George / Kiesel | Geheimes Deutschland | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 161 Seiten

Reihe: textura

George / Kiesel Geheimes Deutschland

Gedichte

E-Book, Deutsch, 161 Seiten

Reihe: textura

ISBN: 978-3-406-72015-4
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Zeitlebens hat Stefan George in seinen Gedichten immer wieder auf Deutschland Bezug genommen: hat deutsche Landschaften und Städte in den Blick gerückt, deutsche Gestalten und Ereignisse in Erinnerung gerufen, aber auch – etwa in den Zeitgedichten und in dem großen Gedicht „Der Krieg“ – deutsche Fehlhaltungen kritisiert. Erstmals hat Helmuth Kiesel diese Gedichte in einem Band zusammengestellt. In Georges Lyrik überlagern sich oft deutsche und europäische Motive. Überhaupt stehen seine Deutschland-Gedichte im Kontext von Versen, die von den Schönheiten und Schätzen anderer Länder sprechen und diese als Voraussetzung von Georges Dichtertum kenntlich machen. Dazu gehören auch Orientalisches und – vor allem – Antikes: „Hellas ewig unsre Liebe“. Georges Deutschland-Gedichte sind Manifestationen eines Künstlers von europäischer Bildung und Gesinnung. Der exzessive Nationalismus, der sich ihrer zu bedienen suchte, hat sie verdunkelt und diskreditiert. Das gilt nicht zuletzt für das dieser Sammlung den Titel gebende Gedicht „Geheimes Deutschland“. Der Band ist eine Einladung zur Wiederentdeckung und Neubewertung dieses bedeutenden Dichters.
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DER KRIEG . . . . . . . . . WEM DAS GEWISSEN DROHE MIT EIGNER ODER FREMDER SCHANDE DRUCKE EMPFINDET DEINE WORTE WOL ALS ROHE. DEM OHNGEACHTET HALT DICH FREI VON SCHMUCKE UND GANZ ERÖFFNE DAS VON DIR GESCHAUTE. LASS ES GESCHEHN DASS WEN ES BEISST SICH JUCKE. WENN AUCH BESCHWERLICH WERDEN DEINE LAUTE BEIM ERSTEN KOSTEN: WIRD LEBENDIGE ZEHRUNG MAN DRAUS ENTNEHMEN WENN MAN SIE VERDAUTE. DANTE · GÖTTLICHE KOMÖDIE · HIMMEL XVII Wie das getier der wälder das bisher Sich scheute oder fletschend sich zerriss Bei jähem brand und wenn die erde bebt Sich sucht und nachbarlich zusammendrängt: So in zerspaltner heimat schlossen sich Beim schrei DER KRIEG die gegner an . . ein hauch Des unbekannten eingefühls durchwehte Von schicht zu schicht und ein verworrnes ahnen Was nun beginnt . . . Für einen augenblick Ergriffen von dem welthaft hohen schauer Vergass der feigen jahre wust und tand Das volk und sah sich gross in seiner not. Sie kamen zu dem Siedler auf dem berg: ‹Liegst du noch still beim ungeheuren los?› Der sprach: dies frösteln war das edelste! . . Was euch erschüttert ist mir lang vertraut · Lang hab ich roten schweiss der angst geschwizt Als man mit feuer spielte . . meine tränen Vorweg geweint . . heut find ich keine mehr. Das meiste war geschehn und keiner sah . . Das trübste wird erst sein und keiner sieht. Ihr lasst euch pressen von der äussern wucht . . Dies sind die flammenzeichen · nicht die kunde. Am streit wie ihr ihn fühlt nehm ich nicht teil. Nie wird dem Seher dank . . er trifft auf hohn Und steine · ruft er unheil – wut und steine Wenn es hereinbrach. Angehäufte frevel Von allen zwang und glück genannt · verhehlter Abfall von Mensch zu Larve heischen busse . . Was ist IHM mord von hunderttausenden Vorm mord am Leben selbst? Er kann nicht schwärmen Von heimischer tugend und von welscher tücke. Hier hat das weib das klagt · der satte bürger · Der graue bart ehr schuld als stich und schuss Des widerparts an unsrer söhn und enkel Verglasten augen und zerfeztem leib. SEIN amt ist lob und fem · gebet und sühne · Er liebt und dient auf seinem weg. Die jüngsten Der teuren sandt er aus mit segenswunsch . . Sie wissen was sie treibt und was sie feit . . Sie ziehn um keinen namen – nein um sich. IHN packt ein tiefres grausen. Die Gewalten Nennt er nicht fabel. Wer begreift sein flehn: ‹Die ihr die fuchtel schwingt auf leichenschwaden · Wollt uns bewahren vor zu leichtem schlusse Und vor der ärgsten · vor der Blut-schmach!