E-Book, Deutsch, Band 1
Reihe: Die Welt der tausend Ebenen
Farmer Meister der Dimensionen
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-641-20270-5
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Welt der tausend Ebenen, Band 1 - Roman
E-Book, Deutsch, Band 1
Reihe: Die Welt der tausend Ebenen
ISBN: 978-3-641-20270-5
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Portal in eine andere Welt
Robert Wolff, pensionierter Universitätsprofessor, hat sich schon lange damit abgefunden, dass sein Lebensabend sehr, sehr ruhig zu werden verspricht. Doch dann besichtigt er mit seiner Frau ein Haus und findet im Keller ein seltsames Horn, das er einsteckt. Als es ihm gelingt, tatsächlich einen Ton damit zu erzeugen, öffnet sich ein Portal durch Raum und Zeit. Wolff findet sich in der Welt der Tausend Ebenen wieder, einem künstlichen Planeten, erschaffen und kontrolliert von Lord Jadawin, dem Meister der Dimensionen. Als dieser auf den Fremden aufmerksam wird, beginnt für Wolff ein gefährliches Abenteuer quer durch alle Ebenen ...
Philip José Farmer wurde am 26. Januar 1918 in North Terre Haute, Indiana, geboren. Die Familie siedelte nach Illinois über, wo Philips Vater einen kleinen Betrieb hatte. Als dieser Mitte der 1930er Jahre pleiteging, musste Philip sein Collegestudium abbrechen und seine Familie mit allerhand Jobs finanziell unterstützen. Er studierte später neben dem Beruf und machte 1950 seinen Bachelor of Arts in Englisch. Danach arbeitete er als technischer Journalist für verschiedene Unternehmen, ehe er 1952 mit seiner Erzählung 'Die Liebenden' schlagartig berühmt wurde. Die Story, die mit dem Hugo Award ausgezeichnet wurde, war zuvor von renommierten SF-Magazinen abgelehnt worden, weil sie von einer sexuellen Beziehung zwischen einem Menschen und einem Alien handelt, was im prüden Amerika der 1950er Jahre für einen Skandal sorgte. Mit Romanen wie 'Fleisch' festigte Farmer sein Image als Tabubrecher; Reihen wie der Flusswelt-Zyklus, für die er seinen zweiten Hugo Award gewann, oder die 'Welt der tausend Ebenen'-Saga befassen sich mit neomythologischen Themen. Philip José Farmer starb am 25. Februar 2009 in seinem Heim in Peoria, Illinois.
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Erstes Kapitel
Der Hauch eines Trompetensignales kam wehklagend von der anderen Seite der Türen herüber. Die sieben Töne waren seltsam kraftlos und weit entfernt, dem Umriss eines silbernen Phantoms gleich – wenn Schall überhaupt der Stoff sein konnte, aus dem Schatten gemacht sind. Robert Wolff wusste, dass kein Horn – oder ein Mensch, der es blies – hinter einer der Gleittüren sein konnte. Vor einer Minute erst hatte er in den angrenzenden Raum geschaut. Dort war nichts außer einem zementierten Fußboden, weißgetünchten Wänden, einer Kleiderstange, Haken, einem Regal und einer Glühbirne zu sehen gewesen. Und doch hatte er die Trompete gehört; schwach, als würde sie hinter einem Wall, der die Welt umschloss, geblasen … Er war allein. Niemand konnte ihm also sagen, ob das, was er gehört hatte, real gewesen war oder nicht. Der Raum, in dessen Eingang er stand, war eigentlich nicht prädestiniert dafür, solch ein gespenstisches Ereignis hervorzurufen. Aber vielleicht war er, Robert Wolff, dafür prädestiniert … Kürzlich hatten ihn unheimliche Alpträume gequält. Und während des Tages waren seltsame Gedanken und fragmentarische Bilder in seiner Erinnerung materialisiert, rasch, lebhaft – und sogar erschreckend. Sie waren unerwünscht, er hatte sie nicht erwartet und konnte ihnen nichts entgegensetzen. Er war besorgt. Er hatte vor, sich aus dem Erwerbsleben zurückzuziehen, wollte sich zur Ruhe setzen, und es erschien ihm ungerecht, ausgerechnet jetzt einen mentalen Zusammenbruch zu erleiden. Wie auch immer – es konnte ihm natürlich passieren, wie es anderen vor ihm schon passiert war. Er musste sich von einem Arzt untersuchen