Galsworthy | John Galsworthy - Alle Novellen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 1178 Seiten

Galsworthy John Galsworthy - Alle Novellen

Gesamtausgabe aller 63 Novellen

E-Book, Deutsch, 1178 Seiten

ISBN: 978-3-7562-0780-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Sammelband mit allen 63 Novellen · Ein Lebenskünstler · Gute Qualität · Der zerrissene Schuh · Entweder - oder · Ultima Thule · Courage · Der tolle Hund · Ein Mann aus Devon · Mr. Forsytes Errettung · Der Apfelbaum · Der Gefangene · Eine alltägliche Geschichte · Ein Monumentalfilm · Ein Tugendengel · Die Nachbarn · Blitzschlag · Kapuzinerhütchen · Salta pro nobis · Der Köter selbst krepierte daran · Ein Gentleman · Der Geschworene · Der Wald · Santa Lucia · Eine sonderbare Geschichte · Die Ersten und die Letzten · Das Unglückskind · Atavismus · Der Müller von Dee · Weiland Nr. 299 · Das Schweigen · Die Fehde · Der Menschenfischer · Tschuk-Tschuk · Noch einmal · Erpressung · Frauenblicke · Ein Jugenderlebnis · Abracadabra · Traum eines Weidmanns · Mein Hund · Das erste Rendezvous · Abschied · Apotheose · Der schwarze Rock · Denkwürdige Tage · Wasser · Die letzte Karte · Die Mumie · Was der Schulmeister erzählte · Die Stimme · Ein Patriot · Der Tote · Die Nacht der Butterblumen · Ritt durch den Nebel · Die beiden Könige · Fortschritt · Die Demonstration · Entzücken · Gestorben · Jenseits der Hügel · Romantik · Höhenwind · Die Linde

