E-Book, Deutsch, Band 2, 420 Seiten
Reihe: Der Fantast
E-Book, Deutsch, Band 2, 420 Seiten
Reihe: Der Fantast
ISBN: 978-3-7394-4722-3
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Was, wenn dein größter Feind
zugleich dein Bruder ist -
du weißt es nur nicht mehr? Um seine Freunde und seine Heimat vor dem Geist des Großen zu schützen, der seit über 900 Jahren im Amulett namens Auge des Ra gefangen ist, muss Simon alle Register seiner Vorstellungskraft ziehen und sogar die Grenze zwischen Leben und Tod überschreiten. Dabei erfährt er mehr über sich selbst sowie seine besondere Verbindung zu diesem mächtigen Feind, als ihm lieb ist. Ihre Schicksale sind erschreckend eng miteinander verwoben. Darüber hinaus hat Ra dafür gesorgt, dass sein gefährliches Erbe an einen Ort gelangt ist, an dem es möglichst viel Unheil anrichten kann ...
Geboren im Sommer 1972 in einer sauerländischen Kleinstadt, dort aufgewachsen, von Beruf Lehrerin, mittlerweile wieder seit vielen Jahren fest am Heimatort verwurzelt mit Haus, Mann und Kind. Die Liebe zum Schreiben und zu weiteren kreativen Tätigkeiten bestand schon von klein auf. Seit 2014 widmet sie sich neben Kurzgeschichten, Reisetagebüchern, Gedichten und Liedern auch längeren Texten. Die fünfbändige Urban-Fantasy-Reihe 'Der Fantast' ist ihr Debüt im Bereich der Romane.
Autoren/Hrsg.
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1. He, Schlafmütze, Bock auf Frühstück? „Hmm?“ Mühsam öffnete ich die Augen und stellte fest, mich im Badezimmer zu befinden, auf einer zwischen Klo und Badewanne gequetschten Matratze. Oha, ich musste sehr müde gewesen sein nach dem anstrengenden Auftrag gestern! Ich lag recht bequem und warm eingepackt. Allerdings änderte sich dieser Zustand abrupt, als mir die Lächerlichkeit meiner Lage bewusst wurde. Da ich ohnehin seit Jahren kein reales Bett mehr besaß, war der Ort, wo ich mir eins dachte, eher nebensächlich – aber das hier war selbst mir zu peinlich. Okay antwortete ich meinem Freund gedanklich, der mich soeben mit seinem mentalen Anklopfen geweckt hatte. Ausgiebig gähnend streckte ich mich und nahm eine kurze Dusche zum Wachwerden. Wie lang brauchst du noch? Timo stand in seiner eigenen Wohnung in der Küche. Den Geräuschen und Gerüchen nach, die ich von ihm empfing, kochte er soeben Kaffee. „Fünf Minuten“, gab ich lapidar zurück, zog mich an und öffnete die Wohnungstür. Red keinen Quatsch, du stehst schon fast auf der Straße! „Na dann eben drei Minuten.“ Im Eiltempo düste ich die Treppen hinab. Frühstück bei meinem besten Freund war eine seltene Sache. Es kam nicht oft vor, dass wir dafür Zeit fanden. Umso mehr genoss ich diese Momente, in denen ich ganz ich selbst sein durfte. Auf Inlinern benötigte ich für den knappen Kilometer nur zwei Minuten. Den ganzen Weg über begleiteten mich der Kaffeeduft sowie das Aroma der frischen Brötchen. Sinneseindrücke, die Timo so intensiv wahrnahm, dass sie mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen. Rasch öffnete ich die Eingangstür und lief die wenigen Stufen zur Bleibe meines besten Kumpels und seiner Freundin hinauf. „Hi Susanna.“ Beim Ankommen gab ich Timos Schnecke rasch einen Kuss auf die Wange. Sie lachte und stieß mich mit gespielter Empörung zurück. „Komm mir nicht zu nahe, du Unhold!“ Timo erschien mit dem Kaffee. „Na, baggerst du wieder meine Geliebte an?“ „Du kennst mich doch, ich kann einfach nicht widerstehen, wenn sie mich so ansieht ...“ „Das bildest du dir bloß ein“, knurrte die anziehende Brünette und hielt das Brotmesser wie ein Schwert vor sich. „En garde, du Schuft!