E-Book, Deutsch, Band 1, 320 Seiten
Reihe: Fantastische Abenteuer
Göhr Fantastische Abenteuer 1
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7546-2655-9
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Ein unglaubliches Band
E-Book, Deutsch, Band 1, 320 Seiten
Reihe: Fantastische Abenteuer
ISBN: 978-3-7546-2655-9
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Timo findet sich eigentlich ganz normal. Und mal ehrlich - kann er was dazu, dass er zufällig blind ist? Eines Tages zieht im Nachbarhaus eine Familie mit einem Jungen in seinem Alter ein. Und der ist nun echt nicht normal! Alles, was Simon sich vorstellt, wird wirklich - egal, ob es sich um Schokotorte, Inline-Skates oder einen megastarken Riesen handelt. Schnell freunden sich die beiden ungleichen Jungen an und erleben aufregende Abenteuer zusammen. Eigentlich läuft alles perfekt - bis finstere Gestalten aus Simons Vergangenheit auftauchen und sowohl die Freunde als auch ihre Familien in große Gefahr bringen.
Michaela Göhr wurde in eine lesebegeisterte Familie hineingeboren und wuchs umgeben von Büchern auf. Schon als Kind schrieb sie leidenschaftlich gern eigene Geschichten und lebte ständig in anderen Welten. Heute wohnt sie mit ihrer eigenen kleinen Familie direkt gegenüber von ihrem Elternhaus, arbeitet als Lehrerin, Hausfrau und Mutter, treibt gern Sport und hämmert nebenbei stundenlang wie wild auf der Tastatur ihres PCs herum, um die Geschichten aus ihrem Kopf zu befreien.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Voll Normal Ich heiße Timo, bin neun Jahre alt undd gehe in die dritte Klasse. Eigentlich bin ich ganz normal – finde ich zumindest. Aber von Geburt an hat etwas mit meinen Augen nicht gestimmt. Ich bin so blind, wie man nur sein kann. Ich weiß nicht, ob du dir das vorstellen kannst – nichts zu sehen, meine ich. Nicht einmal Lichtschein. Keine Menschen, keine Gegenstände, keine Farben – einfach nichts. Für mich ist das absolut normal, weil ich es überhaupt nicht anders kenne. Eher schon finde ich es schwierig, mir vorzustellen, wie Sehen funktioniert. Keiner hat mir das bisher richtig erklären können. Oder gelingt dir das? Wenn ja, dann darfst du mir gerne eine E-Mail schreiben, denn die kann ich mit meiner Braillezeile lesen. Apropos – du kennst so ein Teil wahrscheinlich noch nicht. Deshalb gibt es ganz am Ende der Geschichte eine kurze Erklärung dazu, ebenso zu einigen anderen Begriffen, die nicht alltäglich sind. So, das soll erst mal reichen. Denn eigentlich möchte ich dir von den supercoolen Abenteuern erzählen, die ich mit meinem Freund Simon erlebt habe. Um dir unsere besondere Freundschaft richtig vorzustellen, fange ich am besten ganz am Anfang an, auch wenn ich dazu in Gedanken ein paar Jahre zurückgehen muss. Zum Glück fällt mir das nicht weiter schwer, weil mein Gedächtnis ziemlich gut ist. Es war kurz vor meinem sechsten Geburtstag, als Simon eines Tages zu uns in die Kindergartengruppe kam und von unserer Erzieherin als ‚der Neue‘ vorgestellt wurde. Natürlich sagte sie auch seinen Namen, aber wer hört schon richtig hin, wenn er gerade mitten im Spiel ist? Ich jedenfalls nicht. Zum Glück hatten der Neue und ich eine große gemeinsame Leidenschaft – nämlich Lego. So kam es, dass er bereits nach kurzer Zeit in der Bauecke landete, wo ich selig vor mich hinarbeitete. „Gibst du mir mal den roten Vierer da drüben?