E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Gogoll / Lütje / Sirtakis Heiligabend mit Überraschungen
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95609-201-5
Verlag: el!es-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Romantische Weihnachtsgeschichten
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-95609-201-5
Verlag: el!es-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Weihnachten zu zweit gemütlich zu Hause? Eine verschwundene Nonne durchkreuzt Rennis und Monikas Pläne gehörig ...
Die neue Paketbotin bringt nicht nur ein Päckchen in Christinas Bistro, sondern auch Christinas Gefühlsleben völlig durcheinander ...
Weihnachtseinkäufe sind schon stressig genug, da ist eine unhöfliche Vordränglerin nicht gerade hilfreich; noch schlimmer wird's, wenn sich diese Kundin als neue Kollegin entpuppt ...
Diese und weitere weihnachtlichen Geschichten konnten Sie im Adventskalender 2015 lesen, jetzt sind sie als Buch erhältlich. Und als Bonus gibt es noch die Silvestergeschichte dazu.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Jenny Green
Momentaufnahme
Wolken umhüllten die Stadt, während Schneeflocken sanft durch die Luft tanzten. Menschen, in Büchern verloren, spielten ihren leisen Takt. Tausende Herzschläge wie ein elektrisches Gefühl im Rhythmus verlorener Zeit formten den Moment, in dem sie erkannte, woran sie wirklich hing. Fußspuren im frischen Schnee zeigten allein, woher sie kam: aus dem Ort, den sie am liebsten mit einem schwarzen Schatten bedecken wollte, nachdem sie ihn jetzt für immer verlassen hatte. Ein Ort der Vergangenheit, der in ihrer Gegenwart keinen Platz mehr hatte. In dem sie zwar immer einen Platz haben würde, der jedoch nun ein anderer sein würde. Ein anderer nach zwei Jahren Schwebezustand und dem Wandeln zwischen Nähe und Distanz. Nun war es nur noch Distanz, die in ihr eine wiedergewonnene Nähe zu sich selbst hervorbrachte. Abgeschürfter Holzboden knarzte unter jedem ihrer Schritte, als sie die Tür aus ihrer Hand gleiten ließ und in das Innere des Cafés trat. In diesem Raum konnte sie freier atmen als auf der Straße. Ein vertrautes Gesicht hinter dem Tresen nickte ihr lächelnd zu, bevor sie sich in dem im Dämmerlicht liegenden Raum umsah. Warum musste sie genau in diesem Moment an Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichte denken, hatte sie diese doch zuletzt als Kind gelesen? Vielleicht, weil sie selbst gerade gegen die Geister ihrer Vergangenheit gekämpft hatte? Kopflos war sie all den Weg hierhergelaufen, und jetzt begannen ihre Gedanken Karussell zu fahren. Und auch, wenn sie wusste, warum sie diesen Schritt hatte gehen müssen, fiel es ihr schwer, sich mit diesem neuen Gefühl zu arrangieren, das sich anfühlte, als hätte sie ein unsichtbares Band, das in all der letzten Zeit eher eine Fessel war, durchtrennt. Anna hielt inne, gestand sich diese Unsicherheit, die sich in ihr langsam aufgebaut hatte, zu, und wusste gleichzeitig, dass sie nur von kurzer Dauer sein würde, denn sie wusste genau, warum sie diesen Weg hatte gehen müssen. Das, was vor ihr lag oder zumindest vor ihr zu liegen schien, wenn sie es nur zuließ, forderte und erleichterte den Abschluss eines alten Kapitels. Ein Kapitel, das nun nicht mehr ihres war und nie wieder sein würde. Waren die Fenster heute Morgen noch mit tausend Grautönen überzogen, machten sie jetzt den Blick frei auf etwas, das sie ihr Innerstes durcheinanderwirbelte. Ein letzter Blick, dann drehte sich Anna um und griff nach dem Türknopf, um kurz darauf in die