E-Book, Deutsch, 322 Seiten
Gerecke Kein letzter Akt
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-8271-9595-1
Verlag: CW Niemeyer
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Ein Krimi aus Minden
E-Book, Deutsch, 322 Seiten
ISBN: 978-3-8271-9595-1
Verlag: CW Niemeyer
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Eine insgeheim von Insolvenz gezeichnete Theatergruppe mit namhaften Darstellern bespielt in diesem Jahr die Freilichtbühne unterhalb der Porta Westfalica. Als ein markerschütternder Schrei an jenem milden Sommerabend die Stille durchschneidet, glauben alle Besucher der ausverkauften Premiere an einen starken Einstieg nach der Pause. Doch plötzlich setzt auf der Bühne ein lebhaftes Durcheinander ein und Regisseurin Patricia Petersen erklärt die Aufführung für beendet. Hauptdarsteller Stefan von Sangerhausen, bekannt aus einer Daily Soap im TV, wird leblos im Hinterland des Freilichttheaters gefunden. Er galt als Hochstapler und Heiratsschwindler. Ein Mordmotiv? Die Ermittlungen der Sonderkommission „Bühne“ nehmen Alexander Rosenbaum voll in Anspruch. Da hat ihm der in den Ruhestand versetzte Wolfhard Schmidt, der mit der Hundemafia konfrontiert wird, gerade noch gefehlt.
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Ma?a
Alexander zuckte zusammen, als die Tür seines Büros plötzlich aufsprang und geräuschvoll an den Schrank dahinter schlug. Im Rahmen eine große, kräftige Gestalt, die er nicht auf Anhieb erkannte. Dennis Sommer schaute leicht irritiert in dieselbe Richtung. Bis eben hatten beide Männer noch, ins Gespräch vertieft, konzentriert auf den Bildschirm des Computers geschaut, Alexander von seinem Schreibtischsessel aus und sein jüngerer Kollege stehend daneben. Die Lampe auf dem Tisch erhellte nur einen engen Bereich. Der Gast stand im Dunkeln. „Junge, das ist ja so was von finster bei euch! Gibt es mal wieder neue Auflagen von oben? Müsst ihr etwa Strom sparen ...?“ „Wolfhard?“ „Na, wer denn sonst. Moin erst mal allerseits.“ „Bisschen spät für einen guten Morgen“, entgegnete Alexander, blickte auf die Zeitangabe am Bildschirm, die ihm kurz nach 21 Uhr vermeldete, und kniff die Lippen zusammen. Das wollte er eigentlich gar nicht gesagt haben. Aber so langsam keimte doch Freude in ihm auf. Er erhob sich, umrundete den Schreibtisch und breitete seine Arme aus. „Womit hab ich das verdient, dass du mich beehrst, lieber Wolfhard?“ Alexander musterte seinen ehemaligen Mitarbeiter nun doch gründlich von oben bis unten. Der trug ein wirklich schickes blau kariertes Hemd und modische Jeans. „Sag mal, bist du das tatsächlich oder ist es dein jüngerer Bruder?“ Wolfhard setzte ein breites Grinsen auf. „Klar doch, ich bin’s. Allerdings nicht mehr ganz so schwergewichtig wie bei unserer letzten Begegnung ... Beziehungsweise hat sich der Speck in Muckis umgewandelt, dank tatkräftiger Unterstützung!“ „Warte mal, das war ... das war: bei deiner Verabschiedung! So lange ist das schon her?! Ich kann es gar nicht glauben!“ Es klang ein wenig traurig und Alexander schüttelte fast bedächtig den Kopf. „Na, an mir hat es nicht gelegen“, entgegnete Wolfhard mit leicht vorwurfsvollem Unterton. „Du hast ja am Telefon immer Termine vorgeschoben, als ich verschiedentlich Treffen vorschlug. Manchmal hatte ich fast den Eindruck, dass du dich verleugnen lässt, wenn ich gar nicht zu dir durchdringen konnte!“ Dann winkte er mit einer Hand ab. „Aber das ist Schnee von gestern. Willst du mich nicht mal vorstellen?