Gerecke | Die Weserleiche | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

Gerecke Die Weserleiche

Ein Krimi aus Minden
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-8271-8329-3
Verlag: CW Niemeyer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Krimi aus Minden

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

ISBN: 978-3-8271-8329-3
Verlag: CW Niemeyer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



DAS BÖSE LEBT NICHT IN DER WELT DER DINGE. ES LEBT ALLEIN IM MENSCHEN.
Nein, mit einem Schatz hat das ganz und gar nichts zu tun, was der zehnjährige Konrad in seinem Forschungsdrang am Weserufer von Minden entdeckt. Eigentlich sollte es – bei wunderbarem Sommerwetter – ein ganz normaler Badeausflug mit der Familie werden, aber dann dieser Fund! Ein merkwürdiges Paket aus blauen Plastiksäcken, fest umschnürt mit braunem Klebeband. Die Mutter entdeckt einen Riss, aus dem ein Fuß herausragt. Vorbei mit dem Spiel. Sie verständigt die Polizei. Die Ermittlungen der Mordkommission unter Leitung von Hauptkommissar Alexander Rosenbaum werden erschwert, da der Leiche einige Körperteile fehlen. Wie soll man da jemanden identifizieren? Und niemand vermisst eine junge Frau …

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ANRUF
Alexander schloss die Tür geräuschvoll hinter sich. Das war jetzt wirklich die Höhe. Er war ja an einiges gewöhnt, auch an Lautstärke. Aber dieses Gedröhn ging nun wirklich nicht. Genau deshalb hatte er nach langem Überlegen und mehrfachen zornigen Ruhe-Rufen, auch weil er sich einfach nicht mehr konzentrieren konnte, seinen Schreibtisch im Arbeitszimmer verlassen und war in das Zimmer der Mädchen gelaufen. Wenn seine Nerven nicht so blank liegen würden, hätte er die Situation einfach ausgesessen. In der Ruhe liegt die Kraft, ein Motto seines Vaters. Tinchen hatte ihn angelächelt, als er hineingestürmt kam – ihr schien der Krawall überhaupt nichts auszumachen. Lena hockte, ihm mit krummem Rücken zugewandt, an ihrem Schreibtisch und wippte im Rhythmus der Musik. Einen Fuß hatte sie auf den Stuhlsitz hochgezogen und abgesetzt, das Schienbein umklammerte sie mit beiden Armen. „Es reicht, Mädels“, polterte Alex und spürte dabei, wie sein Kopf rot anlief. Dabei wollte er sich überhaupt nicht aufregen. Das hier war doch eine absolute Lappalie. Tina blickte ihn erstaunt an, Lena rührte sich gar nicht. „Schaust du mich mal an, wenn ich mit dir rede, Lena! Fräulein, hallo!“ Noch keine Reaktion, nur weiteres Wippen mit dem gesamten Körper und dazu die Bässe, die Vibrationen erzeugten, die durch und durch gingen. „Ruhe, verdammt noch mal!“ Jetzt hatte Alex so laut gebrüllt, wie es seine Kräfte hergaben. Mit betonter Langsamkeit drehte sich Lena auf ihrem Schreibtischstuhl um und schaute währenddessen über ihre Schulter. „Is was, Dad?“ Auch das noch, stach es in Alexander. Er hasste dieses blöde Wort Dad. Das klassische Papa war ihm einfach am liebsten, aber seit einiger Zeit hatte sich die Große neben einer generell schnoddrigen Ausdrucksweise auf allerlei Englisches verlegt. Da war Dad im Grunde noch völlig harmlos. Kein Wunder, wo doch in fast allen Bereichen deutsche Bezeichnungen ersetzt wurden. Selbstredend auch bei ihm in der Behörde. Wer kein Englisch beherrschte, verstand heutzutage wahrscheinlich die Welt nicht mehr. Er redete sich innerlich zu, jetzt nicht noch mehr aufzubrausen. Das hier waren doch Kindereien und würden sich mit zunehmendem Alter einfach geben. So wie die Phase der nervenden Warum-Fragerei und vieles andere. „Ich hatte schon mehrfach um Ruhe gebeten“, sagte Alexander, bemüht sachlich klingend. „Eure unsägliche Musik erfüllt sogar mein Arbeitszimmer und das in einer Lautstärke, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen kann.“ „Haste das, um Ruhe gebeten?“, erkundigte sich Lena und ließ ihren Fuß lässig vom Stuhl rutschen, während sie die Musik etwas leiser werden ließ. Sie trug ein bauchfreies Oberteil und eine knappe kurze Hose. Das Thema anständige Garderobe wollte Alexander in diesem Moment lieber nicht noch zusätzlich aufs Tapet bringen. Außerdem waren hier alle zu Hause, da konnte man durchaus etwas großzügiger sein, was die Anzugsordnung anging. So würde sie ja wohl hoffentlich nicht in die Schule gehen! Oder würde sie das doch? Alexander zwang sich dazu, die aktuelle Lage konzentriert wahrzunehmen. Ein Problem reichte ja wohl aus ... Tina hatte inzwischen ihre Blicke mehrfach von ihrer Schwester zu ihrem Vater und wieder zurückgleiten lassen. Die Situation kam ihr brenzlig vor. Mit beiden Händen schob sie sich ihre widerspenstigen Locken hinter die Ohren, die sich gleich wieder verselbstständigten und hervorrutschten. „Ach, Papa, mach doch keinen Stress. Ich war das. Ich hab Lena gesagt, sie soll mal voll aufdrehen, weil das gerade meine Lieblingssongs sind, und die Musiker erst, die sind ja soooooo süß ...“, log Tina kurz entschlossen wortreich, ohne mit der Wimper zu zucken. Dann erhob sie sich, lief zu ihrem Vater und umschlang ihn mit beiden Armen. „Wir wollten dich doch nicht schikanieren. Bist du mir jetzt etwa böse?