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Gerste | Wie Technik Geschichte macht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Gerste Wie Technik Geschichte macht

Von Gutenberg bis zum Smartphone
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-608-12360-9
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Von Gutenberg bis zum Smartphone

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-608-12360-9
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Erfinder, Tüftler, Besessene und ihre Glanzleistungen Geniale Frauen und Männer haben mit ihren Erfindungen die Menschheit gewandelt und bis heute geprägt - oft zum Besseren, manchmal auch zum Schlechteren. Kenntnisreich bietet Roland D. Gerste  ein ebenso informatives wie spannendes Leseerlebnis an der Schnittstelle von Genie und Irrsinn, Fortschritt und Armageddon.  Die Geschichte der Menschheit: unvorstellbar ist sie ohne Sternstunden der Technik! Erfindungen wie die des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg haben die Moderne und die damit verbundene Informationsgesellschaft erst möglich gemacht. Andere Innovatoren sind gefolgt und haben unser Leben revolutioniert, von der Medizintechnik über das Transportwesen hin zu einer weltweiten Vernetzung durch digitale Kommunikationsmittel. Aber auch Raketen  und die Atombombe wurden geschaffen, die den Weg ins All geöffnet und die Apokalypse denkbar gemacht haben . Und technische Verfahren haben für rauchende Schlote und Abgase der Motoren gesorgt, in denen wir eine Ursache für den Klimawandel sehen. Eindrucksvoll lässt Ronald D. Gerste die Glanzmomente unserer Zivilisation lebendig werden und erzählt von den Schicksalen der Menschen, die sie möglich machten: Frauen wie Ada Lovelace, Lise Meitner oder Hedy Lamarr und Männer wie Alan Turing oder Wernher von Braun, deren Biographien so tragisch wie folgenschwer in unsere Gegenwart hineinwirken.

 Ronald D. Gerste, geboren 1957, ist Arzt, Historiker und Amerikakenner und lebt als Buchautor und Wissenschaftskorrespondent in Washington, D.C. Er schreibt u. a. für die Frankfurter Allgemeine Zeitun g, Neue Zürcher Zeitung  und Die Zeit . Bei Klett-Cotta erschienen u. a. »Wie Krankheiten Geschichte machen«, »Wie das Wetter Geschichte macht« und »Die Heilung der Welt«.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Energie I – Und es ward Licht

Thomas Alva Edison und Emil Rathenau


2 Thomas Alva Edison hatte am Ende seines schaffensreichen Lebens mehr als eintausend Patente unter seinem Namen – seine wichtigste Erfindung dürfte die Glühbirne gewesen sein.

Versetzen wir uns in die Situation eines jungen Mannes, der von Gutenbergs Unternehmergeist und der Geschäftigkeit seiner Werkstatt gehört hat und davon träumt, bei ihm in die Lehre gehen zu dürfen. Also schnürt der Adlatus in spe, nennen wir ihn Cornelius, sein Bündel mit wenigen Habseligkeiten und begibt sich von seinem Heimatdorf im Hunsrück auf die Reise in die große Stadt Mainz. »Reisen« bedeutet – wie später im Kapitel »Unter Dampf« angesprochen – um die Mitte des 15. Jahrhunderts für die meisten jener Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – den heimischen Anger oder den Heimatort verlassen müssen: zu Fuß gehen. Ein Pferd besitzen nur die Wohlhabenden; eine Kutsche gar und vielleicht mehrere dieser Tiere, um sie zu ziehen, nur die begütertsten Adligen, die Kirchenfürsten und, vornehmlich in den Städten, einige Vertreter der auf die Gesamtbevölkerung im deutschen Sprachraum bezogen sehr dünnen Oberschicht aus prosperierenden Kaufleuten. Und einige kühne Unternehmer in dieser Phase des Frühkapitalismus – wie Gutenberg.

Das Reiseerlebnis des jungen Cornelius ist von einer Art, die sich ein Mensch des 21. Jahrhunderts, der die Strecke in seinem Auto – je nach Staulage – in dreißig oder vierzig Minuten bewältigen würde, nur mit viel Phantasie (die diese gedankliche Zeitreise anregen soll) vorstellen kann. Das betrifft nicht nur die Art der Fortbewegung. Sie ist die natürlichste, dem Menschen von Anatomie und Evolution mitgegeben. Cornelius wird das stetige Gehen nach einigen Stunden als beschwerlich empfinden, während wir durch die für die meisten von uns ungewohnte körperliche Anstrengung ein von Endorphinen vermitteltes Glücksgefühl bekommen, gesteigert durch das Bewusstsein, etwas Gesundes unternommen zu haben. Gänzlich fremd wäre uns die Landschaftswahrnehmung eines Reisenden zu Gutenbergs Zeiten. Es gibt keine Straßen im heutigen Sinne, sondern meist mehr oder weniger ausgetretene Pfade; nur im Umfeld der großen Städte sind die Wege breiter und marginal befestigt. Doch anderes auf dem Weg des jungen Mannes würden wir verklären: Die Luft beispielsweise ist frei von industriellen Schadstoffen, auch wenn sie deswegen nicht überall blumig duftet – wahrlich nicht: Unterwegs kann es an Viehweiden nach Landwirtschaft riechen; in Dörfern, durch die der Reisende kommt und erst recht in den Städten, die Cornelius bislang noch nicht erlebt hat, hingegen ist der Odor von menschlichen und vor allem tierischen Ausscheidungen drückend.