“ Wolfhard schaute zu Dennis, der ihn schon die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen hatte, scheinbar unbeteiligt danebenstand, aber nervös die Finger rieb. „Sorry, ich bin so was von unhöflich. Also. Das hier ist Dennis Sommer, dein Nachfolger“, sagte Alex und wies auf den jungen Kollegen, der gemessen an Wolfhard äußerst schmächtig wirkte. Außerdem war er nur knapp über eins siebzig groß, wenn er die Schuhe mit den dicken Sohlen trug, was heute nicht der Fall war. „Und das hier“, fügte Alexander an, indem er Wolfhard mit einem Arm umschlang und ihn an sich drückte, „ist mein alter Kampfgefährte Wolfhard Schmidt, der sich unlängst in den berühmt-berüchtigten Unruhezustand verabschiedet hat.“ „Freut mich, Sie kennenzulernen“, erwiderte Dennis betont höflich. „Alexander hat schon viel von Ihnen erzählt. Sie müssen ein super Gespann gewesen sein.“ Auf Wolfhards Gesicht, das von deutlicher Frische gezeichnet war, legte sich statt der kurz aufgekeimten Skepsis nun ein Lächeln. „Hat er das? Na, das freut mich aber sehr zu hören.“ „Ich lass euch am besten allein“, schlug Dennis vor. „Ihr habt bestimmt eine Menge zu bereden. Und das hier kann eigentlich auch bis morgen warten, glaube ich ...“ Er wies auf einen Stapel Akten, die auf Alexanders Schreibtisch lagen. „Stimmt“, entgegnete Alex, „unseren Bericht liest heute sowieso niemand mehr. Ich habe gar nicht gemerkt, wie spät es schon geworden ist. Dann mach dich mal auf die Socken, Dennis. Schönen Feierabend wünsche ich dir noch und beste Grüße an deine Frau.“ Er unterbrach kurz und legte dann nach. „Sei morgen pünktlich um acht im Büro. Du weißt ja, unsere Lagebesprechung!“ Dennis nickte Wolfhard noch grüßend zum Abschied zu, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich. Feierabend, was für ein Feierabend?, dachte er mit einem Stoßseufzer, als er die Hände tief in den Hosentaschen vergrub und über den Flur lief. Alexander hatte sich inzwischen wieder hinter seinen Schreibtisch gesetzt, Wolfhard auf einen Stuhl davor, den er sich zurechtgerückt hatte. „Wie immer der übliche Überstundenmarathon?“, erkundigte sich Wolfhard und Besorgnis lag in seiner Stimme. „Du machst den Eindruck, als ob du dringend Erholung gebrauchen könntest ...“ Dass sein einstiger Vorgesetzter käsig und grau aussah, wollte er ihm nicht so direkt sagen, außerdem würde er ja wohl gelegentlich selbst in den Spiegel schauen, meinte er bei sich. Alex zuckte mit den Schultern und rekelte sich im Anschluss ausgiebig, während er dazu heftig gähnte. „Sorry.“ Er hielt sich die Hand vor den Mund. „Du weißt ja, wie das ist. Das klassische Dilemma. Kann man nichts machen. Aber sag mal, wie kommt es, dass du so fit und durchtrainiert aussiehst? Das hast du die ganze Dienstzeit über, wo ich mit dir zu tun hatte, nicht gepackt. Ich kann mich eher noch an die eine oder andere Speckfalte erinnern und dein Japsen, wenn wir mal gemeinsam Sport gemacht haben. Hat dich deine Rita daheim auf Diät gesetzt ...?“ „Dein Charme ist mal wieder unschlagbar.“ „Kennst mich ja. Bin eben wie gewohnt direkt.“ „Die typische Berliner Masche“, knurrte Wolfhard versöhnlich. „Und im Grunde hat sie mir richtig gefehlt. In meinem häuslichen Umfeld gibt es das leider gar nicht. Und wenn ich es mal versuche, dann stoße ich immer auf Granit. Die sind alle so bierernst. Überhaupt keinen Humor, die Ostwestfalen ...“ „Wollen wir nicht noch irgendwo auf ein Bierchen hin, natürlich alkoholfrei. Ich nehme mal an, du bist mit dem Auto hier?