“ Sie machte unbeholfene Fechtbewegungen in der Luft. „Wie Sie wünschen, Madame“, entgegnete ich mit höfischer Verbeugung und parierte ihren Streich mit einer eleganten Bewegung meines gedachten Miniatursäbels. Wir fochten einen Augenblick verbissen, bis Timo vorsichtig das Tablett mit dem Brotbelag an uns vorbei bugsierte und zielsicher auf dem Tisch abstellte. „Na, seid ihr fertig mit eurer Vorstellung?“, fragte er dabei spöttisch. „Ich für meinen Teil würde jetzt gern frühstücken.“ Wir schlossen sofort einen Friedensvertrag und nahmen Platz. Manchmal beneidete ich meinen Freund um diese Frau. Hübsch, klug und witzig verstand sie es perfekt, sich gegen uns beide zu behaupten. Sie akzeptierte mich, wie ich war und nahm mich als ‚Laune der Natur‘ völlig gelassen - ebenso wie die Tatsache, dass ihr Lover von Geburt an blind war und trotzdem viel von dem mitbekam, was um ihn herum geschah. Ich hatte sogar den Eindruck, dass sie genau wusste, welche besondere Beziehung es zwischen Timo und mir gab und dass ihre Zweisamkeit mit meinem Freund deshalb nur selten wirklich bestand. Trotzdem schien sie es mir nicht im Geringsten krummzunehmen. „Was liegt heute an?“, fragte ich mit vollem Mund. Frische Brötchen vom Bäcker hatten bei mir Seltenheitswert. „Also ich würde gern in die Stadt gehen“, sagte Susanna und blickte verträumt aus dem Fenster, von wo aus man den Aussichtsturm sehen konnte, das Wahrzeichen unseres Ortes. „Ihr zwei habt sowieso wieder was Geheimnisvolles vor, bei dem ich nicht dabei sein darf. Und später muss ich noch einiges für morgen vorbereiten.“ „Ursprünglich hatte ich gedacht, du kommst mit zu Meik“, sagte Timo erstaunt. „Er hat sich doch extra dieses Wochenende für uns frei genommen.“ „Oh, ja - hatte ich total vergessen!“ Susanna schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. „Apropos Meik!“, fiel mir da siedend heiß ein. „Er hat gestern am frühen Morgen angerufen und lässt sich für heute entschuldigen.“ „Ach, was du nicht sagst! Wann war das denn?“, fragte Timo verblüfft. „Gegen halb sieben. Da wart ihr zwei ...“ „Schon gut“, wehrte mein Freund ab. „So genau brauchst du’s nicht zu beschreiben. Aber du hättest mir eher Bescheid sagen können.“ „Tut mir leid. Erst schienst du zu beschäftigt und dann war ich ziemlich eingespannt, da blieb einfach keine Luft dafür.“ „Ah, das war nicht so gemeint. Du hast die Sache gestern übrigens echt clever gelöst, wie ich finde. Nicht übel, dein Schachzug mit dem Sekundenkleber.“ Ich kicherte. „Gelöst ist dafür dann wohl das falsche Wort.“ Timo prustete ebenfalls los. Susanna sah mal wieder ratlos von einem zum anderen und schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Ihr zwei seid Kindsköpfe, wisst ihr das? Wenn man euch zuhört, könnte man glauben, dass ihr vollkomen abgedreht seid. Keiner, der euch zuhört, käme auf die Idee, zwischen hoch gebildeten Männern zu sitzen, die sich mit wichtigen Aufgaben für die Allgemeinheit beschäftigen.“ „Aber das tun wir doch!“, verteidigte ich mich. „Leider unterliegt der Fall nun mal strengster Geheimhaltung und solange du kein Mitglied meines Teams bist, darf ich dir nicht viel darüber erzählen.“ „Das ist unfair! Timo erfährt alles, obwohl er nicht offiziell beteiligt ist, aber ich werde nie eingeweiht!