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E-Book

E-Book, Deutsch, 230 Seiten

Reihe: Europa

Gatalo Getto

postapokalyptischer Actionroman

E-Book, Deutsch, 230 Seiten

Reihe: Europa

ISBN: 978-3-944359-02-1
Verlag: Schruf & Stipetic
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Im Getto, einem Gefängniskomplex mitten in Europa, herrschen Anarchie und das Recht des Stärkeren. Vuk gehört zu keiner der drei Armeen, die in dem abgeschotteten Gebiet um die Vorherrschaft kämpfen. Er ist ein Einzelkämpfer und schlägt sich mit seiner Hündin Chica als Jäger und Dieb durch.
Auf einem seiner Streifzüge stößt er auf den Reporter Luka, der sich illegal Zugang zum Getto verschafft hat. Vuk nimmt dem wehrlosen Mann alle Wertgegenstände ab und bringt die Beute zu seinem Ziehvater Dumo. Dieser schickt ihn unverzüglich zurück, um auch den Reporter zu holen. Denn der Fremde verfügt über wertvolles Wissen: Wer ins Getto gelangt ist, kennt auch den Weg hinaus.
Doch inzwischen hat sich die Nachricht von der Anwesenheit des Fremden im Getto verbreitet, alle Armeen sind auf der Jagd nach ihm und es entbrennt ein erbitterter Krieg. Wenn Vuk seinen Auftrag erfüllen will, muss er Luka befreien und quer durchs Kriegsgebiet führen. Er und Chica setzen ihr Leben aufs Spiel, ohne zu ahnen, dass das Wissen des Reporters das Ende ihrer Welt bedeutet.
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Der Reporter
Sie liefen die ganze Nacht. Schwere Gedanken legten Vuks Stirn in Falten. Der alte Dumo würde wütend sein. Er hatte weder Nadel noch Faden für ihn gefunden. Aber Dumos Augen waren schlecht, Vuk würde schon noch irgendwo im Haus eine Nadel finden. Vielleicht hatte Dumo eine in seinen Wintermantel gesteckt und dort vergessen ... oder im Schrank, neben dem Gewehr. Oder irgendwo an der Feuerstelle. Auch Streichhölzer hatte er nicht aufgetrieben. Die hatten die Mondsicheln alle mitgenommen.
Vuk verlangsamte seinen Lauf. Chica war weit vor ihm und verschwand zwischen den Bäumen. Schließlich blieb er stehen und setzte sich. Aus seinem Rucksack holte er ein Wildgänschen, das er letzte Nacht auf dem Weg eher zufällig erlegt hatte. Er entfachte ein kleines Feuer, das er sorgfältig hinter großen Steinen verbarg und begann den Vogel zu braten. Chica kam angerannt und blieb hechelnd vor ihm sitzen, den Blick fest auf Vuks kastanienfarbene Augen gerichtet.
Wie schön wäre es, Brot und Salz zu haben, dachte Vuk. Er drehte dem Vogel die Schenkel heraus und warf den Rest ins Gras. Der Hund verschlang ihn gierig. Wie immer wunderte sich Vuk über Chicas Appetit. Erst vor ein paar Stunden hatte sie im Lauf eine Wachtel verschlungen, die aus dem Nest gefallen war. Und noch immer war sie hungrig.
Als Vuk die Keulen verspeist hatte, steckte er die Knochen in ein Astloch, damit Chica sie nicht erreichen konnte. Einmal hatte der Kleinohrige aus dem Zjenica-Rudel einen Hühnerknochen gegessen und war qualvoll daran gestorben. Er hatte gejault und sich gewunden als würde ihm das Fell abgezogen.
Aus dem Rucksack holte er eine Flasche, die zur Hälfte mit Wasser gefüllt war, und roch daran. Dumos Wasser war gut. Er schauderte bei der Erinnerung an die kalte Quelle hinter Dumos Hütte, zu kalt, um einen Menschen darin zu taufen. Er trank zehn Schlucke. Chica hob den Kopf und leckte sich erwartungsvoll die Schnauze. Vuk hielt ihr den Flaschenhals ins Hundemaul und Chica trank gierig. Sie ließ erst los, als die Flasche leer war. Vuk packte sie am Metallhalsband und schüttelte sie, doch es war zu spät. Das Wasser war weg. Nun würde er nach der kostbaren Flüssigkeit suchen müssen, die es entweder in Unmengen oder gar nicht gab. Dumo lebte weit weg, tief im Gebiet der Rotweißen. Sie würden drei Tage und zwei Nächte brauchen, um seine Hütte zu erreichen.