lassen, das war klar. Und doch konnte er nicht so handeln, wie sein Verstand es erforderte. Er hatte sich abwartend verhalten und mit keinem Menschen darüber gesprochen. Mit seiner Frau schon gar nicht. Und jetzt stand er im Aufenthaltsraum eines neuen Hauses in der Hohokam-Wohnanlage und starrte auf die geschlossenen Türen. Wenn das Horn erneut ertönen sollte, würde er eine Tür beiseite schieben und sich davon überzeugen, dass da tatsächlich nichts und niemand war … Und dann, wenn er wusste, dass sein kranker Verstand sich alles nur einbildete, würde er nicht mehr daran denken, dieses Haus zu kaufen. Er würde den hysterischen Protest seiner Frau überhören und zuerst einen Arzt und dann einen Psychotherapeuten aufsuchen. In diesem Augenblick brachte sich seine Frau in Erinnerung. »Robert!«, rief sie. »Bist du nicht lange genug dort unten gewesen? Komm endlich herauf! Ich möchte mit dir und Mr. Bresson reden!« »Einen Moment noch, Liebling«, erwiderte er. Aber sie rief wieder – so energisch dieses Mal, dass er sich umwandte. Brenda Wolff stand am oberen Ende der Treppe, die in den Aufenthaltsraum hinunterführte. Sie war so alt wie er, Sechsundsechzig, und ihre einstige Schönheit lag nun unter Fett, zu vielem Make-up und überpuderten Falten, einer mächtigen Brille und stahlblauem Haar begraben. Wolff zuckte bei ihrem Anblick zusammen. Er tat dies auch, wenn er in den Spiegel blickte und seinen eigenen kahlen Schädel, die tiefen Furchen, die sich von seiner Nase zum Mund zogen, die welke Haut und die geröteten Augen sah. War dies sein Problem? War er nicht fähig, sich mit dem Unabänderlichen abzufinden? Jeder Mensch alterte – ob er nun wollte oder nicht … Oder war das, was ihm an seiner Frau und sich selbst nicht gefiel, weniger der physische Verfall, sondern das Wissen, dass weder er noch Brenda ihre Jugendträume verwirklicht hatten? Es gab keine Möglichkeit, zu verhindern, dass die Zeit ihre Spuren in das Fleisch einbrannte. Eigentlich gab es keinen Grund für ihn, sich zu beklagen. Die Zeit hatte es gut gemeint mit ihm. Er hatte ein hohes Alter erreicht. Er konnte nicht darauf plädieren, zu wenig Zeit gehabt zu haben, um seine Psyche entsprechend zu formen. Die Welt konnte nicht dafür verantwortlich gemacht werden, weil er, Robert Wolff, er selbst war. Er allein war verantwortlich. Wenigstens war er stark genug, um dies zu erkennen und zu akzeptieren. Er machte nicht das Universum dafür verantwortlich. Im Gegensatz zu seiner Frau Brenda zeterte, schimpfte und jammerte er nicht. Dabei hatte es Zeiten gegeben, in denen es leicht gewesen wäre, zu jammern oder zu weinen. Wie viele Menschen mochte es schon geben, die sich an nichts erinnerten, was vor ihrem zwanzigsten Lebensjahr gewesen war? – Er glaubte wenigstens, dass diese magische Grenze des Sich-nicht-erinnern-Könnens sein zwanzigstes Lebensjahr war, da die Wolffs, als sie ihn adoptierten, der Meinung waren, er sähe aus wie ein Zwanzigjähriger. Er war in den Hügeln von Kentucky, nahe der Grenze von Indiana, umhergeirrt. Der alte Wolff hatte ihn schließlich dort gefunden. Er selbst hatte damals weder gewusst, wer er war, noch, wo er herkam. Kentucky und selbst die Vereinigten Staaten von Amerika waren – ebenso wie die englische Sprache – Worte und Begriffe ohne Bedeutung für ihn gewesen. Die Wolffs hatten ihn aufgenommen und den Sheriff benachrichtigt, aber die Ermittlungen der Behörden waren ergebnislos verlaufen. Es gelang nicht, seine Identität festzustellen. Zu einer anderen Zeit hätte diese Geschichte nationales Aufsehen erregt, aber es war Krieg, und die Nation hatte über wichtigere Dinge nachzudenken. Der alte Wolff hatte ihn Robert genannt – nach seinem verstorbenen Sohn. Und irgendwie hatte er, Robert, versucht, dem alten Wolff ein Sohn zu sein, indem er bei der Farmarbeit mithalf und zur Schule ging, da er jegliche Erinnerung – auch bezüglich seiner Ausbildung – verloren