Winternacht zu verschwinden. -=- Achtzehn Uhr. Die Glockenschläge des naheliegenden Doms legten sich über die Altstadt, die in die tausend Lichter der Weihnachtsmärkte gehüllt war. Am Abend vor Weihnachten lag eine besonders heimelige Stimmung in der Luft. Beinahe melancholisch. Annas Fußspuren im Schnee zeugten davon, dass sie für einen kurzen Moment ein Teil der Menschenmenge war, die sich um die zahlreichen Buden scharte. Glühweintassen in den Händen, ein Lächeln auf den Lippen und mittendrin Anna, die für einen Augenblick als stumme Zuschauerin verharrte, in der Hoffnung, ihren Herzschlag beruhigen zu können. Doch genau dieser aufpeitschende Rhythmus trieb sie kurz darauf schon weiter, dem Weihnachtstrubel, der eigentlich die letzte Ruhe vor dem Beben war, entgleitend. Der immer gleiche Satz im Ohr – was, wenn alles schon verloren war? – begleitete sie durch die Straßen der Stadt, durch die Gassen, entlang am Donauufer. Was, wenn sie zu lange gewartet, zu lange gezögert, ja viel zu lange viel zu feige gewesen war? Ihre Schritte entschleunigten sich, je näher sie ihrem Ziel kam und je schneller ihre Zweifel damit wuchsen. Schon von weitem konnte sie den Lichtkegel erkennen, der sich durch ein großes Holztor aus einem Hinterhof den Weg zur Straße bahnte. Noch ein paar Schritte, dann drangen die ersten Stimmen zu ihr durch. Fröhliche Stimmen, ein wildes Durcheinander, buntes Treiben. Und schließlich legte sich über all die Stimmen der Klang ihrer Stimme, so sanft und rau zugleich, als sie mit geschlossenen Augen den Refrain anstimmte und ganz in sich versunken schien. Anna lehnte sich gegen das Holztor und hielt inne. Ihr Blick bahnte sich seinen Weg durch die Menge, die sie kaum mehr wahrnahm, zur kleinen Bühne am anderen Ende des Hofes, auf der Sophie zusammen mit Hannes saß, der sie auf der Gitarre begleitete. Hin und wieder drehte sich jemand zu Anna um, lächelte ihr zu, ehe man wieder in angeregte Gespräche versank. Wie angewurzelt stand Anna jedoch da und schaffte es nicht, sich unter die Menge dieses kleinen Weihnachtsfestes zu mischen. Sie wollte Sophie nahe sein, doch im gleichen Moment kämpfte sie gegen eine aufsteigende Panik, die sie beinahe mitriss. Was machte sie hier nur? Nach all dem Chaos, das sie in den letzten Wochen gestiftet hatte. Sie war sich nicht einmal mehr sicher, ob sie jetzt wusste, wohin sie wollte. Alles in ihr war konfus, undurchdringlich und schon gar nicht verständlich. Und als hätte Sophie all diese Zweifel spüren können, hob sie genau in diesem Moment ihren Blick, der letzte Ton verstummte, sie sah in die Menge, sah über die Menge hinweg, bis sich ihre Blicke trafen. Nur wenige Sekunden, jedoch so intensiv, dass sie Anna vollkommen aus der Fassung brachten. Und dann lief Anna los, entfesselt und ziellos, bis die Nacht sie verschlang. Völlig außer Atem ließ Anna die Tür ins Schloss fallen und warf ihren Mantel achtlos in die Ecke, ehe sie sich auf einen Küchenstuhl fallen ließ. Nur das Licht aus dem Wohnungsflur fiel in die Küche, doch es reichte aus, um im Halbdunkel schemenhaft ihr Bild zu erkennen. Das unvergleichliche Lächeln an einem Tag, an dem dieses Lachen noch so ehrlich und unversehrt war. Der Gedanke daran schnürte Anna die Luft ab. Wie hatte sie wenige Stunden zuvor nur denken können, all das hinter sich lassen zu können, um etwas Neues in ihrem Leben zu beginnen? Sie hatte es zugelassen, in einem schwachen Moment, dass Sophie ihr Leben ins Wanken brachte. Sie hatte es zugelassen, und genau diese Erkenntnis traf sie nun mit voller