Ewen | Francis Plugs Handbuch für Autoren | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Ewen Francis Plugs Handbuch für Autoren

Roman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-641-16738-7
Verlag: Manhattan
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

ISBN: 978-3-641-16738-7
Verlag: Manhattan
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine brillante Roman-Satire auf den Literaturbetrieb
Francis Plug - Hobbyautor, Berufsgärtner und Sonderling - sorgt für Chaos und Verwirrung, wo immer er auftaucht. Und am liebsten taucht er auf Autorenlesungen auf. Dort sucht er das Gespräch mit literarischen Größen wie Salman Rushdie, Margaret Atwood, Julian Barnes oder Hilary Mantel. Denn Plug sammelt Material für ein großes Buchprojekt: einen Ratgeber für angehende Schriftsteller, der ihnen dabei helfen soll, öffentliche Auftritte zu meistern. Dass Plugs Vorhaben haarsträubend aus dem Ruder läuft, liegt nicht an seinen illustren Studienobjekten. Sondern daran, dass er seinen ärgsten Feind nicht in den Griff bekommt: sich selbst.

Paul Ewen stammt aus Neuseeland und lebt heute in England. Storys von ihm sind in der Anthologie 'British Council's New Writing', dem 'Times Higher Education Supplement' und dem 'Tank Magazine' erschienen. Er hat für das britische Magazin 'Dazed & Confused' geschrieben, verfasst regelmäßig Artikel für die Online-Zeitschrift 'Five Dials' und ist Mitherausgeber von deren neuseeländischer Ausgabe. Paul Ewens erstes Buch, 'London Pub Reviews', war eine Sammlung fiktiver Pub-Kritiken von genialem Witz. Mit 'Francis Plugs Handbuch für Autoren' legt Ewen nun seinen Debütroman vor.