“ Es war ein rein rhetorischer Protest und keinesfalls ernstgemeint. Die Freundin meines besten Freundes wusste ziemlich viel über meine Tätigkeit beim Geheimdienst - jedenfalls mehr als sie sollte. Und sie war sich im Klaren darüber, dass ich Timo gar nichts davon verschweigen konnte - es sei denn, er war gerade sehr abgelenkt. Deshalb gingen wir nicht weiter darauf ein und besprachen, was wir an unserem freien Tag unternehmen wollten. Shoppen stellte keine annehmbare Alternative dar, darum versuchten wir uns zwischen verschiedenen Events zu entscheiden, die wir schon länger vorhatten, aber aus Zeitmangel bisher immer verschieben mussten. „Kajak fahren in den Stromschnellen fänd ich super, das haben wir noch nie gemacht.“ „Du wolltest mir schon längst Drachenfliegen beibringen!“ „Auch gut. Aber danach fahren wir Kajak, ja?“ Susanna verabschiedete sich schließlich und ließ uns zwei allein, um ihre Kollektion an Sommerkleidung zu vergrößern. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass sie fort war, wechselten wir sofort das Thema. „Und? Was hat Meik gesagt?“, hakte mein scharfsinniger Freund nach. „Ich glaube, er hat etwas Dämliches vor. Am Telefon gab’s nur Andeutungen, aber ich befürchte, er möchte öffentlich auftreten. Er sprach von der ‚ganz großen Show‘.“ „Oh nein! Das hört sich so vertraut an.“ Timo machte ein finsteres Gesicht. Wir saßen noch immer am Tisch. Dennoch räumte ich derweil schon mal das Geschirr ab und schaffte notdürftig etwas Ordnung. Susanna mochte klug, geschickt und liebenswürdig sein, gleichzeitig war sie ebenso vielbeschäftigt, chaotisch und zerstreut wie mein bester Kumpel. Deshalb blieb oft einiges an Hausarbeit in der Wohnung liegen. Mir machte das zwar nicht viel aus, aber ich wusste, wie schwierig es für Timo war, sich in einem unaufgeräumten Zimmer zurechtzufinden. Unsere gemeinsame Zeit in der Studentenbude hatte mich gelehrt, Ordnung für uns beide zu halten. Ich nickte. „Ja, du hast recht - wie immer. Wir müssen mit ihm reden, am besten jetzt gleich. Vielleicht ist es noch nicht zu spät.“ Während Timo sich ausgehfertig machte, spülte ich rasch das Geschirr und räumte es ein, wischte den Tisch ab und fegte den Boden. Es war so automatisiert, dass ich dabei Zeitung las und die Zähne putzte. Alltägliches Multitasking, bei dem das Lesen bequem im Fernsehsessel eindeutig im Vordergrund stand. Keine fünfzehn Minuten später befanden wir uns bereits auf dem Weg zu unserem gemeinsamen Freund Meik, der etwa acht Kilometer entfernt wohnte. Timos Tandem brachte uns zuverlässig und schnell beinah überall hin - bei jedem Wetter. Susanna besaß einen Kleinwagen, doch der war hauptsächlich für ihre Dienstfahrten vorgesehen und stand an freien Tagen meistens im Carport. Von uns beiden durfte niemand offiziell damit fahren, da wir ohne Führerschein waren. Bei Timo war klar, dass er keinen machen konnte, und ich hatte ihn bisher nie benötigt. Was nicht heißt, dass ich nicht in der Lage war, bei Bedarf jedes Fahrzeug zu fahren. Aber ich bevorzugte umweltfreundliche Fortbewegungsmittel und das Tandem war zudem völlig unauffällig - zumindest, solange wir uns an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hielten. Das Wetter an diesem milden Herbsttag lud geradezu zum Fahrradfahren ein. Deshalb wählten wir den längeren, aber schöneren Weg zum Nachbarort und genossen den Fahrtwind um die Nase. Wir hatten es nicht eilig. Unterwegs sprachen wir darüber, welche erstaunliche Entwicklung Meik gemacht hatte. Mittlerweile waren beinah acht Monate ins Land gegangen, seitdem ich den jungen Mann verletzt im Wald gefunden und ihm das Auge des Ra anvertraut hatte. Zuvor war ich zehn Jahre lang Träger und Beschützer des Amuletts gewesen und hatte geglaubt, diese Rolle bis zum Lebensende ausfüllen zu müssen. Aber scheinbar war meine Bestimmung nun doch eine andere. Aus...