Fischer / Friedrich | Kirche – Volk – Staat – Nation // Church – People – State – Nation | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Englisch, Band 7, 208 Seiten, Format (B × H): 125 mm x 210 mm

Reihe: Leuenberger Texte (LT) - Leuenberg Documents

Fischer / Friedrich Kirche – Volk – Staat – Nation // Church – People – State – Nation

Ein Beitrag zu einem schwierigen Verhältnis // A Protestant Contribution on a Difficult Relationship

E-Book, Deutsch, Englisch, Band 7, 208 Seiten, Format (B × H): 125 mm x 210 mm

Reihe: Leuenberger Texte (LT) - Leuenberg Documents

ISBN: 978-3-374-06022-1
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die erstmals 2001 veröffentlichte Studie widmet sich in exegetischen, historischen und systematischen Analysen sowie Fallbeispielen aus einzelnen Ländern dem spannungsvollen Verhältnis der evangelischen Kirchen zu Staat und Nation. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass der Protestantismus gerade aufgrund seiner Vielfalt und seiner Verwurzelung in nationalen und territorialen Identitäten eine besondere Rolle bei der Einigung Europas zu spielen hat. In Zeiten von Europaskepsis und wachsendem Nationalismus hat sie neue Aktualität gewonnen.

[Church – People – State – Nation. A Protestant Contribution on a Difficult Relationship]
First published in 2001, this study deals with the fascinating relationship of Protestant churches to state and nation. This is shown in exegetical, historical and systematic analyses as well as case studies from different countries. It comes to the conclusion that Protestantism has a special role to play in the integration of Europe, precisely because of its diversity and roots in national and territorial identities. In times of Euroscepticism and growing nationalism, the study has only gained in relevance.
Fischer / Friedrich Kirche – Volk – Staat – Nation // Church – People – State – Nation jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