“, fragte sie und schaute während der Umarmung treuherzig nach oben. Dichte Brauen standen über ihren ausdrucksstarken Augen. War da nicht doch eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm, drängte sich ein hartnäckiger Gedanke in seinen Kopf. „Ach, natürlich nicht, mein Kleines“, erwiderte Alex. Er wollte dieses Thema der Vergangenheit wegschieben, das sich immer und immer wieder meldete, wenn es überhaupt nicht passte. Ihm war es ja sogar schon unterlaufen, dass er seiner Jüngsten die ironische Ader als von ihm geerbt untergeschoben hatte. Dabei stand es definitiv fest, dass sie nicht von ihm war, immerhin hatte er es testen lassen. Sicherlich auch noch nicht einmal von seinem ehemaligen Nachbarn Gregor. Aber möglicherweise ging die Liaison seiner Frau Olga in Berlin sehr viel länger, als sie dann zugegeben hatte. Das würde sich nun, nach ihrem Tod, sicher nicht mehr im Detail rekonstruieren lassen. Wozu auch ...? Aber sei es, wie es sei, grübelte Alexander, sie ist und bleibt jetzt mein Kind. Außerdem hat kein anderer ein Recht darauf eingefordert. Schließlich entscheidet doch in nicht unerheblichem Maße die Erziehung über die Entwicklung und den Werdegang eines Menschen. Punktum! Und dafür sorge ich mit all meinen Kräften! Alex hatte inzwischen, wenn auch langsam, wieder eine normale Gesichtsfarbe angenommen. Er ging in die Knie und strich seiner Tochter Tina liebevoll über die Haare. „Und bestimmt hab ich früher auch so laut Musik gehört. Davon können Oma und Opa garantiert ein Lied singen. Ich kann mich nur nicht mehr daran erinnern ...“, lenkte er nachdenklich ein. „So ist das eben, wenn man alt wird“, zischte Lena von ihrem Platz aus und beobachtete ihren Vater argwöhnisch. Alexander hatte die provozierende Bemerkung zwar vernommen, ging aber nicht darauf ein. „Ihr solltet euch mal langsam bettfertig machen“, konstatierte er jetzt mit einem Blick auf die pinkfarbene Wanduhr mit den silbernen Dekoren und den Feen darauf. Das war auch verdammt lange her, dass sich die Große mal genau dieses Exemplar ausgesucht und so lange gequengelt hatte, bis er nachgab und sein Portemonnaie zückte. Und bisher bestand sie erstaunlicherweise noch nicht aufs Ausrangieren ... Alexanders Gedanken schweiften wieder einmal ab. Lena wollte gerade antworten, aber da fiel ihr die jüngere Schwester rasch ins Wort. „Machen wir, Papa. Nur noch dieses eine, ganz tolle Lied und dann ist hier wirklich Feierabend. Versprochen.“ Und im selben Augenblick hatte Lena auch schon wieder die Lautstärke bis zum Anschlag hochgefahren. Alexander schüttelte den Kopf, drehte sich aber um und verließ ohne weitere Kommentare das Kinderzimmer. Eine Weile später tauchten die Mädchen bei ihrem Vater im Arbeitszimmer auf. Erst die Kleine, die ihn umhalste und sein Gesicht mit zahlreichen Küssen bedeckte. Dann die Große, die abwartete, bis Tina den Raum verlassen hatte, um sich unbeobachtet ebenfalls in Alexanders Arme und auf seinen Schoß sinken zu lassen. „Ich hab dich ja so lieb“, säuselte Lena und drückte ihren Vater fest an sich. „Ach, ich dich doch auch, meine Große“, strahlte er mit einem zufriedenen Seufzer und genoss die Situation. „Mach nicht mehr so lange, Dad“, sagte Lena, wieder ganz erwachsen klingend, als sie sich erhob. „Du brauchst schließlich auch deinen Schlaf. Sonst bist du oft so nörgelig. Das geht ja gar nicht!“ Alexander lachte. „Stimmt, mein Mädchen. Aber nun ab durch die Mitte. Ich schau nachher noch einmal bei euch rein ...“ Stunden später saß Alexander immer noch an seinem Schreibtisch und machte sich Notizen für den folgenden Tag. Da waren wie üblich ein paar offene Baustellen, die er endlich beenden wollte. Dass dieser Schreibkram aber auch nie ein Ende nahm. Wenn er geahnt hätte, dass die Kripoarbeit aus ganz viel und immer noch zunehmenden bürokratischen Dingen bestand, dann hätte er sich vielleicht doch für einen anderen Beruf entschieden? Alex schüttelte den Kopf. Blödsinn! Das war schon genau der richtige Job für ihn, nur im Fernsehen wurde bei den Krimis immer so getan, als ob es keinen tristen Alltag gab, sondern stets hoch herging. Bei der Autobahnpolizei sausten die Dienstfahrzeuge mit ungeheurer Geschwindigkeit hinter den Verbrechern her, überschlugen sich, und die Beamten stiegen unverletzt aus. In einem Krimi war der Schauspieler der Kommissar und im nächsten der Täter. Und genau deshalb hatte er ab einem Moment keine Folge dieser unzähligen und immer mehr werdenden Serien angeschaut. Wann auch? Alex lachte leise auf und vertiefte sich weiter in seine Arbeit. Er las das Protokoll aus einer der jüngsten Befragungen in einem schon abgeschlossenen Fall, das Aktenführer Eduard Schiller extra für ihn noch einmal herausgesucht hatte. Mit gerunzelter Stirn zwar, aber ohne Kommentar, schließlich war er an das sture Nachhaken von Alexander gewöhnt. Und manchmal ergab sich tatsächlich ein neuerlicher Ansatz. Nein, da war doch keine Ungereimtheit drin, stellte Alex fest. Zeitweilig hatte er im Nachhinein ein ungutes Gefühl gehabt, was die Aussagen anging, und musste sich unbedingt noch einmal rückversichern. Also hatte er sich die Unterlagen mit nach Hause genommen, wie so oft. Irgendwo hatte er vor einiger Zeit gelesen, dass die Beamten aller Polizeien 20 Millionen Überstunden angehäuft hatten. Na prima, er hatte seinen gehörigen Beitrag dazu geleistet. Und das hier zählte ja nicht einmal als Überstunden. War eher sein Privatvergnügen ... Er stand auf, um sich aus dem Kühlschrank etwas zu trinken zu holen, lief dann aber zuerst zum Kinderzimmer, dessen Tür halb offen stand. Vorbei am Kratzbaum mit dem schwarz-weißen Kater Albert im Obergeschoss, der ihn nur aus ...