Der prägnanteste Unterschied zu unserer Zeit indes wird mit Einbruch der Dunkelheit erkennbar. Denn es wird wirklich dunkel. Nicht nur kann Cornelius das Ziel seiner Reise, die Stadt Mainz, nun nicht mehr betreten und muss bis zum nächsten Morgen warten, da die Stadttore geschlossen sind. Wenn er sich am Wegesrand zur Nachtruhe niederlegt, wird er in einer mondlosen Nacht nur mit Mühe die Silhouette der Stadt wahrnehmen. Und nur ganz selten, kaum wahrnehmbar aus der Ferne, ein einzelnes, schwaches Licht; die Laterne eines Postens vielleicht. Der Blick nach oben offenbart Cornelius etwas, das für die Menschen in den vorindustriellen Epochen Normalität war, von uns heute in Europa indes kaum jemals in dieser Brillanz wahrgenommen werden kann. Tausende von Sternen sind am Nachthimmel mit bloßem Auge zu erkennen, vor allem in dem später »Milchstraße« genannten Band. Die Nacht hat eine ganz andere Qualität, oft bedrohlich. Und manchmal inspirierend.

Die Nacht ist gerade in einer Stadt wie Mainz eine Phase der Ruhe. Auch für Kerzen gilt, dass sie die Domäne der Wohlhabenden sind. In der einen oder anderen Bürgerstube brennt ein Talglicht oder beleuchtet das Herdfeuer schwach das engere Umfeld, ein einfacher Bauer hat meist gar keine Lichtquelle zur Verfügung. Der Tagesablauf, vor allem der Arbeitsrhythmus, wird vom Sonnenauf- und Sonnenuntergang geregelt. Die Glocken der Kirche rufen bei Einsetzen der Dunkelheit zur Vesper, zur abendlichen Gebetsstunde. Hier sehen die Gläubigen tatsächlich künstliches Licht: die Kerzen um den Altar, die mit ihrem flackernden Licht und ihrem Geruch die Spiritualität verstärken – und auch Zeugnis ablegen vom Reichtum der Kurie und vielfach auch der geistlichen Landesherren. Wie jener, die in Mainz regieren. Mit Einbruch der vollständigen Dunkelheit arbeitet kein Bauer mehr auf dem Feld, kann kein Handwerker mehr tätig sein. In nicht wenigen Städten herrscht dann eine Ausgangssperre; in Paris beispielsweise bestimmt 1380 ein Dekret, dass niemand nachts ohne triftigen Grund sein Haus verlassen darf. Ein ganz wesentlicher Grund dafür ist in mittelalterlichen Städten, in denen die Häuser eng aneinander gebaut und vielfach aus Holz sind, die Furcht vor dem Feuer, vor einem glimmenden Herd, der unbewacht geblieben ist. Das englische Wort für eine Ausgangssperre heißt curfew und kommt vom Altfranzösischen cuevrefeu, das Bedecken oder Löschen des Feuers. Dieses ist vielerorts streng reguliert und wird verschiedentlich durch das Läuten einer bestimmten Glocke angeordnet. Wie real diese Gefahr ist, erleben die Menschen in der Metropole London, wo in der Nacht des 2. September 1666 im Haus eines Bäckers in der Pudding Lane ein Feuer ausbricht, das über die nächsten vier Tage weite Teile der Innenstadt zerstört.