“ „Ja, schon, aber nicht allein“, druckste Wolfhard. „Wieso? Sitzt etwa deine Rita unten mutterseelenallein im Auto? Seid ihr unzertrennlich geworden?“, lachte Alex. Jetzt stimmte Wolfhard ein. „Nein, nicht Rita, aber Gonzo.“ „Wer ist das denn?“, wollte Alexander wissen und witzelte: „Habt ihr noch Nachwuchs auf eure alten Tage bekommen? Jetzt, wo ihr doch endlich genügend Zeit dafür hättet ...“ „Junge, Junge, du machst es einem aber nicht einfach, gelassen zu bleiben“, zog Wolfhard die Stirn kraus. „Gonzo ist ein Airedale Terrier, sieben Monate alt, und er hält uns auf Trab. Ist der Garant dafür, dass ich jetzt so eine gute Figur abgebe. Wir konnten uns seine Anschaffung erst jetzt, nach Beendigung meiner Dienstzeit, leisten. So ein Vierbeiner ist nämlich ein Rudeltier und akzeptiert das Alleinsein nur vorübergehend.“ „Aha, daher weht der Wind. Deshalb siehst du so fitnessstudiomäßig aus. Das nämlich hätte ich dir auch im Rentnerdasein nicht zugetraut, dass du dir inmitten lauter Sportbesessener einen abstrampelst. So im schicken Label-Outfit. Aber ein Hund ist ja super: spürt Verschüttete auf, ortet Sprengstoff und Drogen, führt Blinde, warnt Diabetiker vor Unterzuckerung!“ Spontan waren Alex allerlei praktische Vorzüge eingefallen. Dann fuhr er fort: „Hast du ein Bild von ihm dabei?“ Die Bemerkung, dass er mehr auf Katzen als auf Hunde stand, weil ihm Letztere zu unterwürfig vorkamen und er mehr den selbstständigen Willen seines Katers Albert schätzte, verkniff sich Alexander. „Selbstverständlich!“, zückte Wolfhard sein Smartphone und hatte mit wenigen Fingerwischern ein passendes Foto rausgesucht und auf Bildschirmgröße optimiert. Der Hund schaute neugierig mit großen, dunklen Augen in die Kamera, seine Ohren hingen angewinkelt herunter, das relativ kurze Haar kräuselte sich in satten Braun- und Schwarztönen. Er saß in seinem Korb auf einer roten Decke, auf der mit schwarzer Schrift „World Champion“ stand. „Hier“, hielt Wolfhard das Gerät über den Tisch. „Wusstest du übrigens, dass am 10. Oktober alljährlich der Welthundetag begangen wird?“ „Oh, ist der aber hübsch“, kommentierte Alexander spontan und ehrlichen Herzens. Was den Welthundetag anging, so dachte er nur daran, dass auch mal ein solcher internationaler Tag für Menschen und deren Schutz angebracht wäre, aber vielleicht gab es den ja sogar schon ... „Sollte ich jemals in meinem Leben auf den Hund kommen wollen, dann würde ich genau so einen auch nehmen wollen. Waren die nicht irgendwann mal sogar als Polizeihunde im Einsatz?“ „Exakt! Sind in Großbritannien allerdings einst für die Fischotterjagd gezüchtet worden und nun muss ich immer aufpassen, wenn ich mit ihm an der Bastau spazieren gehe. Nicht, dass meine Rita demnächst eine Pelzstola bekommt! Wobei das schon ein sehr außergewöhnliches Weihnachtsgeschenk wäre. Ha, ha ...“ Wolfhard bog sich vor Lachen und Alexander ließ sich anstecken. „Mensch, du hast mir so gefehlt“, sagte Alex wehmütig. Dass Dennis in der Nachfolge Wolfhard das Wasser nicht reichen konnte, verschwieg er, obwohl er gern darüber geredet hätte. Aber vielleicht doch nicht an diesem Ort und auch nicht zu Wolfhard. Man wusste ja nie, bei wem der sich nun wiederum mal verplapperte, zumal er doch einen großen Bekanntenkreis hatte. Außerdem war der Junge erst seit relativ kurzer Zeit in der Dienststelle. Möglicherweise sollte er ihm noch eine Chance zum Eingewöhnen geben. „Du mir aber auch. Um noch einmal an die Fischotter anzuknüpfen“, fuhr Wolfhard fort,...