Frerichs | Stelldichein der Literaten | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 216 Seiten

Frerichs Stelldichein der Literaten


2. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7578-4064-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 216 Seiten

ISBN: 978-3-7578-4064-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dies ist ein Buch für Literatur-Enthusiasten. Die geschilderten Begegnungen mit den Literaten sind überwiegend fiktiver Art; aber sie hätten so oder so ähnlich stattfinden können. Auf diese Weise kommt es zu Gesprächen mit: Thomas Bernhard; Arno Schmidt; Virginia Woolf; Peter Handke; Fernando Pessoa; Robert Walser; Wilhelm Genazino; Dieter Wellershoff; Jürgen Becker; Erasmus Schöfer; Kurt Drawert; Hans Henny Jahnn; Paul Nizon; Hermann Broch; Peter Kurzeck; Karl Mickel und Hermann Hesse. Mich interessierten in erster Linie Facetten ihrer literarischen Praxis, die für mein eigenes Schreiben bedeutsam geworden sind.

Joke Frerichs, geb. 1945, Dr. rer. pol.; Studium der Politikwissenschaft, Soziologie, Philosophie und Germanistik; berufliche Tätigkeit im Feld der Sozialforschung, in Leitungsfunktion und empirischer Forschung; seit 2006 freier Autor und Schriftsteller; zahlreiche literarische Veröffentlichungen (Romane, Gedichte, Essays, autobiografische Texte etc.).

