Überraschendes Wissen und faszinierende Fakten
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
ISBN: 978-3-96905-137-5
Verlag: Yes Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
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DIE GESCHICHTE DES KLOPAPIERS
Eine Toilette ohne Klopapier ist wie ein Fisch ohne Fahrrad – so würde man heute scherzen. Dabei war Toilettenpapier keineswegs von Anfang an eine Selbstverständlichkeit … STEIN, (SCHERE,) PAPIER
Tiere kennen das Problem nicht – vielleicht ist die besondere Sensibilität für Unsauberkeit an unserer Kehrseite eine der Eigenschaften, die uns von der übrigen belebten Welt abgrenzen und so die menschliche Zivilisation ausmachen … Sie sparten ein, was sie noch nicht hatten Die Römer brauchten kein Toilettenpapier. Sie benutzten eine besondere Konstruktion: einen Schwamm an einem Stock, getränkt mit Salzwasser. Hart im Nehmen Die alten Griechen waren hart im Nehmen – sie benutzten Steine oder Tonscherben zur Reinigung ihres Hintereingangs. Das finstere Mittelalter Der Mensch dieser Tage griff zu Stroh, Laub oder Blattwerk, bestenfalls zu Stofffetzen, um sich dort zu reinigen, wo keine Sonne scheint. Lange Zeit musste es ohne gehen, doch dann machte die Menschheit mal wieder einen zivilisatorischen Sprung – China sei Dank … Der saubere Kaiser Das Toilettenpapier wurde von den Chinesen erfunden, heißt es. Der allererste Mensch mit relativ sauberem Hinterteil war 1391 der chinesische Kaiser Hongwu, der Gründer der Ming-Dynastie. Er herrschte 30 Jahre, zeugte 36 Söhne und 16 Töchter, betrieb Bebauungs- und Bewässerungsprojekte und machte sich gleich doppelt um das Papier verdient: Unter seiner Herrschaft kam sowohl das Papiergeld als auch das Klopapier in Mode. Man verwendete noch keine Rolle, sondern einzelne Blätter, ein jedes davon einen halben Quadratmeter groß. Das kaiserliche Versorgungsamt brachte es immerhin auf eine Jahresproduktion von 720 000 Blatt. Ohne Moos nichts los! Das Mittelalter entdeckte das Moos für die Analhygiene, und zwar in Form von faustgroßen Ballen. Auch die äußere Hülle von Maiskolben oder der (abgenagte) Maiskolben selbst mussten hinterrücks herhalten. Dort, wo der Wohlstand Einzug gehalten hatte, verwendete man Lappen oder die Wolle von Schafen. Noch im prachtvollen Zeitalter des Barocks verzichtete man mangels Verfügbarkeit auf Toilettenpapier und blieb bei der Schafwolle. Oder man griff, wenn man zu den Reichen und Schönen gehörte, zur Seide – Dekadenz pur. Die fortschrittliche Neuzeit: Klopapier? Anfangs musste man sich mit Zeitungen begnügen. Ausgewiesenes Klopapier, beim Händler zu kaufen, ist erst seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt. Und erst das 20. Jahrhundert machte das Klopapier zum Marken- oder Luxusartikel, vorperforiert, mit garantierter Blattzahl und im besten Falle mehrlagig oder sogar feucht. Das erste europäische Toilettenpapier Es wurde 1857 hergestellt. Auf die Idee mit der Rolle kam man wenig später in England und den USA. In Deutschland kam Toilettenpapier zum ersten Mal im Jahr 1928 auf den Markt. Lockenwickler? In den Anfängen galt Papier fürs Hinterteil noch als anstößig. Deshalb gingen manche Rollen für hinterlistige Zwecke als Papierlockenwickler über den Ladentisch. Oder man sagte, um nicht das anstößige Wort Toilettenpapier zu gebrauchen: »Eine Rolle Hakle bitte!« Das schlug der Hersteller vor, ein genialer Marketingtrick. Sozialistisches Toilettenpapier Es war sozusagen der Spaß auf der Rolle, denn es erfüllte neben seiner alltäglichen noch eine andere, eher unterhaltende Funktion: Es wurde zum Thema des politischen Witzes. Warum ist das Klopapier in der DDR so rau, fragte der DDR-Bürger rhetorisch. Damit auch der letzte Arsch rot wird! Warum müssen sozialistische Flugzeuge an den Flügeln aus Sicherheitsgründen perforiert sein? Weil das DDR-Klopapier überall reißt, nur nicht an der Perforation. Volkes Stimme verstand es in Honeckers Paradies immer, Missstände mit schwarzem Humor zu geißeln. Luxus für den Besuch Anfang der 1960er-Jahre kosteten vier Rollen Toilettenpapier 1,20 D-Mark – viel Geld in jenen Tagen. Klopapier kaufte man eher für das Gäste-WC oder wenn Besuch kam. Gehäkeltes Symbol Der gehäkelte Toilettenpapierhut auf der hinteren Ablage der unauffälligen Limousine wurde neben dem Wackeldackel in den 1960er- und 1970er-Jahren zum Spießersymbol per se. Das antiautoritäre Pendant, das Poster mit Frank Zappa auf dem Klo, kennzeichnete die fortschrittliche Wohngemeinschaft dieser Tage. Die Rolle museal Das einzige Toilettenpapiermuseum Deutschlands steht in Düsseldorf-Reisholz auf dem Firmengelände der Firma Hakle, gegründet 1928 von Hans Klenk. Besichtigung nach Anmeldung per E-Mail oder Telefon. TOILETTENPAPIER HEUTE