Es war Sommer, Regen war noch lange nicht zu erwarten. Chica hielt es lange ohne Wasser aus, weil sie nicht schwitzte und selten Wasser ließ. Morgens leckte sie den Tau auf. Nicht so Vuk, er musste oft Wasser trinken. Kurz verspürte er den Wunsch, den Hund härter zu bestrafen, aber er überlegte es sich anders. Hunde konnten nur kurz vorausdenken. Außerdem ersetzte ihm Chica Nase und Augen, Nase und Augen wie er sie nie haben würde. Ohne Chica wäre er allein, auf der Jagd und im Kampf.
Er kannte die Einsamkeit. Seit der Zeit im Hunderudel war er meistens allein gewesen und viel schwächer als jetzt mit Chica. Der Gescheckte, der Anführer des Zjenica-Rudels, war ein starker Hund gewesen, und klug. Die erste Hündin des Rudels, die Gelbe, hatte seine Wunden geleckt, als er von der Eiche gefallen war, wo er Vogeleier für das Rudel holen wollte. Dann hatten die Mondsicheln Vuk gefangen genommen und ihm beide Sprachen beigebracht, Einheimisch und Englisch, die vorherrschende Sprache im Getto. Sie hatten ihm den Namen Vuk gegeben, was auf Einheimisch Wolf hieß, wegen seiner Schnelligkeit und der Fähigkeit, mit den Hunden zu sprechen.
Vuk lernte schnell, sog Wissen über das Menschenrudel auf wie ein Schwamm. Er sah, wie die Menschen ihre eigene Art verrieten und fraßen, wie sie sich grundlos töteten, mehr Wild erlegten, als sie essen konnten, sich Wunden zufügten und sie einander nicht leckten. Je besser er die Menschen kennenlernte, desto mehr schätzte er das Hunde- und Wolfsrudel. Sich und Chica sah er eher als Hundepaar denn als Mensch und Hund. Manchmal fragte er sich, ob auch ein Rüde ihm so ergeben wäre wie Chica. Im Hunderudel hatte er sich immer auf die Leithündin verlassen können. Die Anführerrüden waren unnahbar und stolz und somit nutzlos.
Vuk hatte noch nie ein menschliches Weibchen gesehen, zumindest nicht in Wirklichkeit, nur auf Bildern. Als Kind hatte er gehört, wie die Mondsicheln über rätselhafte Jungfrauen sprachen, die an einem Ort lebten, der Harem des Faraon hieß. Wenigstens eine, wünschte er sich zu treffen, und zwar so eine wie auf den verblichenen Bildern aus den Magazinen des Alten Volkes, auch wenn Dumo sagte, sie seien alle, das ganze weibliche Geschlecht, dem Höllenfeuer entstiegen. Diese Bilder ließen Vuks Blut aus dem Kopf unter den Gürtel strömen. Dann konnte er lange nicht einschlafen. Zum wiederholten Male in diesen Tagen kam ihm der verwerfliche Gedanke, dass Dumo log. Für ihn war alles Höllenfeuer und göttliche Strafe. Schon immer hatte er Chica Satansbrut genannt, der Teufel selbst in Gestalt eines Hundes, den Vorhöfen der Hölle entstiegen. Ein Hund dürfe nicht denken wie ein Mensch, und Vuk dürfe auf keinen Fall mit Hunden sprechen, mit Wölfen oder Füchsen, das sei Teufelswerk.
Vuks Augen suchten Chica. Ohne dieses Tier könnte er sich im Wald nie mehr entspannen, geschweige denn irgendwo im Freien schlafen. Wie hatte er früher, bevor sie zu ihm kam, überhaupt überlebt, als Krieger, Jäger und Dieb?
Chica hatte ihren Durst und Hunger gestillt und nun zog und zerrte sie einen Gegenstand aus grünem Stoff über die Erde. Vuk deutete auf den Gegenstand und schnaubte. Chica brachte ihn zu ihm. Aufmerksam betrachtete er den Stoff und erkannte eine Socke. Er roch daran. Benutzt. Aber fast neu. Er suchte den Boden erfolglos nach der zweiten ab. Er hielt die Socke unter Chicas Nase und kläffte. Sie schnüffelte und lief witternd in den Wald.