Fast forward zum letzten Tag des Jahres 1879, zum letzten Abend eines Jahrzehnts. Der Schauplatz ist Menlo Park im amerikanischen Bundesstaat New Jersey. Von der hektischen, stetig wachsenden, eng bevölkerten (vor allem in den von Immigranten bewohnten Vierteln) Metropole New York, in der gerade die später ikonografische Brooklyn Bridge nach den Plänen des aus Thüringen stammenden Ingenieurs John Augustus Roebling emporwächst, ist die kleine Bahnstation in einer guten halben Stunde zu erreichen. An diesem Silvesterabend halten mehr Züge hier als für gewöhnlich; die Pennsylvania Railroad Company setzt einige Sonderzüge ein. Ungeachtet des beginnenden Schneesturms sind es fast dreitausend Menschen, vielfach aufgrund ihrer vornehmen Kleidung als Angehörige der Oberschicht zu identifizieren, die sich schließlich in das an ein simples Farmhaus erinnernde Labor drängen werden oder das Geschehen von seinem Vorplatz aus beobachten. Anstatt den Abend festlich in einem Theater oder im Nobelrestaurant Delmonico’s in Manhattan zu verbringen, hat es sie zum Wizard of Menlo Park, zu Thomas Alva Edison verschlagen, da dieser – im Umgang mit den Medien und in den PR für sich selbst durchaus begabt – Ungewöhnliches angekündigt hat. Und so werden die Besucher Zeuge eines Ereignisses, das einen denkbar undramatischen Auslöser hat: Der erst 32 Jahre alte und dennoch aufgrund zahlreicher Erfindungen (bis zu seinem Lebensende wird Edison es auf 1093 Patente bringen) weithin bekannte Edison legt mehrere Schalter um. Dann geschieht es: Die fünfundzwanzig in seinem Labor, die acht in anderen Räumen des Hauses und die zwanzig auf der Straße und in Nachbarhäusern angebrachten Glühbirnen bringen die Nacht zum Leuchten. Dem Publikum entfahren Laute des Staunens und der Bewunderung; keine Zweifel gibt es, dass sich die kurze Reise nach Menlo Park als etwas Erinnerungswürdiges gelohnt hat. Diejenigen unter den Besuchern, die einen Platz im Labor gefunden haben, drängen sich um Edison, als der wie immer eher etwas nachlässig gekleidete Mann, der wegen seiner Schwerhörigkeit manche der ihm zugeworfenen Fragen gar nicht wahrnimmt, in einfacher Sprache erklärt, wie ein zwei Zentimeter langer, hufeisenförmiger Faden aus verkohlter Pappe in einer birnenförmigen Vakuumlampe stundenlang leuchten kann, wenn elektrischer Strom durch ihn fließt. Dem staunenden Publikum fällt auch auf, dass die Glühbirnen nicht wie Gaslampen flackern und ein weicheres Licht ausstrahlen als die in manchen Städten zu findenden grellen elektrischen Bogenlampen. Der Reporter des New York Herald beobachtet fasziniert: »Ein anderer Test bestand darin, den elektrischen Strom mit großer Schnelligkeit an- und auszuschalten; so oft, wie man errechnet hatte, dass in einem richtigen Haus die Beleuchtung über einen Zeitraum von dreißig Jahren an- und ausgeschaltet werden würde. Es kam zu keinem Schwanken in der Helligkeit, der Stabilität und der Haltbarkeit der Glühbirne.«[1]

Wie bei vielen technischen, letztlich unsere Zivilisation prägenden Fortschritten (und dies gilt im Prinzip für alle in diesem Buch porträtierten Innovationen) war auch die Glühbirne, war das elektrische Licht nicht die Erfindung einer einzelnen Person. Die Glühbirne, heute in jedem Haushalt allgegenwärtig, hat zahlreiche geistige Väter; der Technikhistoriker mit dem thematisch passenden Namen Arthur A. Bright listet rund zwei Dutzend Wegbereiter und Ko-Innovatoren vor dem Zauberer von Menlo Park auf.[2] Thomas Alva Edison indes verhalf »seiner« Glühbirne als einer der wichtigsten Instrumente moderner Beleuchtungstechnik zum Durchbruch – durch nicht nachlassendes Streben nach Verbesserungen, durch kühnes Vordringen in neues Territorium (im nächsten Jahr begann er mit der Elektrifizierung eines zunächst kleinen Stadtteils in Manhattan im Umfeld eines neu eingerichteten Edison-Labors), durch Unternehmergeist und die manchmal frustrierende, manchmal erfolgreiche Suche nach Investoren sowie durch einen publikumswirksamen Kampf gegen Konkurrenten und konkurrierende Ideen...


Gerste, Ronald D.
Ronald D. Gerste, geboren 1957, ist Arzt, Historiker und Amerikakenner und lebt als Buchautor und Wissenschaftskorrespondent in Washington, D.C. Er schreibt u. a. für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Neue Zürcher Zeitung und Die Zeit. Bei Klett-Cotta erschienen u. a. 'Wie Krankheiten Geschichte machen', 'Wie das Wetter Geschichte macht' und 'Die Heilung der Welt'.

Ronald D. Gerste, geboren 1957, ist Arzt, Historiker und Amerikakenner und lebt als Buchautor und Wissenschaftskorrespondent in Washington, D.C. Er schreibt u. a. für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Neue Zürcher Zeitung und Die Zeit. Bei Klett-Cotta erschienen u. a. 'Wie Krankheiten Geschichte machen', 'Wie das Wetter Geschichte macht' und 'Die Heilung der Welt'.



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