3 Kirche im Spannungsfeld von Volk, Staat und Nation – historische Einsichten 3.1 Die Reformation im Kontext der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung 3.1.1 Von Anfang an und ihrem Wesen entsprechend wurde die Reformation und damit die Entstehung der protestantischen Kirchen wesentlich von der allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Entwicklung mitbestimmt. 3.1.2 Politisch stand die Reformationsbewegung innerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation in Wechselbeziehung mit Bestrebungen, die Eigenständigkeit herkömmlicher Feudalstrukturen (Fürstentümer und Reichsstädte) zu stärken und auszubauen. Dies geschah mit Hilfe der Behauptung alter Rechtsprivilegien gegen die verschiedentlich vom Kaiser bzw. vom Papst beanspruchte absolute Universalität des Römischen Rechts. Ganz anders sah die Lage aus in den schon seit Jahrhunderten befestigten oder zur Zeit der Reformation neu etablierten monarchischen Nationalstaaten in Skandinavien, Großbritannien, Frankreich oder auf der Iberischen Halbinsel. Dort hat die Staatspolitik den Erfolg bzw. Misserfolg der Reformation wesentlich mitbestimmt – teilweise freilich auch umgekehrt. In Skandinavien, wie auch in England, wurde die Reformation »von oben« durchgesetzt. Dagegen bewirkte in der Schweiz, in Schottland und in den Niederlanden die Reformation eine durchgreifende Neuordnung auch der staatspolitischen Verhältnisse. In Frankreich bildeten die Hugenotten, wenn auch nur vorüber gehend, eine Art »Staat im Staat«. In Portugal, Spanien und im Territorium des heutigen Italiens blieben die Evangelischen eine kleine, lange Zeit diskriminierte und gelegentlich verfolgte Minderheit. Insofern ist die Reformation in einer Vielfalt – auch national geprägter – Reformationen geschichtlich wirksam geworden. Diese Konstellationen brachten je verschiedene Verbindungen von Kirche, Volk und Staat hervor, die bis heute nachwirken. 3.1.3 Kulturell wurden neben der weltweiten Alleingeltung der lateinischen Sprache die Volkssprachen als Schriftsprachen entwickelt. Die von der Dichtung schon länger verwendete Volkssprache (Minnesänger, Troubadours, Trouvères) wurde bewusst stärker betont. Die Bibelübersetzung Martin Luthers hat die Entwicklung der deutschen Hochsprache entscheidend angestoßen. Ähnliches gilt für die Herausbildung anderer Nationalsprachen in verschiedenen Ländern Europas, wie in Ungarn, Tschechien oder Slowenien. Gleichzeitig kultivierten die Humanisten und das Mönchtum die alten Sprachen: das klassische Latein im Gegensatz zu dem in ihren Augen minderwertigen mittelalterlichen Kirchenlatein sowie das wiederentdeckte Griechisch und Hebräisch. Sprachkultur wurde so in jedem Fall in beiden Richtungen gepflegt. 3.1.4 Da sich die Reformation nicht in der gesamten abendländischen Kirche durchführen ließ, konnte sie nur in einzelnen, relativ unabhängigen politischen Gebieten durchgesetzt werden. So führten in Deutschland einzelne Fürsten und die freien Reichsstädte die Reformation ein. Dadurch entstanden in zahlreichen Territorien »Landeskirchen«. Die Fürsten wurden zu »Notbischöfen« und damit faktisch zu Oberhäuptern der Landeskirchen. Das Luthertum entwickelte in der Folgezeit ein einheitliches, relativ geschlossenes Korpus des Bekenntnisses, das in Staaten, die sich der Reformation anschlossen, übernommen werden konnte (z. B. Schweden). Im Bereich der reformierten Kirchen hat sich die Reformation im Rahmen politischer Einheiten auf der Grundlage regionaler reformierter Bekenntnisse, z. B. des helvetischen, schottischen oder ungarischen, vollzogen. Die zahlreichen Migrationsbewegungen in Mitteleuropa führten in vielen Fällen später zu konfessioneller Bestimmung der Nationalität. Reformiert-ungarische und lutherisch-slowakische Gemeinden auf dem Gebiet des heutigen Jugoslawien entstanden zum Beispiel durch Zwangsumsiedlungen Evangelischer nach Siebenbürgen und an die »Militärgrenze« gegenüber den Osmanen durch die Habsburger. 3.1.5 Von Anfang an war es das Anliegen der Reformation, die Heilige Schrift in die Volkssprachen zu übersetzen. Jeder sollte die Bibel selbständig lesen, dem Wort Gottes in seiner Sprache begegnen und sich ein eigenständiges Urteil bilden können. Mit der Volkssprache in der Kirche war es möglich, dass alle Gemeindeglieder teilnehmen konnten an dem, was in der Kirche geschieht. Im Gottesdienst wurde in der Volkssprache gepredigt, Gott im Lied gelobt und zu Gott gebetet. Zwar gab es im Mittelalter durchaus auch Lieder in der Volkssprache, diese wurden aber nur in Gottesdiensten und Andachten neben der Messe verwendet. Seit der Reformation wurde diese Doppelheit aufgehoben und der gesamte Gottesdienst weithin in der Muttersprache gehalten. Deshalb war es den Reformatoren wichtig, die Alphabetisierung des Volkes zu fördern. 