E-Book, Deutsch, 1487 Seiten
ISBN: 978-3-7541-7805-8
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Johann Wolfgang Goethe, ab 1782 von Goethe, war ein deutscher Dichter und Naturforscher. Er gilt als einer der bedeutendsten Schöpfer deutschsprachiger Dichtung.
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Der Bürgergeneral
Personen. Röse Görge Märten Der Edelmann Schnaps Der Richter Bauern Erster Auftritt Der Schauplatz ist vor Märtens Hause, wie in den vorigen Stücken. Röse. Görge. GÖRGE der zum Hause mit einem Rechen herauskommt, spricht zurück. Hörst du, liebe Röse? RÖSE die unter die Türe tritt. Recht wohl, lieber Görge! GÖRGE. Ich gehe auf die Wiese und ziehe Maulwurfshaufen auseinander. RÖSE. Gut. GÖRGE. Hernach seh ich, wie es auf dem Acker aussieht. RÖSE. Schön! Und dann kommst du aufs Krautland und gräbst, und findest mich da mit dem Frühstück. GÖRGE. Und da setzen wir uns zusammen und lassen es uns schmecken. RÖSE. Du sollst eine gute Suppe haben. GÖRGE. Wenn sie noch so gut wäre! Du mußt mitessen, sonst schmeckt sie mir nicht. RÖSE. Mir geht's ebenso. GÖRGE. Nun leb wohl, Röse! RÖSE. Leb wohl, Görge! GÖRGE geht, bleibt stehen, sieht sich um; sie werfen sich Kußhände zu, er kehrt zurück. Höre, Röse! – die Leute reden kein wahr Wort. RÖSE. Selten wenigstens. Wieso? GÖRGE. Sie sagen: als Mann und Frau hätte man sich nicht mehr so lieb wie vorher. Es ist nicht wahr, Röse. Wie lange haben wir uns schon? Wart! RÖSE. Zwölf Wochen. GÖRGE. Wahrhaftig! Und da ist immer noch Görge und Röschen, und Röschen und Görge wie vorher. Nun leb wohl! RÖSE. Leb wohl. Wie oft haben wir das nicht schon gesagt! GÖRGE entfernt sich. Und wie oft werden wir es noch sagen! RÖSE. Und uns immer wieder suchen und finden. GÖRGE stille stehend. Das ist eine Lust! RÖSE. Ich komme gleich nach. Leb wohl! GÖRGE gehend. Leb wohl! RÖSE unter der Türe. Görge! GÖRGE zurückkommend. Was gibt's? RÖSE. Du hast was vergessen. GÖRGE sich ansehend. Was denn? RÖSE ihm entgegenspringend. Noch einen Kuß! GÖRGE. Liebe Röse! RÖSE. Lieber Görge! Küssend. Zweiter Auftritt Die Vorigen. Der Edelmann. EDELMANN. Brav, ihr Kinder! Brav! an euch merkt man nicht, daß die Zeit vergeht. GÖRGE. Wir merken's auch nicht, gnädiger Herr. RÖSE bedeutend. Sie werden's auch bald nicht mehr merken. EDELMANN. Wieso? RÖSE. Machen Sie nur kein Geheimnis daraus! – Sie ist ja so hübsch. EDELMANN lächelnd. Wer? GÖRGE. Hm! Röse, du hast recht. Jawohl, recht hübsch. RÖSE. Und Sie sind auch so ein schöner junger Herr. EDELMANN. Görge! Darf sie das sagen? GÖRGE. Jetzt eher als sonst. Denn ich will's nur gestehen, ich bin oft eifersüchtig auf Sie gewesen. EDELMANN. Du hast's auch Ursache gehabt. Röse gefiel mir immer. RÖSE. Sie scherzen, gnädiger Herr. GÖRGE. Es ist mir nur immer gar zu ernstlich vorgekommen. RÖSE. Er