Wie sehr das deutsche Wesen nur mit Klopapier genesen kann, zeigten die Hamsterkäufe im Frühjahr 2020 kurz vor dem Höhepunkt der Corona-Krise. Eines wurde in diesen Tagen klar: Ausreichende Mengen von Nudeln, Mehl und vor allem Toilettenpapier machen die Menschen zwischen Flensburg und Oberstdorf glücklich … Kosmische Dimensionen? Man schätzt, dass die Deutschen 20 Blatt Toilettenpapier pro Tag verbrauchen. In einem ganzen Jahr wäre das etwa ein Kilometer Toilettenpapier – pro Bundesbürger. Das Toilettenpapier aller Deutschen würde sich auf etwa 80 Millionen Kilometer summieren. Das hört sich viel an, ist aber, in kosmischen Dimensionen betrachtet, nur die halbe Entfernung bis zur Sonne. Der Klopapierverbrauch pro Jahr: Belgien 10 Kilogramm, Niederlande 14,3 Kilogramm, Deutschland 15 Kilogramm, Großbritannien 17,6 Kilogramm, USA und Kanada 25 Kilogramm. Ganz Europa bringt es im Jahr auf 5,5 Millionen Tonnen Toilettenpapier oder 22 Milliarden Rollen. Das bedruckte Klopapier Vermutlich ist es eine Erfindung der aufgewühlten 1968er-Periode, so mancher Alt-68er nutzte die damals noch spärlich angebotene bedruckte Ware als politisches Statement, zum Beispiel gegen die Atomkraft. Heute ist gestaltetes Papier Standard, damit nicht nur der Allerwerteste etwas vom Gang zur Toilette hat. Ja, manche Toilettenpapierangebote zählen sogar zu den Druckwerken, es bedarf zwingend einer kommentierenden Betrachtung und möglicherweise sogar einer Rezension, denn die alten 1000 Blatt raues Krepp hängen schon lange nicht mehr auf den Toiletten. Die Dekoration ist vielfältig Sie sind alle auf der Rolle: Wölkchen, Federn, Blüten, Blätter, Schmetterlinge und Vögel zieren modernes Toilettenpapier, aber auch Sehenswürdigkeiten wie der Eiffelturm oder Fabelwesen wie Einhörner. Buntes Papier verkauft sich in den neuen Bundesländern weitaus besser als im Westen. Einfarbiges Toilettenpapier schätzen Designfreunde für den Einsatz in gestalteten Umgebungen wie etwa Hotels oder Szenekneipen. Dort ist Schwarz die angesagte Farbe. Übrigens: Etwa die Hälfte des gestalteten Toilettenpapiers besteht aus Altpapier. Klopapier mit Duft Bundesweit ist Papier mit Duft beliebt. Kassenschlager ist die Duftrichtung Kamille. Daneben sind auch Meeresbrise, Magnolie, Mandelmilch, Frühling oder sogar Popcorn und Zuckerwatte käuflich zu erwerben – und natürlich Aloe vera, wie könnte es ohne Aloe vera gehen? Für die Weihnachtszeit warten Zimt und Spekulatiusduft auf der Rolle. Sondereditionen werben auf dem Klo Zum Beispiel für die Kinopremiere eines neuen Spielfilms wie im Falle des Minion-Dramas Ich – einfach unverbesserlich. Und sie verbreiten sogar Botschaften für den öffentlichen Raum: Mitteilungen wie »Haltet unsere Stadt sauber!« finden auf dem Klopapier ihren Platz. Ideal für Fans und Fanatiker Eine Sonderedition für Fußballfans zeigt die Spielzüge entscheidender WM-Tore der deutschen Nationalmannschaft auf jedem einzelnen Blatt. Bedruckte Toilettenpapierrollen erfreuen die Fans von Borussia Dortmund, Schalke 04 und anderen Vereinen. Vermutlich benutzen die Fans jeweils das Klopapier mit den Insignien des aktuellen Gegners. Vereinsübergreifend bietet sich ein Produkt mit original Rasenduft aus dem Stadion an. Politik am Arsch? Atomkraftgegner und Klimafanatiker können via Klopapier mitteilen, was sie scheiße finden. Engagierte Nerds verarbeiten rechtes Propagandamaterial zu Rollen mit »Scheißpapier«: Wer will, kann sich Hetz- und Hassparolen unterm Hintern durchziehen. Wen wundert es, dass es auch schon Toilettenpapier mit dem Porträt von Donald Trump zu kaufen gibt? Motto: Dump with Trump. Und in der Anti-Diktatoren-Abteilung ist natürlich auch Adolf Shitler vertreten. Spaßgeschenke Rollen mit aufgedrucktem Geld finden ihre Käufer. Auch Rätsel oder witzige Sprüche auf der Rolle sind beliebt. Weihnachtsmotive steigern die Stimmung schon vor dem Gänsebraten. Tannenbäume, Weihnachtsmänner mit oder ohne Rentiere und Schlitten können passend zum Fest erworben werden. Auch Luxus ist gefragt – die Firma Tissuedesign liefert mit 24-Karat-Echtgold oder Silber verzierte Rollen. KLOPAPIER-REKORDE
Die gewöhnliche...