3.1.6 Die Reformation war von Beginn an eine auf das Volk ausgerichtete und von ihm auch getragene Bewegung. Sie hat darin – trotz der unterschiedlichen politischen Bedingungen – ein gemeinsames europäisches Kennzeichen. Zugleich verstand sich die Reformation immer völkerübergreifend. In diesem Sinne war sie international. Vor allem die umfangreiche Korrespondenz eines Melanchthon, Calvin oder Bullinger sowie vieler anderer Reformatoren ist ein Beleg dafür. Ihre Briefwechsel erstreckten sich über ganz Europa einschließlich der Orthodoxie und gingen damit bis nach Konstantinopel. Auch die Ausstrahlung der theologischen Fakultäten und Akademien belegt die grenzüberschreitende Wirkung der Reformation. 3.2 Neuzeitliche Entwicklung 3.2.1 Mit der Französischen Revolution bekam der Begriff »Nation« eine neue Bedeutung. »Nation« wurde als neues politisches Subjekt definiert. Im Gegensatz zu anderen Staaten bekam der Nationalismus in Frankreich sein besonderes Gepräge. Denn in den Revolutionskriegen wurde das »Volk« zum kriegsführenden Subjekt. Das Volksheer trat an die Stelle des Berufsheeres früherer Zeiten. 3.2.2 In den Freiheitskriegen entwickelte sich in Deutschland ein starkes Nationalbewusstsein mit antifranzösischen und antiaufklärerischen Zügen. Daran anknüpfend suchte die Romantik nach den mythischen Wurzeln der Völker. Das Interesse an Volksgruppen und nationaler Kultur verstärkte sich. In der Habsburgermonarchie entwickelten mehrere ethnische Gruppierungen ein eigenes Nationalbewusstsein, das sich zum Beispiel in eigener Literatur niederschlug. Diese Entwicklungen beeinflussten auch Kirche und Theologie. 3.2.3 Vor allem in der lutherischen Theologie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts begann man von Staat und Volk als Schöpfungs- und Erhaltungsordnungen Gottes zu reden. Die bei Luther mitschwingenden funktionalen Bestimmungen (Ziel der gesellschaftlichen Ordnung und Aufgabe des Staates ist die Bewahrung des Lebens) wandelten sich zu einer (ontologischen) Auffassung des Staates und des Volkes als von Gott vorgegebenen Größen. Gegenüber der Erkenntnis, dass der Staat dem geschichtlichen Wandel unterliegt, setzte sich die Vorstellung von Staat und Nation als den uns in ihrer geschichtlichen Gestalt von Gott so vorgegebenen und aufgegebenen Größen durch. Dem korrespondiert, dass das Volk als schöpfungsgewollte Größe in einer geschichtstheologischen Wendung auch als Schicksalsgemeinschaft angesehen wurde. Dass es solche, noch dazu auf nationalstaatliche Territorien abgrenzbare »Völker« nicht gibt und die Aufgliederung der Nationen auch das Ergebnis geschichtlicher Entwicklungen und menschlicher Entscheidungen ist, wurde übersehen. 3.2.4 Dazu kam, insbesondere im deutschen Luthertum, eine deutliche Orientierung an paternalistischen Obrigkeitsmodellen (Bündnis von »Thron und Altar«). Gegenüber säkularen Begründungen von Staat und Nation wurde die Einsetzung der Obrigkeit von Gott hervorgehoben. Gegenüber dem neuzeitlichen Individualismus und beginnenden Pluralismus bevorzugte man die Vorstellung von Volk und Nation als lebendigen Organismen. Die Vorordnung der Gemeinschaft vor dem Einzelnen und die Verpflichtung des Einzelnen, sich für das Wohl der ganzen Gemeinschaft einzusetzen, wurden unter Berufung auf (vermeintliche) lutherische Ethik betont. 3.2.5 Zu der Auffassung, dass die Obrigkeit von Gott eingesetzt und vorgegeben ist, trat die sich ebenfalls auf Luther berufende Unterscheidung zwischen geistlichem und weltlichem Regiment. Im Verbund beförderten beide Ansichten eine deutliche Unterscheidung zwischen dem, was Amt der Kirche und was Amt des Staates ist. Sie ermöglichten auch die Unterscheidung zwischen dem Auftrag, der allen Menschen – die Christen eingeschlossen – zur Erhaltung der weltlichen Ordnung gegeben ist, und dem, was Christen in ihrer persönlichen Verantwortung im Licht der Freiheit des Evangeliums geboten ist. Darüber geriet jedoch der Zusammenhang zwischen den beiden Regierweisen Gottes aus dem Blick, was zur Folge hatte, dass dem weltlichen Regiment eine »Eigengesetzlichkeit« zugestanden wurde. 3.2.6 Insgesamt zeigt sich also, dass aufgrund einer Kombination von theologischen Grundausrichtungen (Volkssprache, gemeindeorientierte Kirchenorganisation, bestimmte Auslegungen von Luthers Ethik) und allgemein historischen Entwicklungen »unheilige Allianzen« mit dem obrigkeitlichen Staat und vor allem den neuen Nationalismen geschlossen worden sind. Was in der Reformation Funktionszuweisungen waren, wurde ideologisch überhöht. 3.3 Zur gegenwärtigen Situation 3.3.1 Wie schon erwähnt, gab es im Protestantismus seit der Reformation neben seiner Einbindung in Volk, Staat und Nation immer auch...


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.