Gebürtige Berlinerin mit stetem Koffer in der Stadt. Studierte Diplom-Journalistin und Fachreferentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Kurz vor dem Jahrtausendwechsel Entdeckung der Liebe zum Landleben mit den dortigen kreativen Möglichkeiten. Umzug ins vorletzte Haus an einer Dorfstraße in NRW (Ostwestfalen). Arbeit als freie Autorin und überregionale Journalistin. Literarische Spezialität sind mörderische Geschichten, in denen ganz alltägliche Situationen kippen. Nach den Gutenachtgeschichten für Erwachsene „Gelegentlich tödlich“ folgten „Warum nicht Mord?!“ und „Ruhe unsanft“.
Ab 2011 die Minden-Krimis innerhalb der Weserbergland- bzw. Niemeyer-Krimi-Reihe mit Kommissar Alexander Rosenbaum: „Mörderischer Feldzug“ (2011), „Der Tote im Mittellandkanal“ (2012), „Die Mühlen des Todes“ (2013), „Tödliche Begegnung im Moor“ (2014), „Finales Foul“ (2015), „Kein letzter Akt“ (2016).
Dazu gesellen sich humoristische und satirische Texte, Prosa und Lyrik sowie im Jahr 2015 „Weihnachtsgeschichten aus dem Weserbergland“. Veröffentlichungen in zahlreichen Anthologien, Zeitungen und Zeitschriften. Mitglied der Mörderischen Schwestern und des Syndikats sowie des Leitungsteams der Mindener Lesebühne. Literaturnetzwerkerin und -organisatorin. Siehe auch: www.autorin-andrea-gerecke.de



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