Georgi / Karakasoglu | Bildung in früher Kindheit | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 132 Seiten

Georgi / Karakasoglu Bildung in früher Kindheit

Diversitäts- und migrationssensible Perspektiven auf Familie und Kita

E-Book, Deutsch, 132 Seiten

ISBN: 978-3-17-037613-7
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der erste Band der Reihe "Migration, Diversity und Bildung" diskutiert Theorien, Modelle und Ansätze einer diversitätssensibel ausgerichteten Bildung und Bildungsforschung in der frühen Kindheit. Dabei führt er Fragen der Pädagogik der frühen Kindheit mit Fragen der Diversity Education zusammen und präsentiert aktuelle empirische Befunde. Ein besonderer Fokus liegt auf migrationsbedingter Diversität, vertieft an den Beispielen Mehrsprachigkeit und religiöse Vielfalt. Entsprechend werden Sprachbildung, inter-/multireligiöse Erziehung, vorurteilsbewusste bzw. rassismuskritische Bildung, Kindermedien sowie die Kooperation mit Eltern in den Blick genommen.
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1          Diversity und Migration in der frühen Bildung
Drorit Lengyel & Janne Braband
Einleitung
Bildung und Erziehung in der frühen Kindheit sind stetigen Veränderungsprozessen unterworfen. Diese betreffen gesamtgesellschaftliche Diversifizierungsprozesse. Insbesondere Migration in ihren unterschiedlichen Ausprägungen und Formen, wie etwa Pendelmigration und Transmigration, zeitlich (un)begrenzte Wanderungen oder Fluchtmigration, trägt zu dieser Diversifizierung bei. Migration hat nicht nur Folgen für die Migrant*innen und deren Familien, sondern auch für die Herkunfts- und Zielländer und damit auch für die Bildungssysteme. Für Kinder, die (größtenteils) in Deutschland aufwachsen, besteht eine Folge von Migration darin, dass trotz regionaler Unterschiede (Stadt/Land; Ost/West) ihre Lebenswelten zunehmend von Diversität geprägt sind: Sie lernen anderssprachige Kinder auf dem Spielplatz oder in der Kita kennen, nehmen bei Freund*innen neue Lebensstile und familiäre Entwürfe, religiöse Gebräuche und Rituale wahr und erkunden so Unterschiede und Gemeinsamkeiten ihres Aufwachsens in ihrem unmittelbaren Sozialraum. Auch das System der Kindertagesbetreuung hat in den letzten zwei Jahrzehnten weitreichende Veränderungen durchlaufen: Durch den Rechtsanspruch auf einen Kita- bzw. Krippenplatz und damit zusammenhängend den Ausbau der Unter-Dreijährigen-Betreuung ist der Sektor allein schon durch die zur Verfügung gestellten Kita- und Krippenplätze und das benötigte Personal stark angewachsen. Dabei sind auch neue Formen der Kindertagesbetreuung entstanden, bei Tagesmüttern und -vätern oder in Familienzentren nach dem angelsächsischen Vorbild. Zudem wurde im bildungspolitischen Diskurs um die Jahrtausendwende die Bedeutung frühkindlicher Entwicklungs- und Bildungsprozesse in institutionellen Settings für Bildungserfolg, Partizipation und Teilhabe in einer (demokratischen) Gesellschaft betont. Dieses Verständnis wurde angereichert durch (inter-)nationale Studien zur Bedeutung der frühen Bildung in Kitas sowie der wachsenden frühkindlichen Bildungsforschung und der Pädagogik der frühen Kindheit auch im deutschsprachigen Raum (Pädagogik der Frühen Kindheit)1. So weisen besonders sog. Longitudinale Studien darauf hin, dass der Besuch einer frühkindlichen Bildungseinrichtung kurzfristige positive Effekte auf die kognitive und soziale Entwicklung von Kindern nach sich zieht (Sylva et al. 2004; für einen Überblick vgl. Melhuish 2013, S. 211–218; ausführlich Roßbach et al. 2008, S. 7–83); langfristige Effekte hängen aber stark von der pädagogischen Qualität, insbesondere von den anregungsreichen Interaktionen und Beziehungen, in den Einrichtungen ab (Siraj-Blatchford et al. 2003). Die hohe Bedeutung, die der frühen Bildung zugesprochen wird, wurde bildungspolitisch übersetzt in Curricula bzw. Bildungspläne, die für jedes Bundesland inzwischen vorliegen und Auskunft über die Umsetzung der Bildungsbereiche sowie das zugrunde liegende Verständnis vom (generalisierten) Kind und von Bildung geben (in Bezug auf Migration und Mehrsprachigkeit vgl. die Analyse von Lengyel und Salem 2018). Sie deuten gleichzeitig auf die gestiegenen Anforderungen und Erwartungen an die pädagogischen Fachkräfte in den Einrichtungen hin. In diesem Zusammenhang muss auch die fortschreitende Teilakademisierung des Erzieher*innenberufs gesehen werden. Denn in dem Maße, wie sich Kitas zu Bildungsorten entwickelten, wurde auch entsprechend qualifiziertes Personal benötigt. Zugleich war dies auch international betrachtet ein folgerichtiger Schritt, da pädagogische Fachkräfte in der frühen Bildung in fast allen anderen Ländern ein akademisches Studium absolvieren. Gleichzeitig ist diese Entwicklung schlicht dem angestiegenen Bedarf an Fachkräften geschuldet, die über die klassischen Ausbildungsgänge (Fachschulen) nicht gewonnen werden konnten. Letztlich stehen die Veränderungen wiederum im Zusammenhang mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen auf der