Wucht. Gerade heute, gerade an diesem Tag. Gerade an diesem Tag vor Weihnachten. In diesem Moment wünschte sie sich ein Herz aus Stein, schmerzfrei und versiegelt, und Stille, die sich über die zerbrechenden Stunden legte. Sie wünschte, wünschen würde helfen. Helfen zu verstehen. Zu verstehen, dass sie nicht mehr hier wohnte. Völlig gerädert nach einer beinahe schlaflosen Nacht saß sie da und sah nach draußen. Dichtes Schneetreiben hatte sich über die Stadt gelegt. Weiße Weihnachten wie im Bilderbuch. Anna rang mit sich, ob sie das Fest auch in diesem Jahr bei ihrer Tante und deren Familie in Regensburg verbringen sollte, wie sie es im letzten Jahr getan hatte. Ihre Eltern, die sie ohnehin nur selten sah, verbrachten das Fest in ihrem neuen Zuhause in Berlin. So sehr sie Weihnachten selbst mochte und so sehr sie dieses Fest vor allem durch Marie lieben gelernt hatte, so wenig war dieses Fest in ihrer Familie verwurzelt und noch weniger in ihr selbst – seit dem Zeitpunkt, als Marie gegangen war. Nein, wenn sie ehrlich war, konnte sie familiäre Wärme heute nicht aushalten. Sie hielt sich selbst kaum aus. »Du vergisst zu leben. Du vergisst dich selbst!« Feli sah Anna eindringlich an. »Als du gestern gegangen bist, hatte ich wirklich geglaubt, irgendetwas hätte sich in dir geändert.« Anna umklammerte ihre Teetasse und rutschte auf ihrem Küchenstuhl hin und her. »Was soll sich denn ändern, Feli? Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen, ich kann die Geschichte nicht umschreiben. Sie ist, wie sie ist.« »Zwei Jahre, Anna. Zwei Jahre! Du klammerst dich an die Vergangenheit und hast keine Hand frei für das, was vor dir liegt.« »Ich weiß. Denkst du, ich weiß das nicht?« Anna schüttelte den Kopf und rang um Fassung. »Kannst du dir nur annähernd vorstellen, wie schwer es für mich ist, diesen Schritt zu gehen?« Feli senkte den Blick. »Nein, wahrscheinlich kann ich das nicht einmal ansatzweise.« »Ich kann es doch selbst nicht verstehen. Mein Kopf weiß, dass ich nach vorn schauen muss. Aber . . .« »Nur dein Herz nicht«, seufzte Feli und ließ sich nach hinten gegen die Stuhllehne sinken. Wie oft hatte sie diese Diskussion bereits mit Feli geführt? Sie standen sich so nahe, waren seit der Schulzeit befreundet, doch Feli konnte nicht fühlen, was sie fühlte. All den Schmerz, all die Leere, die seither in ihr wohnte. »Manchmal tut es gar nicht mehr weh, doch dann will ich einen Schritt nach vorn machen, und der Schmerz ist wieder da, schlimmer als zuvor.« Anna fixierte einen Punkt an der Decke ihrer Küche und drängte angestrengt die Tränen zurück. »Es ist nicht leicht, einen neuen Weg einzuschlagen. Schon gar nicht nach all dem, was dir geschehen ist, aber verwehre dir nicht die Chance, wieder glücklich zu sein, auf welchem Wege auch immer.« Feli hatte ihre Hand über den Küchentisch gestreckt und griff nach Annas Hand. »Willst du wirklich heute allein hier sitzen? Tom und ich können den Abend gern bei dir verbringen.« Mit einer fahrigen Handbewegung winkte Anna ab. »Ihr möchtet doch bestimmt lieber mit Euren Familien feiern.« »Meinst du wirklich, Tom flippt beim Gedanken an Weihnachten mit den Schwiegereltern vor Freude aus?« Feli lächelte. Ihre Mutter und Tom waren wie Feuer und Wasser. Ein Zustand, an den sich alle Beteiligten mittlerweile gewöhnt hatten, der jedoch immer wieder für brisante Wortgefechte sorgte. »So gern ich Tom davor bewahren würde, deine Eltern freuen sich auf dich. Und ich bin heute gern allein. Vielleicht ist es gut so. So kann ich wenigstens nicht vor meinen...