E-Book, Deutsch, 190 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Fritz Impact Investing - Investieren in die Zukunft
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-648-15915-6
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Leitfaden für nachhaltiges Unternehmertum und social Entrepreneurship
E-Book, Deutsch, 190 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-15915-6
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Stefan Fritz ist Partner in einer Investmentgesellschaft und Impact Investor mit Schwerpunkt DeepTech im B2B-Bereich. Auf seinem Blog stefanfritz.de beschäftigt er sich mit digitalen as-a-Service- und Plattform- Geschäftsmodellen und den Möglichkeiten von Impact Investing als Rahmen für nachhaltiges Unternehmertum.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geowissenschaften Umweltwissenschaften Nachhaltigkeit
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Unternehmensorganisation, Corporate Responsibility Corporate Social Responsibility (CSR), Nachhaltiges Wirtschaften
- Wirtschaftswissenschaften Finanzsektor & Finanzdienstleistungen Anlagen & Wertpapiere
Weitere Infos & Material
1 Wer und was könnte uns helfen, den Planeten zu retten?
Für Ungeduldige: Wir müssen etwas tun. Bisher haben Politik, Wissenschaft, Medien und selbst Greta keinen Hebel finden können, einen gemeinsamen Ausgangspunkt festzulegen. Zusätzlich steht der Kapitalismus als unser Wirtschaftssystem in der Kritik. Nach dem Lesen dieses Kapitels sollten die Zusammenhänge zwischen diesen Aspekten klarer sein. Dieses Verständnis ist wichtig, wenn wir einen Startpunkt für die Lösung finden wollen.
Haben die Generationen vor uns jemals diese Dringlichkeit zur Rettung ihres Planeten empfunden? Wir werden heute mit einem sehr konsistenten Bild an Aussagen von Wissenschaftlern, Medien und auch Politikern konfrontiert. Basis all dieser Aussagen sind Erkenntnisse unserer Forschung. Und auch wenn es über die letzten Jahrzehnte fast nicht möglich erschien: Es herrscht Einigkeit zum Thema Klimawandel. Ernst zu nehmende Gegenstimmen gibt es quasi nicht mehr.
Auf Basis dieser seltenen Einstimmigkeit der Wissenschaft haben sich Staaten, Politik, Medien, Kirchen und Non-Profit-Organisationen der faktischen Realität angeschlossen und den Klimawandel zur Grundlage ihrer Aktivitäten und Handlungsfelder gemacht. Genau das ist der Punkt, ab dem es kompliziert wird.
Wir sind uns zwar einig über die Existenz des menschengemachten Klimawandels sowie über eine Reihe der nun unausweichlich anstehenden Auswirkungen. Doch die Konsequenzen, die wir als Interessenvertretung, Individuum oder Gesellschaft daraus für unser tägliches Handeln ableiten, sind sehr verschieden.
Die Bandbreite der Lösungsmöglichkeiten ist davon abhängig, ob wir global, national, lokal oder individuell auf die notwendigen Veränderungen schauen:
- Geo- und machtpolitisch betrachtet ist die potenzielle Veränderung für die westlichen Länder am größten: Sollen vor allem wir als Bürger der Wohlstandsstaaten unsere aktuelle Position der wirtschaftlichen Stärke aufgeben, indem wir jedem Menschen ab sofort denselben ökologischen Fußabdruck (CO2-Emissionen, Wasser und generell Ressourcen) zubilligen? Sind wir diejenigen, die sich massiv und einschneidend verändern müssen – die Menschen in weniger entwickelten Ländern jedoch so gut wie gar nicht?
- Welche politischen Kompromisse sind erforderlich, wenn wir anderen Staaten Entwicklungen nicht mehr verweigern, die wir selbst in Anspruch genommen haben? Wird das System gerechter und besser, wenn »wir aus dem Westen« den weniger entwickelten Wirtschaftsräumen großzügig das Durchleben von Konsumrauschphasen »gönnen«?
- Schaut man landespolitisch auf das Thema, rücken Umverteilungen bei Arbeitsverhältnissen in den Mittelpunkt: Wie sieht es mit der Verteilung der Veränderungsnotwendigkeit innerhalb unseres Landes aus? Was machen wir mit erwerbslosen Arbeitern aus dem Kohle-/Energiekreislauf, was mit den Fleischproduzenten und den in dieser Industrie tätigen Menschen und deren abhängigen Familien?
- Andere Aspekte werden wichtig, wenn jeder für sich selbst auf potenzielle Veränderungen und Auswirkungen schaut: Was ist mit der nächsten Urlaubsreise im Flugzeug, dem Konsum von Bananen, Kaffee oder dem Kauf eines dritten T-Shirts innerhalb eines Monats? Was ist mit der Fahrt in einem bequemen und sicheren SUV zum Kindergarten?
Die logische Konsequenz bei einem Problem dieser weltumspannenden Dimension und dieser unterschiedlichen Interessenlagen haben wir in den letzten 30 Jahren gesehen: Wir diskutierten ab und zu mal auf Konferenzen, einige Propheten tauchen auf und verschwinden wieder. Aber persönlich ändern mussten wir zum Glück nichts.