Makroebene, wie der gestiegenen Erwerbstätigkeit, dem Erhalt internationaler Wettbewerbsfähigkeit u. v. m., die auf den (bildungs-)politischen Diskurs einwirken. Veränderungen – und dies sei als letzter Punkt vorangestellt – lassen sich auch in der Inanspruchnahme von Kindern in frühkindlichen Bildungseinrichtungen ausmachen. Die Bildungsteilhabe bei den 3- bis 6-Jährigen unterscheidet sich zwischen Kindern unterschiedlicher sozialer, ethnischer, kultureller oder sprachlicher Herkunft heutzutage kaum noch im Vergleich zum Beginn des Jahrtausends: Vier von fünf Kindern mit einem sog. ›Migrationshintergrund‹ besuchten im Jahr 2019 eine Kindertageseinrichtung (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020, S. 87). Auch 48 % der Kinder mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen (sog. Kinder mit Eingliederungshilfe) besuchen entsprechende Einrichtungen (vgl. ebd., S. 88). Der Besuch einer Kita als erste außerfamiliäre Bildungsinstanz gehört in Deutschland mittlerweile zur kindlichen Sozialisation ab drei Jahren. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, in das Feld der frühen Bildung im Zusammenhang mit Fragen von Diversity einzuführen. In Kapitel 1.1 beschäftigen wir uns mit dem Begriffsfeld Diversity und gehen in Kapitel 1.2 auf die Pädagogik der frühen Kindheit als wissenschaftliche Disziplin und die Frühpädagogik als Handlungsfeld ein. Es soll herausgearbeitet werden, wie sich die Disziplin und das Feld mit migrationsbedingter Diversität auseinandergesetzt haben. Ein zentrales Gebiet der frühkindlichen Bildungsforschung stellt, ausgehend von den gestiegenen Anforderungen und bildungspolitischen Erwartungen hinsichtlich der Effektivität der frühen Bildung, die Forschung zur Qualität im System der Kindertagesbetreuung dar. Daher widmen wir uns in Kapitel 1.3 diesem Diskurs aus einer diversitätsgerechten Perspektive. In Kapitel 1.4 gehen wir auf zentrale frühpädagogische Handlungsfelder ein – Sprachbildung, interreligiöse Erziehung und Bildung, vorurteilsbewusste Erziehung sowie Kooperation mit Eltern und anderen Akteuren, Organisationen und Verbänden. Diese Handlungsfelder werden z. T. in den nachfolgenden Beiträgen vertieft. Hiervon ausgehend schlagen wir in Kapitel 1.5 den Bogen zur Professionalität und Professionalisierung pädagogischer Fachkräfte als einem weiteren Gebiet der frühkindlichen Bildungsforschung und Pädagogik der frühen Kindheit: Welche theoretischen Modelle liegen vor und scheinen geeignet für Professionalisierungsprozesse in Bezug auf Diversity? Welche empirischen Erkenntnisse liegen hierzu vor? Der Beitrag schließt mit einem Fazit, in dem auch Forschungsdesiderate benannt werden. 1.1       Diversity und Diversity Education
Diversity (engl.) oder auch Diversität stammt ursprünglich von dem lateinischen Begriff diversitas ab, der mit Verschiedenheit, Unterschiedlichkeit übersetzt wird. Häufig werden die Begriffe Heterogenität oder Vielfalt als Synonyme verwendet. Allerdings, so Sliwka (2012, S. 170 f.), bedeutet Heterogenität eher einen Übergang von Homogenität als Nichtanerkennung von Unterschieden zu Diversität als Anerkennung von Vielfalt im Sinne einer Ressourcenorientierung, die Benachteiligungen entgegenwirkt. Aufgrund der vielfältigen disziplinären Bezüge und wissenschaftlichen Perspektiven auf Diversity spricht Georgi (2018, S. 61) von einem Begriffsfeld und nicht von einem Begriff im Sinne eines klar konturierten Konzepts. Sie macht zwei Diskursstränge der gesellschaftlichen Ressourcenorientierung von Diversity aus: Diversity Management als »Konzept der Unternehmensführung« (ebd., S. 62) und Diversity als kritische Reflexion der Folgen von »Herrschaftsstrukturen und mit diesen einhergehenden Ungleichheitsverhältnissen« mit dem Ziel, »Chancengleichheit zu verwirklichen« (ebd.). Neben diesen beiden Strängen liegt eine Wurzel im politisch-rechtlichen Antidiskriminierungsdiskurs (vgl. Scherr 2008, S. 12) und den dazugehörigen Leitlinien, Konventionen und Gesetzen (z. B. die UN-Behindertenrechtskonvention, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz). Dieser Diskurs wird mit der Entstehung der US-amerikanischen Human Rights Movements und dem politischen Kampf gegen Diskriminierung bzw. dem Kampf um Antidiskriminierungsgesetze in Verbindung gebracht (vgl. Thuswald 2016, S. 277). Hormel und Scherr (2004, S. 203 ff.) machen darauf aufmerksam, dass mithilfe konzeptueller Rahmungen von Diversity bzw. Diversity Education die komplexe Verschränktheit von »Normalitätskonzepten, Identitätspolitiken« mit Machtverhältnissen und sozialen Ungleichheiten...


Prof. Dr. Viola B. Georgi ist Professorin für Diversity Education und leitet das Zentrum für Bildungsintegration - Diversity und Demokratie in Migrationsgesellschaften an der Stiftung Universität Hildesheim. Prof. Dr. Yasemin Karakasoglu ist Professorin für Interkulturelle Bildung und Leiterin des gleichnamigen Arbeitsbereichs am Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Universität Bremen.


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