“, bat er mich irgendwann freundlich. Ich antwortete nicht. Normalerweise fragt mich so was niemand. „Na dann eben nicht“, brummte er gleich darauf und holte sich den Stein selbst. Er sprach mich auch nicht mehr an. Keine Ahnung, ob er beleidigt war oder bloß total vertieft in sein Legospiel. Kurze Zeit später war ich fertig mit meinem Werk und wollte es jemandem zeigen. Der fremde Junge war dafür so gut wie jeder andere. Ich rief ihm stolz zu: „Guck mal, was ich gebaut habe!“ Er meinte: „Schon ganz okay. Wie findest du meins?“ Ich wollte mir sein Bauwerk gern ansehen. Also tastete ich in seiner Richtung auf dem Boden herum. Anschauen bedeutet für mich nämlich Fühlen. Leider warf ich dabei aus Versehen den Turm aus Steinen um. „Oh, Entschuldigung!“, rief ich sofort. Das hatte ich mir längst angewöhnt, weil mir so oft irgendwas Dummes passierte. Bei Erwachsenen half das normalerweise. Sie antworteten dann bloß: „Das macht doch nichts, du hast es ja nicht mit Absicht gemacht.“ Bei Kindern klappte das allerdings weniger, vor allem, wenn sie mich nicht kannten. Deshalb war ich auf Gebrüll, Jammern oder sogar Handgreiflichkeiten gefasst. Leicht panisch hatte ich schon den nötigen Hilferuf auf den Lippen, der meine Aufpasserin Alexa alarmieren würde. Um ein Haar wäre er mir rausgeflutscht. Doch der Neue reagierte ganz anders als gedacht. „Du Tollpatsch!“, schrie er wütend. „Kannst du nicht aufpassen? Das hier sind echte Steine, die siehst du doch!“ „Hä?“ Vor Verblüffung über diese komischen Worte vergaß ich, dass ich nach Alexa schreien wollte. „Jetzt tu nicht so blöd und hilf mir lieber, alles wieder einzusammeln!“ Es klang so streng, dass ich starr vor Schreck dasaß und anfing zu weinen. „Aber das kann ich nicht!“, jammerte ich und meine Hände machten sich selbstständig. Ich wedelte damit irgendwo in der Luft herum. Das passiert mir immer noch ab und zu, wenn ich aufgeregt oder nervös bin. Aber inzwischen habe ich es besser unter Kontrolle. Damals im Kindergarten habe ich es nicht mal richtig mitbekommen. „Ach ja – und warum nicht?“, herrschte mein Gegen-über mich an. „Du hast es kaputtgemacht, also kannst du mir wenigstens helfen. Da liegen die Steine doch – oder bist du blind?“ „Äh …“ Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Trotzdem brauchte ich unheimlich viel Mut, zu sagen: „Ja, stimmt.“ „Ehrlich? Du kannst wirklich nichts sehen?“ „Ja.“ Irgendwie war dieses Geständnis schlimmer als zuzugeben, dass man in die Hose gemacht hat. Ich glaube, das wäre mir in dem Moment leichter gefallen. Der Junge vor mir schien jetzt total durcheinander und wusste nicht, was er sagen sollte. „Oh“, machte er bloß und schwieg ziemlich lange. Mich tröstete dieses Schweigen und ich wischte mir die Tränen ab. Er sagte nicht, dass es ihm leidtat, aber ich spürte irgendwie, dass es so war. Er wurde danach auch viel freundlicher und schob mir hin und wieder passende Steine zu. Damit hatte sich unser Streit schon erledigt. Irgendwann bekam ich heraus, dass er Simon hieß, und sagte ihm auch meinen Namen. Von da an hing er an mir wie eine Klette. Das war spaßig, weil die anderen Kinder mir normalerweise lieber aus dem Weg gingen. Simon wollte alles von mir wissen. Er war neugierig, wie ich mein Brot aß, aufs Klo ging, die Schuhe anzog und so weiter. Ich fand es klasse, ihm die Sachen zu zeigen. So viel Interesse an mir zeigte sonst kaum jemand! Besonders beeindruckt schien er davon, wie gut ich mich überall auskannte. Das machte mich stolz und ich führte ihn im Kindergarten herum. Damit verging der Vormittag so schnell wie selten zuvor. Kurz bevor er endgültig rum war, fragte mich mein neuer ständiger Begleiter: „Möchtest du vielleicht zum Spielen zu mir kommen?“ Ich war erst mal völlig geplättet und stotterte: „Ja, äh – klar! Wenn du willst … gerne! Wann denn?