hat mich oft genug gequält. GÖRGE. Und sie mich auch. EDELMANN. Und jetzt? GÖRGE. Jetzt ist Röse meine Frau und, ich denke, eine recht brave Frau. EDELMANN. Das ist gewiß. RÖSE bedeutend. Und Sie? – EDELMANN. Nun? GÖRGE mit Bücklingen. Darf man gratulieren? EDELMANN. Wozu? RÖSE sich neigend. Wenn Sie's nicht ungnädig nehmen wollen. GÖRGE. Sie werden bald auch ein allerliebstes Weibchen haben. EDELMANN. Daß ich nicht wüßte. RÖSE. In wenig Tagen leugnen Sie es nicht mehr. GÖRGE. Und sie ist so liebenswürdig. EDELMANN. Wer denn? RÖSE. Fräulein Karoline, die neulich mit der alten Tante hier zum Besuche war. EDELMANN. Daher habt ihr euren Argwohn? Wie ihr fein seid! GÖRGE. Ich dächte doch, so etwas ließe sich einsehen. RÖSE. Es ist recht schön, daß Sie sich auch verheiraten. GÖRGE. Man wird ein ganz anderer Mensch. Sie werden's sehen. RÖSE. Jetzt gefällt mir's erst zu Hause. GÖRGE. Und ich meine, ich wäre da drin im Hause geboren. RÖSE. Und wenn der Vater die Zeitungen liest und sich um die Welthändel bekümmert, da drücken wir einander die Hände. GÖRGE. Und wenn der Alte sich betrübt, daß es draußen so wild zugeht, dann rücken wir näher zusammen und freuen uns, daß es bei uns so friedlich und ruhig ist. EDELMANN. Das Beste, was ihr tun könnt. RÖSE. Und wenn der Vater gar nicht begreifen kann, wie er die französische Nation aus den Schulden retten will, da sag ich: »Görge, wir wollen uns nur hüten, daß wir keine Schulden machen.« GÖRGE. Und wenn er außer sich ist, daß man allen Leuten dort ihre Güter und ihr Vermögen nimmt, da überlegen wir zusammen, wie wir das Gütchen verbessern wollen, das wir von dem Lottogelde zu kaufen gedenken. EDELMANN. Ihr seid gescheite junge Leute. RÖSE. Und glücklich. EDELMANN. Das hör ich gern. GÖRGE. Sie werden's auch bald erfahren. RÖSE. Das wird wieder eine Lust auf dem Schlosse werden! GÖRGE. Als wie zu Lebzeiten Ihrer seligen Frau Mama. RÖSE. Zu der man immer lief, wenn jemand krank war. GÖRGE. Die einem so guten Spiritus auflegte, wenn man sich eine Beule gestoßen hatte. RÖSE. Die so gute Salben wußte, wenn man sich verbrannt hatte. EDELMANN. Wenn ich heirate, will ich mich nach einem Frauenzimmer umsehen, die ihr ähnlich ist. GÖRGE. Die ist schon gefunden. RÖSE. Ich denk's. Sein Sie nicht böse, gnädiger Herr, daß wir so vorlaut sind. GÖRGE. Wir können's aber nicht abwarten – RÖSE. Sie so glücklich zu sehen als uns. GÖRGE. Sie müssen nicht länger zögern. RÖSE. Es ist verlorne Zeit. GÖRGE. Und wir haben schon den Vorsprung. EDELMANN. Wir wollen sehen. GÖRGE. Es tut freilich nichts, wenn unser Junge ein bißchen älter ist als der Ihrige; da kann er desto besser auf den Junker achthaben. RÖSE. Das wird hübsch sein, wenn sie zusammen spielen. Sie dürfen doch? EDELMANN. Wenn sie nur schon da wären. Ja! – meine Kinder