Datenschutz-, Wettbewerbs- und Arbeitsrecht in der Praxis
E-Book, Deutsch, 250 Seiten
ISBN: 978-3-89577-965-7
Verlag: DATAKONTEXT
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Unabhängig des für die Anwerbung von Beschäftigten gewählten Weges muss das Vorgehen mit den Vorgaben des Datenschutz-, des Wettbewerbs-, des Verbraucher- und des Gleichbehandlungsrechts vereinbar sein. Ferner sind Konkurrenzverbote, Geschäftsgeheimnisse und besonderen Vertraulichkeitspflichten ins Kalkül zu ziehen. Dies gilt insbesondere., wenn Arbeitnehmer im Rahmen eines "active sourcings" bzw. "active recruitment" aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis abgeworben werden sollen.
- Die ineinandergreifenden Regelungsbereiche
- Gewinnung und Auswahl von Bewerbern –Grundsatz- und Verfahrensfragen gemäß DS-GVO und BDSG
- Unlautere wettbewerbliche Handlungen bei der Personalgewinnung nach dem UWG
- Gesetzliche und vertragliche Verbote von Konkurrenztätigkeiten nach HGB und BGB
- Das Geschäftsgeheimnis bei der An-/Abwerbung von Geheimnisträgern
- Der für die Verarbeitung von Bewerberdaten unter Vorgabe von DS-GVO; BDSG, AGG, BetrVG und GeschGehG geltende Zulässigkeitskatalog
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Kapitel I:
Die bei der Personalgewinnung ineinandergreifenden Regelungsbereiche
Vorbemerkung 1 Der mit der fortschreitenden Digitalisierung verbundene Fachkräftemangel macht in vielen Branchen neben der klassischen, auf die Bewerbung von Interessenten abstellenden »Stellenausschreibung« ein aktives Suchen und Rekrutieren von Beschäftigten seitens des Arbeitgebers nötig. Unabhängig des für die Anwerbung von Beschäftigten gewählten Weges, muss das Vorgehen mit den Vorgaben des Datenschutz-, des Wettbewerbs-, des Verbraucher- und des Gleichbehandlungsrechts vereinbar sein. Ferner sind Konkurrenzverbote, Geschäftsgeheimnisse und besondere Vertraulichkeitspflichten ins Kalkül zu ziehen. Dies gilt insbesondere, wenn Arbeitnehmer im Rahmen eines »active sourcings« bzw. »active recruitments« aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis abgeworben werden sollen bzw. es ihnen untersagt ist, bei Konkurrenten des Arbeitgebers ein Arbeitsverhältnis einzugehen. A Der zu betrachtende Rechtsrahmen
1 Berufsfreiheit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
2 Das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen, wird als Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Es gewährleistet und vermittelt dem Einzelnen das Recht, jedwede Arbeit, die er für sich als geeignet ansieht, als »Beruf« zu ergreifen und sich den hierfür geeigneten Arbeitsplatz frei zu wählen und damit auch das Recht, seinen Arbeitsplatz zu wechseln. Artikel 12 GG (1) Alle Deutschen haben das Recht Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. 3 Der freien Arbeitsplatzwahl des Arbeitnehmers steht gegenüber die dem Arbeitgeber nach Art. 12 GG gewährte Gewerbefreiheit und damit die unternehmerische Freiheit zu entscheiden, mit wie vielen und welchen Mitarbeitern er sein Unternehmen führen will und wie er insoweit im Wettbewerb mit Konkurrenten bestehen kann. Dass er dabei auch im Wege der Abwerbung anderweitig beschäftigtes Personal als Activ Sourcer[1] zu gewinnen versuchen kann, steht außer Frage. Es gilt der Grundsatz der Abwerbefreiheit. 4 Hierbei sind jedoch Spielregeln zu beachten; sofern es um einen Arbeitgeberwechsel geht. OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.01.2001 – 6 U 167/00 Das grundsätzlich zulässige Abwerben (Ausspannen) von Beschäftigten eines anderen Unternehmens ist nur bei Hinzutreten von besonderen Umständen sittenwidrig. Solche Umstände sind etwa das Verleiten zum Vertragsbruch, das Abwerben unter Eindringen in die fremde Betriebssphäre des Konkurrenten und insbesondere nachhaltige und wiederholte Abwerbungsversuche über einen geschäftlichen Telefonapparat. 5 Andernfalls kann sich der wanderwillige Arbeitnehmer und das ihn an-/abwerbende Unternehmen mit Unterlassungs-, Schadensersatz- oder evtl. sogar Herausgabeansprüchen hinsichtlich des unlauter gewonnenen Profits konfrontiert sehen. So wird das grundsätzlich zulässige Abwerben von Mitarbeitern u. a. unzulässig bzw. sittenwidrig, wenn es den Tatbestand einer gezielten Behinderung gem. § 4 Nr. 4 UWG erfüllt. 6 Arbeitgebern wird häufig an einer Bindung von Beschäftigten an ihren Betrieb gelegen sein. Bei diesbezüglichen Regelungen ist ebenfalls die in unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen und fallbezogener Rechtsprechung konkretisierte Berufsfreiheit der Beschäftigten zu beachten. Art. 12 GG gilt somit auch als Prüfungsmaßstab für individualvertragliche Vereinbarungen, wie z. B. den Arbeitgeberwechsel hindernde Rückzahlungsklauseln von Aus- oder Fortbildungskosten.[2] 7 Aufgabe des Gesetzgebers und der Rechtsprechung war es, die ggf. kollidierenden Grundrechtspositionen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei der Berufsausübung in Ausgleich zu bringen. Das gilt speziell für das Verhältnis von freier Berufswahl einerseits und Vertragstreue an einen eingegangenen Vertrag andererseits. 2 Persönlichkeits-, Wettbewerbs-, Diskriminierungs- und Verbraucherschutz