John Galsworthy lebte von 1867 bis 1933 und war ein englischer Schriftsteller und Nobelpreisträger.
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kurzen, mit schwarzen Borten gesäumten Rock schien, wie er so tief im Sessel ruhte, überhaupt keinen Hals zu haben. Der junge Gilbert Farney, der Sekretär der Insel-Schiffahrtsgesellschaft, betrat das stille Sitzungszimmer, ging rasch zum Tisch, raffte einige Papiere zusammen und blieb vor dem Präsidenten stehen. Er war höchstens fünfunddreißig, hatte die leuchtenden Augen, Wangen und Haare eines lebensfrohen Menschen und einen ironischen Zug um Mund und Nase. Denn seiner Ansicht nach war er die Seele der Schiffahrtsgesellschaft und der Aufsichtsrat war nur dazu da, seine so wichtige Person in den Schatten zu stellen. Fünfmal in der Woche saß er im Büro sieben Stunden lang, schrieb, dachte nach und spann die Fäden des Geschäftes; diese Herren Aufsichtsräte aber kamen einmal in der Woche auf zwei bis drei Stunden her und taten mit ihren weisen Ratschlägen groß. Doch als er nun diesen rotbackigen verschlafenen, weißhaarigen Greis betrachtete, war sein Lächeln nicht so geringschätzig, wie man hätte meinen sollen. Dieser Präsident war am Ende ein prächtiger alter Kerl. Ein Mann von Energie und Einsicht mußte alle Achtung vor ihm haben. Achtzig! Halbgelähmt war er jetzt und steckte bis über die Ohren in Schulden; er hatte sein Lebtag flott drauflos gelebt – so hieß es wenigstens! – bis ihm jenes Bergwerk in Ecuador den Rest gab – noch vor der Zeit des Sekretärs natürlich, aber er hatte davon gehört. Der alte Bursche kaufte die Aktien auf Spekulation – »wer nicht wagt, gewinnt nicht«, pflegte er so gern zu sagen – bezahlte sie halb in barem, halb in Schuldscheinen, und dann stieß man in diesem Bergwerk auf taubes Gestein; die Aktien verloren allen Wert und er blieb mit zwanzigtausend Pfund Schulden hängen. Bisher war der alte Knabe um den Bankrott herumgekommen. Nicht unterzukriegen, dieser alte Kracher; dabei tat er sie so patzig wie die anderen. Der junge Farney war zwar ein Sekretär, konnte aber dennoch anhänglich sein; aus seinen Augen sprachen jetzt Sympathie und Mitleid. Die Sitzung des Aufsichtsrates war lang und stürmisch gewesen – dieses Geschäft mit Pillin war endlich erledigt worden. Großartig, wie der Präsident ihnen das aufgezwungen hatte! Und mit stiller Genugtuung dachte der Sekretär: ›Und doch hätte er es nie durchgesetzt, wäre nicht ich zur Überzeugung gelangt, daß es wirklich ein gutes Geschäft ist!‹ Denn mit der Größe der Gesellschaft wuchs auch die seine. Immerhin war es etwas bedenklich, gerade jetzt, bei diesem Sinken der Frachtsätze, vier Schiffe auf einmal zu kaufen; da hatte es in der Generalversammlung natürlich Opposition gegeben. Ach was! Er und der Präsident würden es schon durchführen – jawohl, das würden sie! Da fühlte er plötzlich den Blick des Alten auf sich ruhen. Nur die Augen des Greises ließen erkennen, wieviel Lebenskraft dieser fast hilflose Körper noch barg. Wie dunkelblaue, tiefe Brunnen sahen sie aus, oder wie kleine, lustige Gucklöcher. Aus diesen Fleischmassen stieg ein Seufzer auf. »Sind die Leute schon da, Mr. Farney?« fragte er fast unhörbar. »Jawohl, Sir; ich habe sie ins kleine Kontor geführt und erklärt, Sie würden gleich kommen; doch ich wollte Sie nicht wecken.« »Habe gar nicht geschlafen. Helfen Sie mir auf.« Mit zittrigen Händen klammerte sich der Alte an die Tischkante, zog sich empor, der Sekretär half von hinten nach; endlich kam Mr. Heythorp auf die Beine. Er maß fast einen Meter achtzig und wog volle hundert Kilo. Er war nicht fett, aber sehr beleibt; der runde, massive Schädel allein war gewiß so schwer wie ein Baby. Offenbar mußte er gegen das eigene Gewicht ankämpfen; endlich erreichte er, noch immer mit geschlossenen Augen, im Schneckentempo die Tür. Der Sekretär sah ihm nach und dachte: ›Fabelhafter alter Bursche! Weiß der Teufel, wie er es anstellt, auch nur einen Schritt allein zu gehen! Aber er kann sich ja nicht zur Ruhe setzen – soll nur von dem leben, was er verdient!‹ Inzwischen war der Präsident durch die grüngepolsterte Tür hinausgeschritten. Schwerfällig wie eine Schildkröte durchquerte er das Büro, wo die jungen Angestellten im Rechnen innehielten und ihm grinsend nachglotzten. Er betrat das kleine Kontor, in dem acht Herren saßen. Sieben standen bei seinem Eintritt auf, einer blieb sitzen. Der alte Heythorp hob grüßend eine Hand bis zur Brust, schritt auf einen Lehnstuhl zu und ließ sich nieder. »Nun, meine Herren?« Einer von den acht Herren stand wieder auf: »Mr. Heythorp, wir haben Mr. Brownbee zu unserem Sprecher ernannt. Mr. Brownbee!