E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: BALANCE zur Sache
Sterbehilfe in der Diskussion
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: BALANCE zur Sache
ISBN: 978-3-86739-733-9
Verlag: BALANCE Buch + Medien Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
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Vorwort 9
Sterbehilfe: Gebot der Menschlichkeit oder Anmaßung einer neuen Euthanasie? 12
Die neue Euthanasie 13
Gesellschaftliche Akzeptanz von Sterbehilfe 14
Aufgekündigter Grundkonsens 16
Die Wirklichkeit hinter den Begriffen 20
Untaugliche Begriffe und Benennungen 24
Warum jetzt? 31
Argumentationen prüfen! 35
Vom Töten kranker Menschen 39
Gnade und Barmherzigkeit? 40
Die Euthanasiepraxis in den Niederlanden 45
Versuch einer Standortbestimmung 51
Suizidhilfe, Hilfe beim Suizid, Beihilfe zum Suizid 57
Alles, was Recht ist 58
Organisierte Suizidhilfe in der Schweiz 63
Oregon, USA 76
Der Diskurs in Deutschland 80
Hilfen beim Sterben 1: Trost, Zuwendung, Pflege 87
Der Sekundentod: Sterben ganz ohne Hilfe 88
Der einsame Tod 89
Sterben als langsamer Prozess 90
Sterben in Würde 92
Der Ruf nach palliativen Maßnahmen 94
Hilfen beim Sterben 2:
Schmerzbehandlung und Sedierung 97
Schmerzbekämpfung, ein Gebot der Menschlichkeit 97
Wirkung der Opiate und anderer Schmerzmittel 100
Diffamierung dieser Hilfeform 103
Missbrauch 103
Terminale Sedierung 105
Hilfen beim Sterben 3:
Unterlassen und Abbruch der Therapie 107
Behandlung und Sterben zu Hause 109
Überleben und Sterben in der Klinik 110
Behandlung und Sterben im Heim 112
Die Intensivstation: Chancen, Unwissen und Vorurteile 115
Entscheidungen am Ende des Lebens 118
Vom Abschalten 121
Wo stehen wir, was können wir?
Hoffnungen und Befürchtungen 126
Mediziner im Zielkonflikt 127
Kranke im Zielkonflikt 129
Hilfe beim Sterben: Symptomlinderung und Sedierung 131
'Protahiertes Sterben': Die quälende Verzögerung des unausweichlichen Todes 135
Die Patientenverfügung 147
Zweifel und Streit 147
Gesetzesinitiativen 149
Eine Art Kulturkampf 153
Ist die Patientenverfügung nutzlos? 156
Patientenverfügung und Sterbehilfe 159
Eine Patientenverfügung verfassen. Hinweise und Probleme 165
Was kann man verfügen und was nicht? 165
Das Gesetz zur Regelung der Patientenverfügung 167
Praktische Hinweise 172
Literatur 185
Patientenverfügungen im Internet 191
Die Patientenverfügung (S. 147-148)
Patientenverfügungen sind ein Notbehelf. Sie regeln den Umgang von Kranken mit der Medizin für den Fall, dass sie dazu vorübergehend oder auf Dauer nicht in der Lage sind. Das kann bei akuten Erkrankungen oder nach Unfällen der Fall sein. In der Regel aber ist die Patientenverfügung ein Testament für den Fall des dauernden Verlustes der Urteils- und Geschäftsfähigkeit, sei es durch Bewusstseinsverlust oder Demenz.
Dadurch wird die Patientenverfügung zu einer Grundlage für die medizinischen Entscheidungen am Ende des Lebens; sie wird somit zu einer Verfügung, die das eigene Sterben mitgestalten soll. In der Patientenverfügung legen wir zwar auch fest, wie wir behandelt werden wollen, wenn wir durch Unfallfolgen oder Krankheit daran gehindert sind, unseren Willen zu äußern. Im Wesentlichen aber verfügen wir vorab, wie wir sterben wollen. Wir versuchen zu regeln, wie sich unsere Behandlung und Betreuung am Ende unseres Lebens gestalten soll. Wir verfügen, wie unsere Ärzte und unsere Angehörigen mit uns umgehen sollen, wenn es an unser eigenes Sterben geht. Und wir erwarten, dass diese Verfügungen respektiert und eingehalten werden, wenn es so weit ist.
Zweifel und Streit
Die Einhaltung solcher Verfügungen war bis vor Kurzem keineswegs selbstverständlich. Dafür gab es vor allem zwei Gründe. Zum einen hat eine solche Verfügung psychologisch nicht die gleiche Verbindlichkeit wie die Ad-hoc-Entscheidung eines bewusstseinsklaren, voll geschäftsfähigen Kranken, mit dem sich die behandelnden und verantwortlichen Ärzte über die Tragweite und die Konsequenzen der Entscheidungen auseinandersetzen können.
Zum anderen sind Patientenverfügungen, die ohne fachliche Beratung erstellt wurden, nicht selten unklar verfasst, sodass Zweifel aufkommen können, ob der Kranke im Bewusstsein seiner Situation und des aktuellen Standes der Medizin auch so entschieden hätte. Das gilt vor allem, wenn die Verfügung Jahre zuvor getroffen wurde. Schließlich können Probleme auftreten, wenn die Verfügung Regelungen enthält, die sich im Graubereich bewegen zwischen der Hilfe beim Sterben durch Symptomlinderung und Beendigung zwecklos gewordener therapeutischer Maßnahmen und der Hilfe zum Sterben durch sogenannte aktive Sterbehilfe, durch gezielte vorzeitige Lebensbeendigung, die bekanntlich verboten ist.
Was für einen selbst, aber auch für die Angehörigen und die Behandelnden Klarheit schaffen soll, wenn das Leben zu Ende geht, wird deshalb immer wieder zum Anlass für Zwietracht und für juristische Auseinandersetzungen. Es gibt mittlerweile eine umfangreiche Rechtsprechung dazu, die zu einer gewissen Ratlosigkeit Anlass gibt. Auch der deutsche Bundesgerichtshof hat sich mehrfach geäußert, ohne dass daraus eindeutige Regeln abzuleiten wären. Schließlich hat der BGH im Jahr 2003 dem Gesetzgeber mittelbar aufgegeben, die Verfahrensregeln bei der Umsetzung von Patientenverfügungen klarzustellen (Putz/Steldinger 2009). Das hat der deutsche Bundestag im Juni 2009 getan. Allerdings lässt vor allem der zweite Absatz des neuen § 1901 a BGB erwaten, dass die Gerichte auch künftig genügend zu tun haben werden.