in der oben beschriebenen Diskussion im Sinn gehabt zu haben. Schließlich hat sie in ihrer Dankesrede zur Verleihung des Heinepreises im Jahr 2006 ausdrücklich auf das Loreley-Lied als Ausgangsunkt für ihre lebenslange Auseinandersetzung mit Heine hingewiesen (Schwarzer 2006). Die Loreley, das ist ein materieller Ort einerseits und eine literarische Gestalt mit vielfältigen Konnotationen andererseits, ›ein Fels im Rhein‹ und ›ein deutscher Traum‹, wie auch der Titel eines Aufsatzbandes zu zwei Ausstellungen zum Thema Loreley in Bingen und Koblenz lautet (Kramp und Schmand 2004a).
Geographisch ist die Loreley ein Schieferfelsen im Mittelrheintal bei St. Goar, dort, wo der Fluss seine schmalste und tiefste Stelle hat und bis zu den Baumaßnahmen zur Regulierung auch am gefährlichsten war. Hohe Fließgeschwindigkeit, Felsklippen im Wasser und vor allem zahlreiche Strudel machten den Rhein hier zur Gefahrenstelle für die Schifffahrt, während eben die besonderen Gegebenheiten den Loreleyfelsen gleichzeitig auch zur ergiebsten Stelle für den Salmenfang und damit zur attraktiven Einnahmequelle machte (vgl. Kramp und Schmandt 2004b, S. 47ff.).
Das Zusammenspiel vom wilden Wasser und schroffen Felsen hat die Menschen wohl schon immer fasziniert: Bereits seit dem 13. Jahrhundert ist der Loreleyfelsen als »Lurleberg«1 in der Dichtung fahrender Sänger präsent, die u.a. hier sogar der Nibelungenhort vemuteten (vgl. Kramp und Schmandt 2004, S. 24ff.). Vor allem aber trug das ungewöhnlich starke Echo am Loreleyfelsen zur Sagenbildung bei, so werden in den mittelalterlichen Texten Zwerge, die den Felsen bewohnen, für das Naturphänomen verantwortlich gemacht (vgl. Daxelmüller 2004, S. 38ff.). Erst 1802 durch Clemens Brentanos Ballade ›Zu Bacharach am Rheine‹ wird das Echo des Felsens zur einer individuellen Stimme. Mit der Schaffung der Loreley als literarischer Figur entsteht dann in der Folge wiederum eine überaus wirksame Tradition, eben jener ›deutsche Traum‹, den Wolfgang Minaty folgendermaßen beschreibt:"