2.1 Das Miteinander der Schutznormen 8 Aktivitäten bei der Gewinnung von Personal erfüllen den Tatbestand der Werbung, sei es in Gestalt der An- und ggf. gleichzeitiger auf ihre Zulässigkeit noch näher zu betrachtender Abwerbung. Hier sind Vorgaben des Wettbewerbsrechts und Verbraucherschutzes (UWG; UlklaG) von Relevanz. Eine sachgerechte Einstellungsentscheidung bedarf fundierter Informationen über den hierfür ins Auge gefassten Kandidaten. Hierbei sind jedoch dessen, u. a. durch Daten- und Diskriminierungsschutz gesicherte Ansprüche auf Persönlichkeitsschutz zu gewährleisten. 9 Die sich aus Datenschutz-, Wettbewerbs- und Diskriminierungsschutzrecht ergebenden Schutzpositionen gegenüber nicht erwünschter bzw. gesetzlich nicht legitimierter personenbezogener Anwerbung[3] von Beschäftigten und der Praktizierung unzulässiger Einstellungskriterien überschneiden bzw. ergänzen sich.[4] Die wettbewerbsrechtliche Wertung bestimmt dabei das datenschutz- bzw. persönlichkeitsrechtliche Ergebnis.[5] Eine nach dem UWG unzulässige Datenverarbeitung zwecks Direktwerbung stellt auch eine unzulässige Verarbeitung nach der DS-GVO dar. 10 Ein berechtigtes Interesse an einer Datenverarbeitung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DS-GVO ist andererseits nicht gegeben, wenn die Datenverarbeitung wettbewerbswidrig ist. Die Bewertungsmaßstäbe des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG sind auch im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DS-GVO zu berücksichtigen. OVG Saarlouis, Urt. v. 16.02.2021 – 2 A 355/19 Ein berechtigtes Interesse an einer Datenverarbeitung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO ist nicht gegeben, wenn die Datenverarbeitung wettbewerbswidrig ist. Die Bewertungsmaßstäbe des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG sind auch im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DS-GVO zu berücksichtigen. 11 Andererseits kann eine nach dem UWG unbeanstandete Werbung z. B. wegen Verstoßes gegen Informationspflichten der DS-GVO rechtswidrig sein. Gleiches gilt, wenn die für die Datenverarbeitung erforderliche Einwilligung nicht den Anforderungen der DS-GVO genügt. 12 Ob der Empfänger einer unerlaubten Anwerbung auch auf Grund der »Belästigung« einen Anspruch auf einen immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DS-GVO hat, wenn die erlittene Beeinträchtigung nicht erheblich ist,[6] ist umstritten[7] und steht zurzeit zur Klärung bei dem EuGH an.[8] OLG Stuttgart, Urt. v. 27.02.2020 – 2 U 257/19 Ein Verstoß gegen die Informationspflichten aus Art. 13 DS-GVO kann einen Wettbewerbsverstoß im Sinne des UWG darstellen und somit einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG i. V. m. §§ 3, 3a UWG begründen. AG Pfaffenhoven, Urt. v. 09.09.2021 – 2 C133/21 1. Die Werbung mittels E-Mail setzt für ihre Zulässigkeit außerhalb der Fälle des § 7 Abs. 3 UWG eine – vorherige und ausdrückliche – Einwilligung voraus. 2. Auf eine »Erheblichkeitsschwelle« kommt es für den Schadensersatzanspruch des Art. 82 DS-GVO nicht an. Ein Schaden i. S. d. Art. 82 DS-GVO kann bereits in einem durch die unrechtmäßige Datenverarbeitung ausgelösten »unguten Gefühl« liegen. 3. Die Schwere des immateriellen Schadens ist für die Begründung der Haftung nach Art. 82 DS-GVO irrelevant und wirkt sich nur noch auf die Höhe des Anspruchs aus. 2.2 Nachfragewerbung (active sourcing) 13 Werbung in Gestalt von Nachfragewerbung unterwirft der BGH den gleichen Vorgaben wie sog. Absatzwerbung im Hinblick darauf, dass diese Werbeform gerade im geschäftlichen Bereich einen stark belästigenden Charakter (»Spamming«) angenommen hat, sodass ein Eingriff in den Gewerbebetrieb bereits bei einer einmaligen Zusendung einer E-Mail-Werbung vorliegt.[9] BGH, Urt. v. 17.07.2008 – I ZR 75/06 § 7 Abs. 2 UWG erfasst als Werbung grundsätzlich auch Nachfragehandlungen. Dies gilt auch dann, wenn sie sich an Gewerbetreibende oder Freiberufler richten. 14 Im Gegensatz zu sonstiger Nachfragewerbung tangiert Nachfragewerbung in Gestalt der Abwerbung von Beschäftigten zudem zwei Rechteinhaber in ihren Rechtspositionen; zum einen betrifft sie den u. a. vor Belästigung geschützten Beschäftigten und zum anderen den vor dem störenden Eindringen in die Geschäfts- oder Betriebssphäre geschützten Arbeitgeber bzw. Mitbewerber. 15 Entscheidend ist hierbei auch das gewählte Kommunikationsmittel. Dieses störende Eindringen kann sich aus der Art und Weise der Ansprache des...