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Das Wasser im Wasserglas von Salman Rushdie perlt. Nein, aus dem Glas von Salman Rushdie steigen Blasen auf. Das Glas selbst rührt sich nicht, es steht reglos auf dem glatten Tisch. Doch aus dem Wasser steigen Blasen auf. Dabei ist es stilles Wasser. Trotzdem entstehen da diese Blasen. Dass es stilles Wasser ist, weiß ich von dem Etikett auf der Wasserflasche, welches eindeutig sagt: Still Spring Water. Ich sitze in der ersten Reihe, mir entgeht nichts. Salman Rushdie hat sein Wasser nicht einmal angerührt, was nicht verwundert. Das Wasser steht bereits seit kurz vor halb sieben auf dem Tisch, Rushdie selbst kam aber erst um 19:07 Uhr. Das Wasser steht also seit annähernd vierzig Minuten dort und kommt allmählich auf Temperatur. Stellen Sie sich bloß mal vor, wie das schmecken muss, vor allem unter diesem gleißenden Licht. Wahrscheinlich nicht anders wie ein warmer Swimmingpool oder ein guter Schluck aus einer Wärmpulle. Ich selbst lasse mir unter der Dusche manchmal das Wasser in den Mund rinnen, aber trinken würde ich es nie, denn mir fallen dabei automatisch die Frosch-Wasserspeier an den Gartenteichen ein. Wasserspeier Marke »Froschkönig« an einem brüllend heißen Tag. Stattdessen speie ich mir das Wasser über den Bauch, der anschließend gründlich mit Seife abgewaschen wird. Denn Bakterien lieben warmes Wasser. Wasserbetten etwa sind eine ideale Brutstätte. Ich habe mal von einem Ehepaar gehört, das jahrelang sein Wasserbett nicht gereinigt hat. Es gibt da spezielle Pflegelösungen, die man regelmäßig zugeben muss, um Krankheitserreger abzutöten. Aber diese Leute haben es einfach nicht gemacht. Vielleicht wussten sie es nicht besser oder haben es verbummelt. Jedenfalls, am Tag des Umzugs wollten sie den Wasserkern der Matratze in die Badewanne entleeren, doch aus dem Ventil gluckerte eine ekelhafte Suppe aus Schuppentieren ohne Augen, aber mit Beinen. Natürlich waren sie geschockt, als diese Kreaturen in ihrer sauberen Wanne wimmelten. Doch das war noch nicht alles. Mit einem schmatzenden Geräusch flutschte zu guter Letzt ein zwei Meter langer, mindestens daumendicker Riesenwurm ans Tageslicht. Darauf hatten sie all die Jahre geschlafen, auf einem Bett voller Wurmgezücht. Daher mein Rat: Trinken Sie auf Autorenveranstaltungen nie das bereitgestellte Wasser, wenn Sie keine Würmer kriegen wollen. Es gibt auch noch andere Risiken. Vielleicht wurde Ihr Wasser in einem unbeobachteten Augenblick vergiftet. Dazu brauchen wir uns nur die Romane von Agatha Christie anzugucken. In ihren Büchern werden andauernd Leute vergiftet. Meistens erfahren wir sogar, welches Gift verwendet und wie es verabreicht wurde. Über die Drinks nämlich. Die Organisatoren des Abends müssten Agatha Christies Giftschrank eigentlich kennen. Und auch, was es mit der Brugmansia auf sich hat, besser bekannt als Engelstrompete und fälschlich bekannt als Datura, eine südamerikanische Pflanze aus der Familie der Nachtschattengewächse. Kennzeichen: trichterförmige, hängende Blüten, starker Nachtduft. Mit wässrigen Auszügen dieser alkaloidhaltigen Pflanze bestreichen die Naturstämme Amazoniens ihre Giftpfeile. Nur ein Idiot erkennt hierin keine Gefahr. Die heutige Veranstaltung sollte eigentlich um 19:00 Uhr beginnen, doch der Moderator, Professor John Mullan, sowie sein Gast, der Schriftsteller Salman Rushdie, nehmen erst zirka sieben Minuten nach sieben an dem leichten Kiefernholztisch Platz. Mir ist schon öfter aufgefallen, dass Schriftsteller nie pünktlich sind. Das dürfte auch der Grund sein, warum Autoren im Gegensatz zu anderen Celebrities keine Mörderkohle mit Werbung für Luxusuhren verdienen können. Ich dagegen war schon um 18:20 Uhr im Shaw Theatre, daher konnte ich mir auch diesen Spitzenplatz – vorn, Mitte – sichern. Wäre nicht gegangen, wenn sie Salman Rushdie in ein TV-Studio eingeladen hätten. Meine Augen vertragen die grellen Scheinwerfer nicht. Nachdem ich also den Spitzensitz mit meinem Mantel reserviert hatte, lief ich durch den leeren Saal und spielte Räuber und Gendarm. Ich war der Räuber und flüchtete durch eine hochgeklappte Stuhlreihe, die Pistole im Ärmel verborgen, bis ich an die Wand kam, wo ich merkte, dass die Flucht hier zu Ende war. Ich wirbelte herum, zog meine Waffe, ballerte wahllos in die Gegend und rief dazu AAARGHH!! Eine Polizeikugel traf mich in den Kopf, und ich stürzte mit dramatisch zuckenden Beinen hintüber in die darunterliegende Sitzreihe. Dies alles ziemlich realistisch und sogar mit echten Verletzungen, das heißt einer leichten Gehirnerschütterung etc., daher machte ich an diesem Tag etwas früher Schluss und schleppte mich mühsam zum Ausgang, aber nicht ohne noch sämtliche Klappsessel der Sitzreihe hochschnellen zu lassen. Ein weiterer Zeitvertreib vor dem Beginn der Lesung besteht darin, den