Gerhards | Der Ursprung Davids | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 246, 238 Seiten

Reihe: Stuttgarter Bibelstudien (SBS)

Gerhards Der Ursprung Davids

Studien zum Buch Rut im Alten Testament und in der Hebräischen Bibel

E-Book, Deutsch, Band 246, 238 Seiten

Reihe: Stuttgarter Bibelstudien (SBS)

ISBN: 978-3-460-51081-4
Verlag: Katholisches Bibelwerk
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Buch Rut ist in der christlichen Bibel Teil der alttestamentlichen
Geschichtsbücher; in der jüdischen Bibel steht es dagegen im dritten Kanonteil, den
"Schriften" (Ketubim). Die vorliegende Studie arbeitet heraus, dass das Buch als
Vorgeburtsgeschichte Davids enger in den Kontext der Geschichtsbücher eingebunden
ist als meist angenommen. Als Davidgeschichte mit messianischer Bedeutung konnte es
in der kirchlichen Auslegungstradition typologisch auf Jesus Christus bezogen werden.
Die im Judentum üblich gewordene Einordnung unter die Ketubim scheint dagegen
auf die Abwehr des christlichen Verständnisses zu zielen. Mit Überlegungen zu diesen
Fragen möchte die Studie einen Beitrag zur Diskussion über die kanonische Bedeutung
der heiligen Schriften Alt-Israels im Christentum ("Altes Testament") wie im Judentum
("Hebräische Bibel") leisten.
Gerhards Der Ursprung Davids jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Prolegomena
Zum theologischen Diskussionshorizont: Das Alte Testment als Teil des christlichen Kanons
„Einen Anhang zum Richterbuch bildet das Büchlein Ruth, das eine Episode aus der Richterzeit erzählt. Die kleine Novelle, deren Hauptgestalt ein moabitisches Mädchen ist, trägt durchaus nicht den idyllischen Charakter, den man ihm bisweilen andichtet, sondern ist von stärksten heilsgeschichtlichen Motiven durchpulst und gestaltet. Ruth erscheint in der Stammbaumlinie der davidischen Dynastie und damit als Vorfahrin des Herrn Christus (Ruth 4,21 f.; Matth. 1,5 f.). Von ebenso großer Bedeutsamkeit ist, daß es eine Heidin ist, die als Glied in der Kette der Entwicklung auf die Fülle der Zeiten hin erscheint. Das Gottesheil ist nicht auf Israel beschränkt, sondern gilt der ganzen Welt, gilt ihr von vornherein und Anfang an. Israel ist nur Mittel und Werkzeug zur Erfüllung dieses universalen Heilsplanes und Heilsgeschehens, das Gott Zug um Zug ‚zu Stand und Wesen bringt‘. Das zu verkündigen, ist die Geschichte der Moabitin Ruth sonderlich geeignet, denn es ist eine rechte Führungsgeschichte, vergleichbar der Führungsgeschichte Abrahams, dem Ruth im Verlassen von Vaterland und Freundschaft gleicht, oder der Josephs, der wie Ruth in der Fremde aus der Armut in das Glück gehoben wird, das bei der Moabitin das Glück des Stehens in der auf Christus hinführenden Linie ist. Die Heidin die gekommen ist zu dem Herrn, dem Gott Israels, daß sie unter seinen Flügeln Zuflucht hätte (Ruth 2,12), erfährt, daß er seine Gnade nicht versagt den Lebenden und den Toten (Ruth 2,20). So ist das Büchlein Ruth in besonderer Weise dadurch geprägt, daß es Vorgeschichte des Christus, Vorlauf der Christusgeschichte ist, und es wirft damit ein bezeichnendes und aufhellendes Licht auf den Grundzug der Zeit, in der seine Erzählung sich begibt“1. So wird das Rutbuch in einer Handreichung für Religionspädagogen charakterisiert, die das Katechetische Amt der Evangelischen Kirche von Westfalen in den 1950er Jahren herausgegeben hat. Die von der damals herrschenden Wort-Gottes-Theologie geprägte Broschüre will aus ihrer Sicht überholte Auffassungen über das Alte Testament überwinden helfen und die Unverzichtbarkeit des ersten Kanonteils auch für den Religionsunterricht darlegen. Als überholt gelten der Broschüre die Ergebnisse einer Exegese, die einseitig von der historischen Kritik bestimmt ist und die das Alte Testament daher nur als „Urkundensammlung zur Entwicklung der Frömmigkeit und der religiösen Vorstellungen“ in den Blick bekommt.2 Die aktuelle Forschung sei dagegen von der Einsicht bestimmt, „daß der Blickpunkt, unter dem allein das AT recht zu sehen und zu werten ist, theologischer Art zu sein hat, daß der Winkel, der allein das Phänomen AT zu fassen vermag, der theologische Winkel ist“.3 Da aber wissenschaftliche Erkenntnisse „unverhältnismäßig lange Zeit brauchen, um Allgemeingut der Interessierten zu werden“, hielten viele noch immer die rein historische Sicht auf das Alte Testament für die einzig richtige – so wie auch „Harnacks Vorlesungen über das ‚Wesen des Christentums‘ immer noch im Schwange gehen, obwohl sie dem Fachmann als so überholt gelten, daß sie ein Gegenstand der Theologiegeschichte geworden sind“4. In der gegenwärtigen Situation klingt diese theologische Standortbestimmung wieder fremd. Der in der Handreichung nur am Rande erwähnte Harnack ist von einem „Gegenstand der Theologiegeschichte“ wieder zum Impulsgeber geworden, auch im Blick auf die Bedeutung des Alten Testaments für die Kirche. N. Slenczka hat mit der These, „dass das AT (…), wie Harnack vorgeschlagen hat [!], eine kanonische Geltung in der Kirche nicht haben sollte“5, sogar mediale Aufmerksamkeit erregt.6 