« – und er nahm wieder Platz. Jetzt erhob sich Mr. Brownbee – ein untersetzter Mann über siebzig, mit kleinen grauen Bartkoteletten und einem jener steinernen Gesichter, wie man sie nur in England trifft. Nur hier findet man solche Gesichter, die den von Vätern und Vorvätern ererbten Geschäftsgeist widerspiegeln; bei deren Anblick wir vergessen, daß es auch Kriege, Leidenschaften und freie Denkart gibt; Gesichter, die Vertrauen erwecken und zugleich den Wunsch, das Weite zu suchen. Mr. Brownbee hatte sich also erhoben und erklärte in höflichem Ton: »Mr. Heythorp, wir vertreten hier eine Forderung von zirka vierzehntausend Pfund. Als wir im vergangenen Juli das Vergnügen hatten, bei Ihnen vorzusprechen, haben Sie uns auf Weihnachten vertröstet. Zu diesem Zeitpunkt wollten Sie, wie Sie sich noch erinnern dürften, ein befriedigendes Übereinkommen mit uns treffen. Jetzt haben wir schon Januar und ich muß leider bemerken, daß keiner von uns jünger wird.« Aus der Brust des alten Heythorp drang ein Räuspern und ging auf den Lippen in die Worte über: »Na, Sie vielleicht nicht – ich fühl mich wie ein Jüngling.« Die acht Herren blickten ihn an. War das ein neuer Versuch, sie hinzuhalten? Mr. Brownbee erwiderte seelenruhig: »Es freut uns wirklich sehr, das zu hören. Um jedoch zur Sache zu kommen: Wir sind der Meinung, Mr. Heythorp – und zwar, wie Sie zugeben werden, nicht ohne guten Grund, daß – eh – der Konkurs die befriedigendste Lösung wäre. Wir haben lange gewartet und möchten endlich wissen, woran wir sind. Denn, ganz offen gesagt, wir sehen keine Aussicht auf Besserung, wir fürchten sogar das Gegenteil.« »Sie glauben wohl, ich könnte bald abkratzen?« Als er ihnen ihre Hintergedanken so ins Gesicht schleuderte, kamen Mr. Brownbee und seine Kollegen völlig aus dem Konzept. Sie husteten, scharrten unruhig mit den Füßen und wandten den Blick zur Seite. Endlich sagte der Mann, der sich bei Heythorps Eintritt nicht erhoben hatte, ein Rechtsanwalt namens Ventnor, in schroffem Ton: »Schön, formulieren Sie es so, wenn Sie wollen.« Der alte Heythorp zwinkerte mit den Augen. »Mein Großvater ist hundert Jahre alt geworden, mein Vater sechsundneunzig – haben beide in Saus und Braus gelebt. Ich bin erst achtzig, meine Herren; bin ein Unschuldslamm im Vergleich zu denen.« »Aber, Mr. Heythorp, hoffentlich blühen Ihnen noch recht viele Jahre in dieser Welt – recht viele«, sagte Mr. Brownbee. »Lieber in dieser als in jener.« Alle schwiegen, dann fuhr der alte Heythorp fort: »Sie erhalten jetzt jährlich tausend Pfund aus meinem Einkommen als Präsident des Aufsichtsrates. Wer wird denn die Henne schlachten, die die goldenen Eier legt? Ich erhöhe diesen Betrag auf zwölfhundert. Wenn Sie mich aber in den Konkurs treiben, muß ich meine Stellen als Aufsichtsrat niederlegen und Sie kriegen keinen roten Heller. Verstanden?« »Wir sind der Ansicht, Mr. Heythorp, Sie sollten wenigstens fünfzehnhundert zahlen. In diesem Falle könnten wir vielleicht erwägen …« Der alte Heythorp schüttelte den Kopf. »Ihre Behauptung, daß wir bei einem Bankrott leer ausgehen würden, klingt uns nicht überzeugend. Unseres Erachtens unterschätzen Sie die Möglichkeiten Ihres Konkurses ganz beträchtlich. Fünfzehnhundert jährlich ist das mindeste, was Sie für uns tun müssen.« »Da können Sie sich auf den Kopf stellen!« Wieder trat Schweigen ein; endlich erklärte Ventnor, der Rechtsanwalt, gereizt: »Dann wissen wir also, woran wir sind.« Mr. Brownbee fügte schier verlegen hinzu: »Wollen Sie damit sagen, daß zwölfhundert Pfund Ihr – Ihr letztes Wort ist?« Der alte Heythorp nickte. »Kommen Sie heute in einem Monat wieder; will sehen, was ich dann für Sie tun kann.« Und er schloß die Augen. Sechs von den Herren scharten sich um Mr. Brownbee und sprachen leise auf ihn ein. Mr. Ventnor rieb sich das Knie und schoß finstre Blicke nach dem alten Heythorp, der mit geschlossenen Augen dasaß. Schließlich trat Mr. Brownbee auf Mr. Ventnor zu und sprach leise mit ihm; dann räusperte er sich und sagte: »Also, Sir, wir haben Ihren Vorschlag in Erwägung gezogen und sind übereingekommen, ihn vorderhand zu akzeptieren. Ihrer Aufforderung gemäß kommen wir in einem Monat wieder. Hoffentlich ist es Ihnen dann möglich, uns ein besseres Angebot zu machen, damit vermieden werde, was zu unser aller Bedauern anderenfalls unvermeidlich wäre.« Der alte Heythorp nickte. Die acht Herren nahmen ihre Hüte und gingen im Gänsemarsch hinaus; Mr. Brownbee beschloß nach höflicher Verneigung den Zug. Der Greis, der ohne Hilfe nicht aufstehen konnte, blieb in Gedanken versunken in seinem Sessel. Für diesmal hatte er sie herumgekriegt, ihm noch einen Monat Zeit zu geben, und wenn der vorbei war – dann würde er sie wieder herumkriegen. In vier Wochen mußte das Geschäft mit Pillin perfekt sein, mit allem, was drum und dran hing. Joe Pillin, dieser jämmerliche Hasenfuß! Ein gurgelndes Glucksen kam über Heythorps rote Lippen. Wie ein Schatten hatte der Kerl ausgesehen, als er an...


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