sollen mit den eurigen aufwachsen, wie ich mit euch. RÖSE. Das wird eine Lust sein! GÖRGE. Ich sehe sie schon. Dritter Auftritt Die Vorigen. Märten am Fenster. MÄRTEN. Röse! Röse! Wo bleibt das Frühstück? RÖSE. Gleich! Gleich! MÄRTEN. Muß ich schon wieder warten! Das Fenster zu. RÖSE. Den Augenblick! GÖRGE. Mach nur, Röse. RÖSE. Da werd ich ausgeschmält. EDELMANN. Daran ist der Kuß schuld, über dem ich euch ertappte. Ich vergaß auch darüber mein Wildpret. GÖRGE. Ihre Freundlichkeit ist schuld, gnädiger Herr! RÖSE. Jawohl. Ich vergaß darüber den Vater. GÖRGE. Und ich Wiese, Acker und Krautland. EDELMANN. Nun denn jedes auf seinen Weg. Unter wechselseitigen Begrüßungen an verschiedenen Seiten ab, und Röse ins Haus. Vierter Auftritt Märtens Stube, mit einem Kamin, einigen Schränken, einem Tisch mit Stühlen. An der Seite ein Fenster. Gegenüber eine angelehnte Leiter. Märten. Röse. MÄRTEN. Röse, wo bist du? RÖSE. Hier, Vater. MÄRTEN. Wo bleibst du? RÖSE. Der gnädige Herr kam gegangen, und wie er so gut ist, schwatzte er mit uns. MÄRTEN. Und mein Kaffee? RÖSE auf den Kamin deutend. Steht hier. MÄRTEN. Das seh ich. Aber die Milch? RÖSE. Ist gleich warm. Geht nach dem Schranke, öffnet ihn mit einem Schlüssel des Bundes, das sie anhängen hat, nimmt Rahm heraus und setzt ihn in den Kamin. MÄRTEN indessen. Röse, das ist nicht hübsch! RÖSE beschäftigt. Was denn, Vater? MÄRTEN. Daß du mich ganz und gar über Görgen vergissest. RÖSE wie oben. Wieso? MÄRTEN. Mit ihm hast du geplaudert; für ihn hast du gesorgt. RÖSE. Auch, Vater. Ich hab ihm ein Butterbrot gegeben. MÄRTEN. Für ihn allein sorgst du. RÖSE. Nicht doch! Für Euch so gut wie für ihn. MÄRTEN. Und doch versprachst du mir, wenn ich dich heiraten ließe – RÖSE. Sollte alles bleiben vor wie nach. MÄRTEN. Hältst du nun Wort? RÖSE. Gewiß. Hier ist der Kaffee. MÄRTEN. Bist du alle Morgen gleich bei der Hand wie sonst? RÖSE. Hier ist die Milch. Sie läuft wieder nach dem Schranke. MÄRTEN. Und muß ich nicht auf alles warten? RÖSE. Hier die Tasse! der Löffel! der Zucker! Wollt Ihr auch ein Butterbrot? MÄRTEN. Nein, nein. – Du bleibst mir die Antwort schuldig. RÖSE auf das Frühstück deutend. Hier steht sie. MÄRTEN. Es mag gut sein. Erzähle mir etwas. RÖSE. Ich muß fort. MÄRTEN. Schon wieder? RÖSE. Görgen die Suppe bringen, der mag den Kaffee nicht. MÄRTEN. Warum ißt er sie nicht zu Hause? RÖSE. Er will erst was arbeiten. Auf dem Krautlande hat er eine Laube gebaut, da machen wir ein Feuerchen an, wärmen die Suppe und verzehren sie miteinander. MÄRTEN. So geh hin! Es ist doch nicht anders. RÖSE. Wie meint Ihr? MÄRTEN. Vater und Mutter verlaßt ihr und folgt dem Manne nach. RÖSE. So soll's ja sein. MÄRTEN. Geh nur. RÖSE. Zu Mittag sollt Ihr ein gut Essen haben; ich sage nicht was. MÄRTEN. Schon recht. RÖSE. Seid nicht...