Chica sollte Vuk zu der Stelle führen, an der dieser Geruch stärker war. Sie brannte darauf, ihm den Wunsch zu erfüllen. Sie erinnerte sich an den Ort, wo sie den Gegenstand gefunden hatte. Erst als sich Geruch, Bild und der Befehl des Menschen verbanden, zog sie die kürzeste Linie zwischen den beiden Punkten und lief los. Nach dreißig Sprüngen für den Menschen und zwanzig für sie, etlichen Kratzern von Zweigen auf den Armen des Mannes, fand sie die zweite Socke.
In Vuks Welt waren Socken ebenso wertvoll wie Pfeile. Man konnte nie genug davon haben. Im Sommer machten sie die Stiefel bequemer und im Winter wärmten sie. Für einen Jäger, Krieger und Dieb wie Vuk waren Socken wichtig. Deshalb steckte er sie in eine der Außentaschen seiner Hose. Der Geruch in den Socken war stark. Die Füße, die sie getragen hatten, konnten ganz in der Nähe sein, gleich hier im Wald. Und da waren vielleicht auch neue Stiefel, oder gar ein Hemd, das groß genug war und an dem er nicht die Ärmel abreißen musste, damit es passte. Vielleicht fanden sich da auch Nadel und Faden für Dumo, Streichhölzer, ein Feuerzeug.
Im Getto warf man keine Socken weg. Man ging sorgfältig mit ihnen um und flickte sie. Der Mann, der diese Sachen weggeworfen hatte, besaß vielleicht noch mehr Dinge, die er nicht mehr brauchte. Möglicherweise war er so reich, dass er seine eigene Quelle besaß, wie Dumo. Vuk konnte sich anschleichen und seine Wasserflasche füllen. Das Jagdfieber packte ihn. Er schnaubte durch die Nase, wie ein Wolf oder wie die Schlittenhunde, die nie bellten.
Chica winselte vor lauter Eifer und begann sofort, nach dem flüchtigen Hauch zu schnüffeln. Sie roch einen Cocktail aus menschlichen Ausdünstungen, den Geruch von Baumwolle, Leder, synthetischem Gewebe, verbranntem Tabak und Papier, dazu den verwirrenden Geruch nach Benzin und Gummi. Und Gerüche, die Chica in den drei Jahren ihres Lebens noch nie gerochen hatte. Ein wenig, nur ein ganz klein wenig, fürchtete sie sich davor. Die einzigen Gerüche, bei denen sich ihr vor Angst das Fell sträubte, waren die der haarlosen Bluthunde, die von den Rotweißen und Adlern gezüchtet wurden. Gegen sie würde Chica nur kämpfen, wenn Vuks Leben davon abhing.
Mit einem kaum hörbaren Knurren brachte Vuk die Hündin zum Stehen, hob den Zeigefinger und sah sie fragend an. Chica senkte den Kopf, schnüffelte noch einmal und gab einen überzeugten Laut von sich. Vuk war zufrieden. Der Mann ohne Socken war allein. Sie gingen langsam weiter, ohne Mühe und ohne Hast. Es gab im Getto keinen Mann, der allein gegen einen Jäger und einen Hund angekommen wäre.
Die Spur führte immer tiefer in den Wald, der sie mit knorrigen Ästen und dichtem Gestrüpp davon abhalten wollte, seine Ruhe zu stören. Mit Armen und Beinen schob Vuk dicke Äste und stachlige Zweige auseinander. Er holte ein rotes gepunktetes Tuch aus dem Rucksack, das er um seine rechte Hand wickelte. Mit der linken Hand und den Zähnen verknotete er die Enden. Er drückte mit der umwickelten Hand Gestrüpp beiseite, während Chica sich geschickt hindurchwand. Ihre ruhige Zielstrebigkeit zeigte Vuk, dass die Beute noch Stunden entfernt, aber dennoch in Reichweite war.
Nach einer Weile hätte Vuk der Fährte ohne Chicas Hilfe folgen können. Der unachtsame Wanderer hatte eine Vielzahl von Spuren hinterlassen: abgeknickte Zweige, abgeriebenes Moos, niedergedrücktes Gras.
Am späten...


Geboren 1967 in Mostar, wo er die literarische und kulturelle Szene belebt und prägt. Aufmerksamkeit bis ins Ausland erregte die Errichtung einer Bruce-Lee-Statue in Mostar, in Gedenken an die Popularität des Schauspielers bei Jugendlichen aller jugoslawischen Ethnien. Gatalo schreibt für in- und ausländische Medien und ist Autor zahlreicher Romane, Erzähl- und Gedichtbände.


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