Spieltheorie und Wissenschaft haben zutiefst menschliche Erklärungen für unser kollektives Versagen als Individuen zur Hand:
- Aufgrund des europäischen, umfassenden Datenschutzes besteht eine Anonymität in großen Lebensbereichen. Diese und unsere vielen Rechte als Bürger verhindern effizient, dass uns unser Staat zu einem Leben mit geringerem ökologischem Fußabdruck zwingen oder überreden kann. Die Allgemeinheit weiß nicht, wann wir das letzte Mal in den Flieger gestiegen sind, und keiner überwacht die Sinnhaftigkeiten unserer Mobilitäts- oder Essgewohnheiten. Und ja: Wir können letztlich dankbar sein, in einem solchen gesellschaftlichen System leben zu dürfen.
- Wir sind nicht fähig, unsere Umwelt in ihrer Komplexität wahrzunehmen und zugehörige Abhängigkeiten zu erkennen oder zu verarbeiten. Das stellt einen weiteren Grund dar, der uns daran hindert, pfleglich mit ihr umzugehen. Allmende Systeme, also die Bewirtschaftung von Wäldern zur Holznutzung, Fischereigebieten oder die gemeinsame Nutzung von Wasserquellen, funktionieren immer nur in nicht anonymen, kleineren Gruppen mit engen Beziehungen und in (Teil-)Systemen mit geringer Komplexität (Tragedy of the Commons).
Diese Erläuterungen rütteln aber nicht an der Tatsache, dass wir etwas ändern müssen. Denn nach 30 Jahren Nichtstun1 sind die Auswirkungen von Umweltverschmutzung und globaler Ausbeutung in unserem Alltag konkret und unübersehbar angekommen: mit Plastik in unseren Meeren und Flüssen, Unwettern vor unserer Haustür und sich häufenden Nachrichten über die bereits überschrittenen Kipppunkte.
1.1 Helfen uns Politik, Medien oder Wissenschaft?
Wissenschaftler als Berater der Politik haben ihren Job nach eigenem Bekunden erledigt, wenn sie uns auf die Zusammenhänge hingewiesen haben. Auf die Wissenschaftler als Lösungslieferanten brauchen wir daher nicht zu hoffen. Gleiches gilt für die Politiker, denn leider passt dieses Problem kaum in die politischen Strukturen. Schließlich hat ein Politiker – egal von welcher Partei – nur ein Mandat bis zur nächsten Wahl. Doch die Probleme, denen wir uns gegenübersehen, sind viel zu groß und bedürfen einer kontinuierlichen sowie konsistenten Handlungsfolge von Jahrzehnten.
Schon bei global gesehen kleinen Teilaufgaben gibt es keine klaren Handlungsstränge und Ergebnisse für uns als Verbraucher. Sollen wir von Verbrennerautos auf batteriebetriebene Elektromobilität umsteigen oder besser nicht? Gibt es ein klares Ergebnis nach Abwägen aller Vor- und Nachteile?
Beispiel Elektromobilität
Die Wissenschaft ist sich im Detail uneinig, ob ein Elektrofahrzeug mit Batterie einen geringeren ökologischen Fußabdruck hat als ein Verbrennerauto. Für normale Bürger ist es extrem schwer zu entscheiden, aus welchen Gründen welcher Wissenschaftler, Politiker oder Journalist welches Thema treibt. Aus persönlicher Überzeugung? Lobbyarbeit? Wer bezahlt wen? Welche Aspekte stehen im Vordergrund? Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es für den deutschen Wohlstand extrem wichtig, dass unsere Automobilindustrie sich transformiert und wettbewerbsfähig bleibt. Will ein Politiker Arbeitsplätze in seinem Wahlkreis retten? Will das Magazin nur eine aufmerksamkeitsheischende Überschrift für die Auflage oder Clickbait?
Diese Gruppe aus Politik, Wissenschaft und Medien, die normalerweise die sichtbare Anpassungsarbeit an eine sich verändernde Welt leistet, scheint mit der Erstellung und Umsetzung eines globalen Masterplanes zur Rettung unseres Planeten tatsächlich überfordert zu sein. Auf wessen Hilfe können wir also hoffen?
1.2 Kann unser Wirtschaftssystem – der Kapitalismus – helfen?
Die Grundlage unseres Wirtschaftssystems – der Kapitalismus – stand in den letzten Jahren zunehmend in der öffentlichen Kritik, weil er für Ungleichheit und Ungerechtigkeit verantwortlich gemacht wird.
Grundlegend am Konzept des Kapitalismus ist, dass er unsere Sichtweise auf die Zeit ordnet. Im Kapitalismus leben sowohl die Unternehmer als auch die Konsumenten in der Zukunft: Die Unternehmer erwarten durch ein neues Produkt, eine Investition oder eine neue Technologie eine höhere Rendite, während die Konsumenten von der zukünftigen Erfüllung ihrer Wünsche träumen. Das Konzept des Kapitalismus zwingt uns sozusagen dazu, uns ständig mit einer unbekannten Zukunft auseinanderzusetzen. In anderen Kulturen, etwa in China, ist hingegen ein Bezug zur Vergangenheit vorherrschend, bei einer Reihe von Naturvölkern stattdessen der Bezug auf die Kreisläufe der Natur. Ob der Kapitalismus in Hinblick auf unseren zeitlichen Kulturbezug Ursache oder Wirkung ist, bleibt vorerst offen. Fest steht: Er ist in jedem Fall untrennbar mit unserem zeitlichen Kulturkonzept in westlichen Kulturen verbunden.2
Ebenfalls wesentlich für den Kapitalismus erscheint seine Funktion als soziologisches Kommunikationskonzept und damit Spiegel unserer Gesellschaft. Die Kapitalismuskritiken der letzten Jahre und die...