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Der Bildersucher
Ich ging eine Weile kreuz und quer durch das Viertel, in dem er wohnte, um mich umzuschauen. Eine vom Verkehrslärm erfüllte Straße führte stadtauswärts in eine waldige Umgebung. Ich wunderte mich, dass er es in einer derart unwirtlichen Gegend aushielt. Als ich mich an einer Kreuzung umsah, erkannte ich das Café, das ich auf einem Foto gesehen hatte. Ich ging hinüber und das Unerwartete geschah. Als ich das Café betrete, will er gerade gehen. Wir treffen in der Tür aufeinander. Ich muss ihn etwas verwundert angeschaut haben, denn er fragte mich: Kennen wir uns? Ich antworte: Ich kenne Sie; Sie mich wohl kaum. In meiner Verlegenheit frage ich ihn, ob er schon gehen will. Ich habe zu tun; ich muss noch abwaschen. Außerdem kommt meine kleine Tochter gleich nach Hause. Da muss ich anwesend sein. Als ich ihm sage, dass ich ein guter Abtrockner bin, meint er: Dann kommen Sie doch einfach mit! Das Haus liegt ganz in der Nähe. Auf dem Weg dorthin schweigen wir. Die Tür zum Garten ist abgeschlossen. Normalerweise lasse ich Niemanden hier rein. Ich hasse es, von ungebetenen Besuchern überrascht zu werden. Aber wenn sich jemand zum Abtrocknen anbietet, mache ich natürlich eine Ausnahme. Wir gehen durch den Garten ins Haus, in dem es auf den ersten Blick chaotisch aussieht. Überall liegen Bücher herum; ein alter Holztisch mit Papieren und Schreibutensilien; getrocknete Früchte; Pilze; Wanderstöcke; alte Möbel. Er führt mich in die Küche. Auf der Spüle und der Anrichte stapelt sich das Geschirr. Er lässt heißes Wasser ins Spülbecken und beginnt, abzuwaschen. Mit einem Kopfnicken deutet er an, wo die Küchenhandtücher hängen. Beim Abwasch duzt er mich. Er will wissen, was mich in diese gottverlassene Gegend führt. Paris habe doch so viel Schöneres zu bieten. Ich habe einige Film-Dokumentationen über Sie gesehen. Auch das Café kannte ich von daher. Ich habe es wiedererkannt. Hin und wieder habe ich auch Zeitungsberichte darüber gelesen, wie Sie leben. Aber das alles war mir zu voyeuristisch, geradezu stilisiert, als wollten die Journalisten sich selbst ein Denkmal setzen. Da wollte ich mir selbst ein Bild machen. Mir war die eigene Anschauung wichtig, auch, weil ich viel von Ihnen gelesen habe und ich zu der Auffassung kam, man könne einiges von dem nur dann verstehen, wenn man den Ort, wo Sie leben, gesehen hat. Während ich rede, merkt er hin und wieder auf. Vor allem, als ich erwähne, dass ich seine Bücher gelesen habe, denn er sagt: Die Journalisten, die sich hier mitunter tummeln und mir auflauern, scheinen sich in der Tat nur für Äußerlichkeiten zu interessieren. Sie erwarten offenbar Sensationen, wenn sie mich hier heimsuchen. Aber Du siehst ja selbst: hier ist nichts los, worüber man berichten könnte. Umso mehr lassen einige von ihnen ihre Phantasie ins Kraut schießen. Nur selten hat mich einer nach meinen Büchern gefragt. Mich hat auch die Gegend interessiert, die Sie hier umgibt. Einer der Filme zeigt Sie beim Pilze sammeln im Wald. Oder beim Umhergehen. Ich war immer wieder erstaunt, wie es Ihnen gelingt, aus eigentlich belanglosen Ereignissen Literatur zu machen. Im ‚Nachmittag eines Schriftstellers’ spürt man geradezu, wie ein Motiv in Ihnen heranreift, wenn ich das einmal so banausisch sagen darf. Es stimmt, was Du sagst. Obwohl die Erzählung damit beginnt, dass ich aus dem Haus gehe, um abzuschalten. Aber das ist das Eigentümliche an der Schriftstellerexistenz: wir sind immer Beobachter; nehmen wahr; sinnieren darüber und hängen irgendwelchen Formulierungen nach. Die Arbeit ist niemals abgeschlossen. In gewisser Weise macht das den Reiz des Schreibens aus; aber manchmal wäre es mir lieber, ich könnte für den Moment einmal alles vergessen. Das gelingt mir in Ansätzen nur dann, wenn ich Musik höre oder ins Kino gehe. Mir ist aufgefallen, dass Sie recht eigentlich gar nicht so sehr über das äußerlich Wahrgenommene schreiben, sondern mehr über die Befindlichkeiten in Ihrem Inneren. Der äußere Reiz löst die Assoziationen und Reflexionen in Ihnen aus. Auf diese Weise ‚synthetisieren’ sich die Wahrnehmungen mit Ihren jeweiligen Befindlichkeiten. Das hast Du gut beobachtet. Allerdings gelingt mir dies nur, wenn ich gewissermaßen ‚an nichts denke’, was bekanntlich unmöglich ist. Ich will damit sagen, dass ich mich ganz ‚absichtslos’ in Situationen begebe und nicht