E-Book, Deutsch, 160 Seiten
Frohme Corona - Wie Sie die psychischen Herausforderungen meistern
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-432-11354-8
Verlag: Enke
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
ISBN: 978-3-432-11354-8
Verlag: Enke
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zielgruppe
Gesundheitsinteressierte
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
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Angst und Panik
Angst ist eines unserer wichtigsten Grundgefühle, neben Wut, Freude, Trauer, Scham, Schmerz und Ekel. Angst ist wichtig für uns, denn sie hat eine essenzielle Schutzfunktion und hat über Jahrtausende unser Überleben gesichert. Sie zeigt sich körperlich in Starre oder Fluchtverhalten, Anspannungen und Verkrampfungen. Akute Angst äußert sich in Herzrasen und Atemnot, manchmal auch durch Schwindel. Dies alles wird durch das Ausschütten von Stresshormonen in unserem Körper ausgelöst. Psychisch wird Angst durch das Auftreten von Beklemmungen, einem starken Gefühl der Unsicherheit und zwanghaftem Denken erlebt. Häufig ist auch das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen treten ebenfalls auf. Weil Angst eine wichtige Schutzfunktion hat, ist sie nicht grundsätzlich krankhaft. Die körperlichen und psychischen Reaktionen ebben meist nach einem angsterfüllten Erlebnis ab. In der Regel werden wir mit Angst gut fertig, wenn wir eine realistische Einschätzung der Gefahr vornehmen und uns Handlungsmöglichkeiten dazu überlegen. Angst und Panikreaktionen in der Krise
Das Corona-Virus löst Angst aus, bei manchen Menschen sogar Todesangst. Die Corona-Maßnahmen führen zu Veränderungen, die ebenfalls Angst auslösen, zumal wir den Zeitpunkt der Veränderung nicht selbst ausgesucht haben, sondern dieser fremdbestimmt wurde. Nach Elisabeth Kübler-Ross durchlaufen wir in solchen Situationen verschiedene Stadien auf einer Kurve. Anfangs befinden sich viele Menschen in einem Schock, in einer Art Erstarrungszustand. Nachdem Angst und Veränderungsdruck eine Weile ignoriert bzw. auch verleugnet wurden, geht die Kurve nach unten, und wir werden mit den Gefühlen von Angst, Todesangst und Unsicherheit konfrontiert. Das müssen wir realisieren und annehmen. Wir müssen uns mit den Gefühlen von Angst und Unsicherheit vertraut machen und uns ihnen eine begrenzte Zeit stellen. Wenn wir diesen Gefühlen nachspüren, dann vergehen sie meist nach einer gewissen Zeit von selbst. Diesen Prozess auszuhalten, ist sinnvoller, als ihn zu verdrängen oder ihn mit Aktionismus oder Alkohol zu überdecken. Das Fühlen der Gefühle hilft, alles zu verarbeiten. Nachdem wir das eine Weile durchgehalten haben, ergeben sich weitere Chancen. Wir haben das Bedürfnis, etwas Neues auszuprobieren und möchten handeln. Damit geht die Kurve auch wieder nach oben und wir können die Chance der Veränderung gut nutzen. Der Kreislauf der Angst
In der aktuellen Situation ist es jedoch leicht, in einen negativen Angst-Kreislauf zu geraten. Viele Menschen sind durch die Corona-Krise viel bis fast ausschließlich zu Hause und beschäftigen sich mit sich selbst. Dadurch treten angstbesetzte Gedankenszenarien auf, diese werden ständig wiederholt. Am Anfang steht ein Ereignis, wie z. B. Kurzarbeit durch die Corona-Krise. Dieses Ereignis löst Gedanken und Vorstellungen durch frühere Erfahrungen aus, wie z. B. „nach der Kurzarbeit folgt Arbeitslosigkeit“. Es folgt eine negative Bewertung, die Emotionen auslöst. In diesem Fall ist dies Angst. Daraus resultiert ein Verhalten, z. B. das Ertränken der Angst in Alkohol. Danach gehen die Gedankenszenarien wieder von vorne los. Sie können erkennen, dass es sich dabei um einen Kreislauf handelt: Ereignis Gedanken Bewertung Emotionen Verhalten Versuchen Sie, aus diesem Kreislauf auszusteigen! Das können Sie tun, indem Sie bei den Gedanken beginnen. Sie stellen sich vor, dass nach der Kurzarbeit keine Arbeitslosigkeit folgt, sondern Sie in Ihren Job zurückkehren können. Sie können auch bei dem Punkt Verhalten aussteigen, um gar nicht erst eine panische Angst aufkommen zu lassen. Hier können Sie sich zum Beispiel in den Medien oder in der Zeitung informieren, welche Stellenangebote es gibt und welche Alternativen sich für Sie bieten könnten. Das löst andere Emotionen aus. Panikreaktionen