Mit Slenczka habe ich mich bereits an anderer Stelle auseinandergesetzt7, was mir u. a. die Kritik eigebracht hat, dass ich ihm wohl „zu viel Ehre“ erwiesen hätte, seien seine Argumente doch „so alt wie das Christentum“ selbst8. An die damit zitierte Rezension wäre eine Fülle von Gegenfragen zu richten; an dieser Stelle sei aber festgehalten, dass man Slenczka nicht zu viel Ehre antut, wenn man seine Thesen zum Alten Testament sehr ernst nimmt. Das gilt vor allem, weil Slenczka das Verdienst hat, dass er den Finger auf ein Problem legt, dem Theologie und Kirche gar nicht ausweichen können: auf die Spannung zwischen der zumindest in der Evangelischen Kirche verbreiteten Ablehnung einer spezifisch christlichen, gar christologischen Auslegung des Alten Testaments auf der einen Seite und seiner Beibehaltung im Kanon auf der anderen. Welche Position führende Kreise der Evangelischen Kirche heute vertreten, spiegelt sich in den „Sonderseiten“ der Jubiläumsausgabe der Luther-Bibel von 20179, in denen es zu Luthers christologischem Verständnis des Alten Testaments heißt: Aus heutiger Sicht erscheint dieses Verständnis des Alten Testaments von Christus her und auf das neutestamentliche Heilsgeschehen hin als nicht unproblematisch. Die moderne Wissenschaft erschließt die biblischen Schriften von ihren eigenen historischen Entstehungszusammenhängen her. Nicht zuletzt hat auch das Bewusstsein, dass das christliche Alte Testament die Heilige Schrift des Judentums ist, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dazu geführt, es zunächst in seiner eigenständigen Bedeutung wahrzunehmen. Doch zu Luthers Zeit war ein direktes christologisches Verständnis noch gut möglich10. Wenn aber „das christliche Alte Testament die Heilige Schrift des Judentums ist“ – man beachte die exklusive Formulierung: Es heißt nicht etwa, dass das christliche Alte Testament auch die Heilige Schrift des Judentums sei! –, und wenn das angemessene Verständnis biblischer Texte maßgeblich dadurch bestimmt sein soll, dass „die moderne Wissenschaft“ die Texte „von ihren eigenen historischen Entstehungszusammenhängen her“ erschließt – also nicht aus dem Kontext des beide Testamente umfassenden kirchlichen Kanons –, dann ist der Vorschlag von Harnack und Slenczka, dem Alten Testament nur noch eine Stellung zuzuerkennen, wie Luther sie den Apokryphen zuweist11, durchaus nachvollziehbar. Slenczka verweist dazu auch auf ein anderes Beispiel, das „faktisch (…) die Konsequenz“ aus der Stellungnahme der Sonderseiten zieht12: Im Vorwort zur Lutherbibel 2017 stellt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), H. Bedford-Strohm, fest, dass im Alten Testament „die Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel im Mittelpunkt“ stehe, während es im Neuen Testament „um Jesus Christus“ gehe. Dass die im Alten Testament erzählte Geschichte Gottes mit Israel in einer Verbindung zu Jesus Christus stehe, dass sie gar auf das Kommen Jesu Christi hinauslaufe und in seinem Kommen ihre Vollendung finde – wie schon der erste Abschnitt des Neuen Testaments, der Stammbaum Jesu in Mt 1,2–17, feststellt – wird in dem Vorwort nicht gesagt. Es hätte wohl auch, wie Slenczka aus einem anderen Zusammenhang mitteilt, in führenden Kreisen der EKD zu „erheblichen Irritationen“ geführt13. Wenn das aber gilt, kann man Slenczka kaum widersprechen, wenn er unter Berufung auf das Vorwort zur Lutherbibel 2017 feststellt: „Das Alte und das Neue Testament haben nach dieser Zusammenfassung bereits unterschiedliche Gegenstände, und die Botschaft von Jesus Christus ist Gegenstand des Neuen, offenbar aber nicht des Alten Testaments. Damit ist aber eben das Evangelium von Jesus Christus, das der Grund der kanonischen Geltung der biblischen Schriften ist, nicht Gegenstand der Verkündigung des Alten Testaments“14. Die Folgerung liegt auf der Hand: Es gibt dann keinen Grund, dem Alten Testament kanonische Geltung zuzuerkennen. In der römisch-katholischen Kirche besteht größere Offenheit für ein spezifisch christliches Verständnis des Alten Testaments. So wird im Vorwort zur revidierten Einheitsübersetzung15 festgehalten, dass beide Testamente „untrennbar zusammengehören“, weil es nur einen Gott gibt, dessen Wort die Welt geschaffen hat und in Jesus Christus Fleisch geworden ist. „Deshalb wird das Neue Testament im Lichte des Alten Testaments und das Alte Testament wird im Lichte des Neuen Testaments gelesen“. Die Einheit der Heiligen Schrift wird darin gesehen, dass sie „von der großen Liebesgeschichte Gottes mit den Menschen“ erzählt. Wenn aber die Einheit der christlichen Bibel und die gegenseitige Bezogenheit der beiden Testamente in der katholischen Kirche auch stärker betont werden, dürfte das Problem, das sich am Vorwort und an den Sonderseiten der Lutherbibel aufzeigen...


PD Dr. theol. habil. Meik Gerhards, ist Privatdozent für Altes Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Rostock und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Evangelische Theologe der Universität zu Köln.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.