krampfhaft nach Motiven suche. Ich stelle mir vor, ich wäre der Erste, der etwas über sie erzählt. Ich versuche, eine eigene Sprache für sie zu finden, die ihnen gerecht wird. Das ist die eigentliche Aufgabe für mich als Schriftsteller. Ich habe stets mein Notizbuch dabei, aber es liegt nicht offen da, wenn ich Metro fahre oder im Café sitze. Ich zücke es nur, sobald mir etwas auffällt. Anders würde es nicht funktionieren. Sie sind viel unterwegs; reisen; machen Wanderungen oder Spaziergänge in der näheren Umgebung. Benötigen Sie die ‚Bewegung’, um ins Schreiben zu kommen? * Erst nach dem Abwasch, als er mich zu einem Rotwein einlädt, fragt er, was ich von ihm gelesen habe. Seine direkte Frage bringt mich ein wenig in Verlegenheit, weil ich nicht weiß, womit ich beginnen soll. Um an das vorige Gespräch anzuknüpfen, antworte ich: Wie gesagt: Erst vor kurzem habe ich den ‚Nachmittag eines Schriftstellers’ gelesen. Auch das ist ja eine Erzählung über das Umhergehen. Allerdings mit dem Unterschied, dass Sie bereits Ihre Arbeit getan haben, bevor Sie zu einem Rundgang durch die Stadt aufbrechen. Aber man spürt doch, dass es Ihnen nicht so recht gelingt, ‚abzuschalten’. In der Café-Szene beschreiben Sie Ihre Wahrnehmung der Anwesenden. Sie schildern sie als Wesen ohne Gesichter, die nur aus Rumpf und Gliedern bestehen. Und was mir noch auffiel: Sie scheinen sich vorzustellen, wie es in den Leuten aussieht, die sie beobachten und was diese möglicherweise über Sie denken mögen. Das alles zeigt, dass Sie schon wieder oder immer noch bei der Arbeit sind. Man wartet geradezu auf den Moment, wo Sie ihr Notizbuch zücken. Ja, das ist das ‚Ausbeuterische’ an meiner Arbeit. Wenn Du so willst, benutze ich die Anderen zur ‚Bekräftigung meiner Selbst’. Normalerweise bin ich jemand, der in Ruhe gelassen werden möchte. Die wenigen Bekannten oder Freunde, die ich habe, halte ich auf Distanz, so als ginge es darum, meine ‚Unschuld’ zu bewahren. Erst wenn ich es in meiner Höhle nicht mehr aushalte und mir, wie man so treffend sagt, ‚die Decke auf den Kopf fällt’, suche ich die Gesellschaft Anderer. Aber nicht in dem Sinne, dass ich mich mit ihnen ‚verbrüdere’. Auch da halte ich mich gern zurück, ziehe es vor, eher am Rande zu bleiben und zu beobachten. Auf Gespräche lasse ich mich nur dann ein, wenn sie ernsthafter Natur sind, eine gewisse Intensität haben. Normalerweise geht das nur in einem kleineren, überschaubaren Kreis; ansonsten zerfasern sie. * Nachdem wir einen Moment geschwiegen haben, schlägt er vor, in den Garten zu gehen. Überall liegen Gegenstände herum. Auf den ersten Blick wirkt der Garten verwahrlost. Bei genauem Hinsehen entdeckt man hier und da Stellen, die einst ein Beet gewesen sein mögen. Dort behaupteten sich noch einige Pflanzen und Blumen, die der Verwilderung zu trotzen scheinen. Unter den Obstbäumen liegt verfaultes Obst, das einen fruchtig-fauligen Geruch verströmt. Auch sie sind Teil dieses sich selbst überlassenen Biotops, dessen Geheimnisse und Vorzüge sich dem Betrachter wohl erst nach und nach erschließen. Wir setzen uns an einen alten Holztisch und ich erzähle ihm, dass ich seine ‚Drei Versuche’ unterwegs stets dabei hatte; im Zug, im Flugzeug oder im Café sitzend. Es waren ständige Begleiter, auch, weil sie handlich waren und man sie leicht mit sich führen konnte. Er hörte sich alles an, sagt aber nichts. Gleichwohl merke ich, dass er interessiert zuhört. Als er noch einmal ins Haus zurück geht, um eine neue Flasche Wein zu holen, überlege ich mir, wie ich ihn darauf ansprechen könnte, was es mit dem ‚Bildverlust’ auf sich hat, über den er in seinen gleichnamigen Roman geschrieben hat. Ich vergegenwärtige mir den Sachverhalt noch einmal: In dem Roman, der voller Bilder ist, kam mir der Begriff zunächst seltsam deplatziert vor. Ständig werden wir mit Bildern konfrontiert. Wollte er uns die untergegangene Welt noch einmal vorführen – die Welt, in der es noch Bilder gab? Hatte er sich deshalb auf die lange Reise mit seiner Protagonistin begeben, in eine noch weithin unerschlossene, fast vergessene Gegend in der Mitte Spaniens, einer Wüsten- und Gebirgsgegend, die noch fast unberührt von den Versuchungen der modernen Zivilisation ist? Als er zurück ist, scheint er meine Verlegenheit zu bemerken, sagt aber nichts. Schließlich frage ich ihn ganz unvermittelt, was er...



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