“ „Na, am besten gleich heute Nachmittag. Ich möchte dir was zeigen.“ „Oh, das ist toll!“ Ich war überwältigt und strahlte vor Glück. Dann fiel mir ein, dass ich meine Mama fragen musste. Ich brauchte sie schließlich als Fahrdienst. Sie würde bestimmt ja sagen, weil sie sich immer sehr freute, wenn ich einen Spielkameraden fand. Das kam nicht oft vor – eigentlich fast nie. Die meisten Spiele, die bei den Kindern in meinem Alter total angesagt waren, fand ich blöd. Du kannst dir sicher vorstellen, dass solche Sachen wie Fußball oder Fangenspielen nicht gerade der Hit sind, wenn man nichts sieht. Aber Simon war irgendwie anders. Ich konnte nicht mal genau sagen, was so anders an ihm war, und doch fühlte ich mich magisch zu ihm hingezogen. Komischer-weise schien es ihm umgekehrt ja genauso zu gehen. Als ich Mama meinen frisch gebackenen Freund vorstellte, rief sie erfreut: „Ach, das ist der Junge von unseren neuen Nachbarn! Schön, dich kennenzulernen.“ Gleich darauf kam Simons Mutter und die beiden verstanden sich auf Anhieb prächtig. Puh, was für ein Glück, dass Erwachsene so leicht Freundschaften schließen! Das erleichterte es ungemein, unser Treffen für später klarzumachen. Jetzt, da wir beide wussten, wie nah wir beieinander wohnten, freuten wir uns doppelt. Mama war total begeistert – so sehr, dass es schon peinlich wurde. Ich war bloß heilfroh, dass sie an diesem Nachmittag keine ‚wichtigen Termine‘ für mich hatte. Wenig später stand ich nervös vor der Haustür unserer Nachbarn. Mama zeigte mir, wo ich klingeln musste. Die Tür wurde sofort aufgerissen, so als ob Simon dahinter gelauert hätte, und mein neuer Freund rief: „Hi, Timo! Toll, dass du schon da bist. Komm rein, ich zeig dir alles.“ Sofort packte er meine Hand und zog mich mit sich. Es gelang mir gerade noch, meiner Mutter ein hastiges „Tschüss“ zuzurufen, bevor die Tür hinter uns ins Schloss fiel. Simon führte mich durch den Flur und redete dabei munter drauflos. „Ich zeig dir erst mal mein Zimmer, das ist das Wichtigste. Die anderen Räume können wir später besichtigen. Mama ist gerade im Keller, die kennst du ja. Papa ist noch arbeiten, er kommt aber bald. Vorsicht, hier steht etwas!“ Schon ging es eine Treppe hoch. Zumindest zog Simon an meiner Hand und ich stieß mir erst einmal den großen Zeh an der untersten Stufe, bevor ich sie halbwegs hochstolperte. „Autsch!“, fluchte ich leise. „Wo ist denn hier das Geländer? Treppen kann ich besser alleine gehen.“ Geländer zeigen einem bei Treppen immer, wo es langgeht und ob noch Stufen kommen oder nicht. „Oh, das wusste ich nicht“, murmelte Simon, führte meine Hand zu der seitlich angebrachten Stange und stiefelte vor mir lautstark hoch. Diese Treppe war lang und steil, genau wie bei uns zu Hause. Sofort danach bog mein Freund rechts ab und ich folgte seinen Geräuschen. „He, du brauchst ja gar keine Hand!“, rief er erstaunt. „Nö, wenn du so einen Krach machst, finde ich dich auch so“, erwiderte ich grinsend. „Super, schließt du dann die Tür hinter dir?“, kam es aus dem Raum vor mir. Ich tat es und tastete mich vorsichtig weiter. Wenn ich ins Zimmer meiner großen Schwester kam, lagen überall Klamotten verteilt, ihre Schultasche stand mitten im Weg und ich stolperte mindestens über den Mülleimer oder stieß mir das Schienbein an ihrem Schreibtischstuhl, der nicht dort war, wo er sein sollte. Die Hände in Schutzhaltung ausgestreckt bewegte ich mich langsam auf meinen Freund zu. Ich hörte sein leises Atemgeräusch und ein unterdrücktes Kichern. „Komm einfach, da ist nichts vor dir. Ich hab gerade aufgeräumt. Schließlich wusste ich, dass du mich besuchst.“ Ich atmete...