Wenn die Angst überhandnimmt, und eine realistische Einschätzung der Gefahr nicht mehr möglich ist, kann es zu einer Panik kommen. Panik ist ein Zustand übersteigerter, übermächtiger Angst, die zu unüberlegten Reaktionen führt. Panikattacken treten plötzlich und unerwartet auf und dauern meistens nicht so lange wie Angst. Bei Panikattacken können starke körperliche Reaktionen wie Atemnot oder starkes Herzklopfen auftreten, Schwindel, Brustschmerzen und sogar regelrechte Todesangst. Die Betroffenen entwickeln danach meist Angst vor den Panikattacken. Das geht sogar so weit, dass sich die erkrankten Menschen nicht mehr trauen, das Haus bzw. die Wohnung zu verlassen. Ängste sind normal
Im Moment sind die Menschen in unserem Land in einem psychischen und körperlichen Ausnahmezustand. Daher ist es völlig „normal“, dass Sie mit Angst reagieren. Die Ungewissheit, wie alles weitergeht, führt auch nicht gerade zur Beruhigung und hält unsere Ängste aufrecht. Außerdem haben wir durch die Ungewissheit das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, und das löst wiederum neben Ängsten auch Aggression oder Frustration aus. Darauf werde ich später noch genauer ? eingehen. Wenn Sie sich von Ihrer persönlichen Situation in der Corona-Krise stark belastet fühlen, ist es angebracht, psychotherapeutische Hilfe zu suchen. Zu einem Psychotherapeuten zu gehen, bedeutet nicht unbedingt, psychisch krank zu sein. Eine Therapie in einer herausfordernden Situation kann helfen, „sich zu sortieren“, andere Perspektiven zu entwickeln, Strategien zur Angstbewältigung zu erwerben, oder einfach nur Unterstützung und Beruhigung bieten. Psychotherapie in Anspruch zu nehmen, ist nichts Verwerfliches, sondern zeigt Übernahme von Eigenverantwortung. Sie brauchen sich nicht zu schämen – Sie sorgen für sich! Hier ein Satz meines Lehrers: Gewinner holen sich Hilfe! Wann ist professionelle Hilfe nötig? Krankhaft und behandlungsbedürftig werden Ängste erst dann, wenn: sie unangemessen sind, sie außer Kontrolle geraten oder sich zu Panikattacken ausweiten, sie nicht mehr allein bewältigt werden können, ein starker sozialer Rückzug erfolgt, auch soziale Phobie genannt, aus Angst eine Depression oder andere psychische Erkrankungen entstehen. Informationen zu Anlaufstellen finden Sie im Kapitel ? „Depression und Burnout“. Der unbewusste Lebensplan oder das Lebensskript
Jeder Mensch hat ein spezifisches Angstmuster, welches aus Kindheitserlebnissen resultiert. Je nachdem, wie und wann Sie geboren und aufgewachsen sind, haben Sie eine Strategie entwickelt, mit Angst umzugehen. Alles, was wir erlebt haben, ist in uns abgespeichert ist und beeinflusst uns heute noch. Der unbewusste Lebensplan, den jeder von uns hat, entsteht durch frühe Schlussfolgerungen und Entscheidungen, die in der Kindheit unbewusst getroffen wurden. Wie genau entsteht das Skript?
Wir bekommen als Kinder von unseren Eltern oder anderen Autoritätspersonen Zuschreibungen wie: „Du bist dumm. Du bist ein Angsthase. Aus dir wird nichts. Du kannst nichts.“ etc. Diese Zuschreibungen merken wir uns und glauben an sie. Wir unterliegen in unserer Kindheit Prägungen. Prägungen sind gelebte Rituale und Bewertungen, die in der Familie stattfanden. Wie der Name schon sagt, werden wir dadurch geprägt. Zum Beispiel: Wenn in der Herkunftsfamilie Kinder, die Angst hatten, ausgelacht wurden, wird häufig die Entscheidung getroffen: „Ich werde meine Angst nie mehr zeigen!“ Das kann bedeuten, dass die jetzige Corona-Krise nicht ernst genommen wird. Es werden weiter Corona-Partys gefeiert und Abstandregelungen als „Quatsch“ bezeichnet. Dann gibt es noch die Schlüsselerlebnisse. Dazu gehören Kränkungen, schwere Unfälle und Traumata. Wenn jemand früh angsterfüllte Situationen erlebt hat, z. B. in Kriegssituationen, durch Missbrauch oder Gewalt, dann sitzt die Angst tief im Unbewussten und kann jederzeit wieder ausgelöst werden. Wird ein Kind zum Beispiel häufig bestraft, kann daraus die Entscheidung entstehen: „Ich werde immer alles befolgen, dann passiert mir nichts“. Wenn ein Kind einen Fahrradunfall hat, kann es beschließen: „Ich fahre nie mehr Fahrrad. Das ist viel zu gefährlich“, eine typische Entscheidung, die aufgrund des Traumas getroffen wird. So gibt es unterschiedliche unbewusste Muster für Verhaltensweisen im Umgang mit Angst. Zu guter Letzt erhalten Kinder auch Skriptbotschaften, die nonverbal oder auch atmosphärisch von den Autoritätspersonen meist unbewusst gegeben werden. Diese Skriptbotschaften können einschränkend (Verbote) oder förderlich (Erlaubnisse) sein. Ein Beispiel für eine einschränkende Botschaft ist, dass einem Kind vermittelt wird, dass es nicht willkommen ist, manchmal begleitet von unbedachten Sätzen wie: „Wenn du nicht...