› Stämme Die sie begehn sind wahllos auszurotten Wenn nicht ihr bestes gut zum banne geht. Zu jubeln ziemt nicht: kein triumf wird sein · Nur viele untergänge ohne würde . . Des schöpfers hand entwischt rast eigenmächtig Unform von blei und blech · gestäng und rohr. Der selbst lacht grimm wenn falsche heldenreden Von vormals klingen der als brei und klumpen Den bruder sinken sah · der in der schandbar Zerwühlten erde hauste wie geziefer . . Der alte Gott der schlachten ist nicht mehr. Erkrankte welten fiebern sich zu ende In dem getob. Heilig sind nur die säfte Noch makelfrei versprizt – ein ganzer strom. Wo zeigt der Mann sich der vertritt? das Wort Das einzig gilt fürs spätere gericht? Spotthafte könige mit bühnenkronen · Sachwalter · händler · schreiber – pfiff und zahl. Auch in verbriefter ordnung grenzen: taumel · Dann drohnde wirrsal . . da entstieg gestüzt Auf seinen stock farblosem vororthaus Der fahlsten unsrer städte ein vergessner Schmuckloser greis . . der fand den rat der stunde Und rettete was die gebärdig lauten Schliesslich zum abgrundsrand gebracht: das reich . . Doch vor dem schlimmren feind kann er nicht retten. ‹Fehlt dir der blick für solch ein maass von opfern Und kraft der allheit?› Diese sind auch drüben. Das nötige werk der pflicht bleibt stumpf und glanzlos Und opfer steigt nicht in verruchter zeit . . Menge ist wert · doch ziellos · schafft kein sinnbild · Hat kein gedächtnis – Was fragt sich der Weise? Sie troff im schwatz von wolfahrt · menschlichkeit Und hebt nun an das greulichste gemetzel. Nach speichel niedrigster umwerbung: geifer Gemeinsten schimpfs! . . und was sich eben hezt Umkröche sich geschmiegt wenn sich erhöbe Furchtbar vor ihm das künftige gesicht. Und was schwillt auf als geist! Solch zart gewächs Hat fernab sein entstehn . . . Wie faulige frucht Schmeckt das gered von hoh-zeit auferstehung In welkem ton. Wer gestern alt war kehrt nicht Jezt heim als neu und wer ein richtiges sagt Und irrt im lezten steckt im stärksten wahn. Spricht Aberwitz: ‹Nun lernten wir fürs nächste› Ach dies wird wiederum anders! . . dafür rüstet Nur vollste umkehr: schau und innrer sinn. Keiner der heute ruft und meint zu führen Merkt wie er tastet im verhängnis · keiner Erspäht ein blasses glühn vom morgenrot. Weit minder wundert es dass soviel sterben Als dass soviel zu leben wagt. Wer schritthielt Mit dem Jahrhundert darf heut spuk nur sehn. Der hilft sich · kind und narr: ‹Du hasts gewollt› Alle und keiner – heisst das bündige urteil. Der lügt sich · schelm und narr: ‹Diesmal winkt sicher Das Friedensreich.› Verstrich die frist: müsst wieder Ihr waten bis zum knöchel bis zum knie Im most des grossen Keltrers . . doch dann schoss Ein nachwuchs auf · der hat kein heuchel-auge: Er hat das schicksalsauge das der schreck Des ehernen fugs gorgonisch nicht versteint. In beiden lagern kein Gedanke – wittrung Um was es geht . . . Hier: sorge nur zu krämern Wo schon ein andrer krämert . . ganz zu werden Was man am andren schmäht und sich zu leugnen ‹Ein volk ist tot wenn seine götter tot sind› Drüben: ein pochen auf ehmaligen vorrang Von pracht und sitte · während feile nutzsucht Bequem veratmen will . . im schooss der hellsten Einsicht kein schwacher blink · dass die Verpönten Was fallreif war zerstören · dass vielleicht Ein ‹Hass und Abscheu menschlichen geschlechtes› Zum weitren male die erlösung bringt. Doch endet nicht mit fluch der sang. Manch ohr Verstand schon meinen preis auf stoff und stamm · Auf kern und keim . . schon seh ich manche hände Entgegen mir gestreckt · sag ich: o Land Zu schön als dass dich fremder tritt verheere: Wo flöte aus dem weidicht tönt · aus hainen Windharfen rauschen · wo der Traum noch webt Untilgbar durch die jeweils trünnigen erben . . Wo die allblühende Mutter der verwildert Zerfallnen weissen Art zuerst enthüllte Ihr echtes antlitz . . Land dem viel verheissung Noch innewohnt – das drum nicht untergeht! Die jugend ruft die Götter auf . . Erstandne Wie Ewige nach des Tages fülle . . Lenker Im sturmgewölk gibt Dem des heitren himmels Das zepter und verschiebt den Längsten Winter. Der an dem Baum des Heiles hing warf...


Stefan George, geboren 1868 in Büdesheim am Rhein, erkundete als junger Mann Europa und studierte u. a. in Paris und Wien, wo er Mallarmé, Verlaine und Hofmannsthal kennenlernte. Seine Gedichte veröffentlichte er in den von ihm 1892 gegründeten Blättern für die Kunst. Seit etwa 1900 lebte George ohne festen Wohnsitz im „Kreis“ seiner „Jünger“, die ihn als „Meister“ verehrten. Er starb am 4. Dezember 1933 in Minusio im Tessin.


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