hatte. Schlimmer als das Fehlen einer formalen Ausbildung war die Tatsache, dass er nicht wusste, wie man sich »gut« benahm. Immer wieder brachte er andere in Verlegenheit oder verwirrte sie und ließ das daraus resultierende verächtliche und manchmal grausame Verhalten der Leute über sich ergehen. Aber er lernte schnell. Seine Bereitschaft, hart zu arbeiten, sowie seine gewaltige Kraft – die er einsetzte, wenn es darum ging, sich zu verteidigen – brachten ihm schließlich Respekt ein. In erstaunlich kurzer Zeit – als würde er alles lediglich rekapitulieren – brachte er die High-School hinter sich und bestand, obwohl ihm viele Jahre fehlten, die Aufnahmeprüfung zur Universität mühelos. Damals hatte auch sein lebenslanges Liebesverhältnis zu den klassischen Sprachen begonnen: Er bevorzugte Griechisch, da diese Sprache eine Saite in ihm erklingen ließ – und ihn seltsam berührte. Irgendwie hatte er sich in ihr wie zu Hause gefühlt. Nach der Verleihung der Doktorwürde an der Universität von Chicago hatte er an verschiedenen Universitäten des Ostens und Mittelwestens gelehrt – und Brenda geheiratet, ein schönes Mädchen mit liebenswertem Charakter. Wenigstens war sie ihm damals so erschienen. Die Illusion war bald vergangen, aber er war trotzdem einigermaßen glücklich gewesen – und war es noch. Immer aber hatte ihn das Geheimnis seines Gedächtnisverlustes und seiner Herkunft bedrückt. Lange Zeit hatte es ihn nicht gestört, aber jetzt, wo er alt wurde … »Robert!«, rief Brenda lautstark. »Komm endlich herauf! Mr. Bresson ist ein vielbeschäftigter Mann.« »Ich bin sicher, dass Mr. Bresson schon mehrere Kunden bedient hat, die eine Hausbesichtigung in aller Ruhe vorzunehmen wünschten«, antwortete er sanft. »Oder solltest du deine Meinung geändert haben? – Willst du dieses Haus nicht mehr kaufen?« Brenda starrte ihn böse an, dann watschelte sie entrüstet davon. Wolff seufzte. Er wusste schon jetzt, dass sie ihn später beschuldigen würde, er habe sie vor dem Grundstücksmakler absichtlich lächerlich gemacht. Wolff wandte sich wieder den geschlossenen Türen zu. Sollte er es wagen, sie zu öffnen? Es war absurd, hier wie angewurzelt oder unter Schockeinwirkung herumzustehen. Aber er konnte sich nicht bewegen … Und dann erklang das Horn erneut. Wieder hörte Wolff die sieben Töne … Noch immer schien es eine Barriere zu geben, aber der Klang des Hornes war mächtiger geworden. Der Bann, der ihn zur Bewegungslosigkeit verdammt hatte, war gebrochen. Wolff gab sich endlich einen Ruck. Sein Herz hämmerte wie eine innere Faust gegen seine Rippen. Er zwang sich, an die Türen heranzutreten und eine Hand in die messingverkleidete Vertiefung zu legen, die sich in Höhe seiner Taille befand. Dann schob er die Tür beiseite. Das leise Geräusch, das die Tür dabei verursachte, übertönte das Horn. Die weißgetünchte Wand war – verschwunden! An ihrer Stelle klaffte ein Loch und gab den Blick auf eine Szene frei, die er sich unmöglich einbilden konnte, obgleich sein Gehirn sie hervorbrachte. Sonnenlicht flutete durch die Öffnung in den Raum hinein. Und – die Öffnung war groß genug, dass er gebückt hätte hindurchgehen können … Vegetation war zu sehen – eine seltsame Art von Bäumen, die nichtirdischen Ursprungs waren. Die wildwuchernde, fremdartige Natur versperrte ihm teilweise die Sicht. Hinter Zweigen und Blättern konnte er einen leuchtendgrünen Himmel erkennen. Wolff senkte den Blick, um die Szene unterhalb der Bäume in sich aufzunehmen. Sechs oder sieben Alptraumkreaturen waren am Fuß eines riesigen Felsblocks versammelt. Der Fels bestand aus grobem, rotem, quarzdurchsetztem Gestein und war wie ein giftiger Pilz geformt. Die meisten dieser Wesen hielten ihre schwarzen, pelzigen Körper von ihm abgewandt, nur eines präsentierte sein Profil gegen das grüne Firmament. Der Schädel der Kreatur wirkte brutal, nahezu tierisch, ihr Gesichtsausdruck böswillig. Beulen und...