Buch, Deutsch, 168 Seiten, Paperback, Format (B × H): 155 mm x 220 mm, Gewicht: 277 g
Buch, Deutsch, 168 Seiten, Paperback, Format (B × H): 155 mm x 220 mm, Gewicht: 277 g
ISBN: 978-3-96146-799-0
Verlag: Diplomica Verlag
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Textprobe:
Kapitel 2.3 Die Einteilungen der Konzepte nach Michael Herbst seit 1950:
Typisierungen sind wie Modelle im Allgemeinen ein vereinfachtes Abbild der Realität, um ein besseres Verstehen zu ermöglichen. Eine Kombination von mehreren Einteilungsmodellen erhöht die Komplexität, führt jedoch auch zu einer Annäherung an die vielschichtige Realität.
Für einen ersten Überblick im Rahmen der vorliegenden Studie wird sich auf das Einteilungsmodell der Gemeindeaufbaukonzepte von Herbst fokussiert. Es sei an dieser Stelle kurz erwähnt, dass die nun folgende Typisierung z. B. mit der Einteilung nach der vorherrschenden Sozialgestalt (z. B. mittels des Hybrid-Modells), dem primären Entwicklungsverständnis oder dem präferierten Frömmigkeitstyp kombiniert werden kann.
Nach Herbst lassen sich drei große Richtungen innerhalb der Konzeptionen des Gemeindeaufbaus bestimmen: die „Kirche für andere“, die „Offene Kirche für alle“ und die „Missionarische Kirche für alle“ (missionarischer Gemeindeaufbau). Er hält fest, dass eine solche Gliederung schematisierend und vereinfachend ist. Eine theologische Beurteilung der drei Konzepte richtet sich u. a. nach der Frage, inwiefern das jeweilige Konzept für den Aufbau der „Gemeinde von Geschwistern“ geeignet ist. Bei den Konzeptionsfamilien „Kirche für andere“ und „Offene Kirche für alle“ weist Herbst darauf hin, dass beide (primär) keine „Gemeinde von Geschwistern“ im Blick haben.
Das entscheidende Motto der von der ökumenischen Theologie geprägten „Kirche für andere“ lässt sich wie folgt ausdrücken: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere das ist.“ Im Zentrum des Missionsbegriffs steht nicht die Kirche, sondern Gott als Subjekt der Mission. Gott ist mit seiner Mission nicht auf die Kirche angewiesen und auf diese begrenzt. Er kann sich anderer Mittel extra muros ecclesiae wie den geschichtlichen Entwicklungen bedienen.
Gottes primäres Interesse gilt nicht der Kirche, sondern der Welt. „Die Kirche [ist] nicht Ziel, sondern Instrument der Missio Dei.“ Es wird von einer gegenwärtigen Erlösung aller Menschen im Sein ausgegangen; eine ontische Differenz liegt somit nicht vor. Diejenigen intra muros ecclesiae unterscheiden sich lediglich in der Erkenntnis über die Erlösung von denen extra muros ecclesiae im Sinne eines noetischen Vorsprungs. Die Aufgabe der Kirche wird nicht in der Bekehrung der Menschen extra muros ecclesiae, sondern in der Solidarität mit der Welt gesehen. Die Kirchenstrukturen müssen sich an diesem missionarischen Dasein ausrichten. Dies bedeutet z. B., dass der Gottesdienst nicht Sammlung ohne Sendung sein darf oder dass die Laien durch ihre Nähe zur Welt einen Vorrang in der Realisierung der Mission gegenüber dem Pfarrer haben.
Innerhalb der „Offenen Kirche für alle“ mit ihren verschiedenen Ausprägungen lassen sich mehrere Hauptakzente festhalten: Erstens ist an der Volkskirche als Kirchenform festzuhalten. Zweitens sind unterschiedliche Formen der Kirchenmitgliedschaft zu akzeptieren. Es soll und darf unterschiedliche Frömmigkeitsstile innerhalb der Volkskirche geben. Drittens kommt dem Pfarrer eine wichtige Rolle zu, indem er von den Menschen als personaler Repräsentant der Kirche sowie häufig als der einzig erwünschte und einzig mögliche Ansprechpartner angesehen wird.
Ähnlich wie die „Offene Kirche für alle“ weist die „Missionarische Kirche für alle“ eine große inhaltliche Weite zwischen ihren Vertretern auf, was sich z. B. in den verschiedenen Haltungen zur Volkskirche zeigt. Verbindende Elemente dieser Konzeptionsfamilie sind die evangelistische Einladung zur persönlichen Umkehr und das damit verbundene Anliegen einer Gemeinde von Geschwistern.