kostenlosen Wein wegzukelchen. Frau am Weinstand: Nanu, Sie schon wieder? FP: Richtig. Aber der Wein war einfach zu süffig. Frau am Weinstand: Und jetzt wollen Sie noch einen? FP: Wenn Sie so freundlich sein wollen. Frau am Weinstand: (Sie hält eine Flasche hoch.) Den Weißen? FP: Ähm, ja, den Weißen. Und den Roten, danke. Frau am Weinstand: Weißwein und Rotwein? FP: Ja, warum nicht? (Lacht nervös.) Frau am Weinstand: Also ein Glas von jedem? FP: Wenn Sie mich so fragen. (Lacht nervös.) Frau am Weinstand: Sie sind früh da. Noch eine halbe Stunde bis zum … FP: Ja. Haben Sie vielleicht auch kaschmirischen Schnaps? Frau am Weinstand: Kaschmirischen Schnaps? Nein. FP: Oder Jod? Frau am Weinstand: Nein, nur Wein. FP: Na gut. Aber enthält irgendein Wein von Ihnen eingelegte Wasserschlangen? Ich meine für die Manneskraft? Frau am Weinstand: Nein, es ist ganz normaler Wein. Aus Trauben. FP: Okay. Vielleicht geben Sie mir gleich die ganze Flasche. Dann müssen Sie nicht dauernd nachgießen … (Lacht nervös.) Frau am Weinstand: Sie wollen eine ganze Flasche? FP: Haha. Ja. Frau am Weinstand: Hmm, eigentlich geben wir nur ein Glas pro Person aus, und Sie hatten schon drei. Drei Glas Wein plus eine ganze Flasche, das macht … sieben Gläser insgesamt … FP: Ja, nicht? Ich bin durstig wie ein Rasen. Rasen hat auch immer Durst. Die leere Flasche Wein parkt neben meinem Schuh, während sich Salman Rushdie über seinen mit dem Bookerpreis ausgezeichneten Roman Mitternachtskinder auslässt. Gerade redet er über die Problematik aktueller politischer Bezüge. Salman Rushdie: Jeder, der schon einmal versucht hat, zeitpolitisches Material in eine Romanhandlung zu integrieren, kennt das. Es ist eine geradezu beängstigende Erfahrung, da sich der Gegenstand ja permanent verändert, egal ob nächste Woche, nächstes Jahr oder in fünf Jahren … Der Sauvignon Blanc bleibt jedenfalls länger kühl als das Wasser von Salman Rushdie. Warum haben ihm die Spacken vom Shaw Theatre nicht einfach eine Karaffe mit Eiswasser hingestellt? Dachten wahrscheinlich, er wäre mit einem Designer-Fläschchen Still Spring Water mehr zu beeindrucken. Mein lieber Schwan, wenn schon so ein Blödspaten wie ich solche Manöver durchschaut, dann kann man die Verärgerung eines Salman Rushdie nur erahnen. Ich meine, anderen Bühnenkünstlern tragen sie die Getränke hinterher, Salman Rushdie muss mit Wasser vorliebnehmen, das riecht wie ein nasser Handschuh auf der Heizung. Was, wenn er es partout nicht runterkriegt und wieder ausspucken muss? Vor allem wohin? In die Hand? Und was dann? Es in der Hosentasche verschwinden lassen? Und wenn die Hand dafür nicht reicht? Es im Mund lassen und gurgeln? Oder diskret im Bart verklappen? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen, dies ist eine Kulturveranstaltung, und Salman Rushdie ist ein Mann des Wortes, wenn nicht von Welt, da achtet man auf seinen Ruf. Kurz und gut, er wird es wohl oder übel schlucken müssen, aber den Rest stehen lassen, sosehr seine Kehle nach dem vielen Reden auch danach dürstet. Denn so viel reden ist er erkennbar nicht gewöhnt, weil er ja Schriftsteller ist, und Schriftsteller reden nicht, sondern sitzen still. Also noch einmal: Rühren Sie bei Ihrer Lesung um Gottes willen kein Wasser an. Die Blasen in Salman Rushdies Wasser sind vermutlich Seufzer. Seufzer, die er als diskreter Mensch über die Nase ausleitet. Ich beschreibe Ihnen jetzt mal die Nase, genau so, wie andere dereinst Ihre Nase beschreiben werden. Es ist beileibe kein monströses Riechorgan, aber es ist nichtsdestoweniger ein Charakterdarsteller. Von Nasenwurzel bis -spitze etwa so lang wie ein modernes Mobiltelefon, ähnelt diese Nase einem umgedrehten Blumensträußchen ohne Grußkarte. Die Nasenlöcher haben die Form zerschmolzener Zifferblätter und sind effektive Ansaug- und Abluftstutzen. Die Marke der modischen Brille, womit diese Nase ausgestattet ist, lässt sich auf den ersten Blick nicht ermitteln, doch eine gezielte Internetrecherche könnte hier Klarheit schaffen. Sein Bart, ein Ding zwischen Henriquatre und Vollbart, ist inzwischen vollständig grau. Der Abend findet vor Live-Publikum statt und wird gleichzeitig für die Nachwelt aufgenommen. Neben der Flasche Still Spring Water befinden...


Ingendaay, Marcus
Marcus Ingendaay, Jahrgang 1958, studierte Anglistik und Germanistik in Köln und Cambridge. Nach Stationen als Reporter und Werbetexter bringt er seit über dreißig Jahren englische und amerikanische Literatur ins Deutsche. Für seine Arbeit erhielt er den Rowohlt-Preis sowie den Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis.

Ewen, Paul
Paul Ewen stammt aus Neuseeland und lebt heute in England. Storys von ihm sind in der Anthologie "British Council’s New Writing", dem "Times Higher Education Supplement" und dem "Tank Magazine" erschienen. Er hat für das britische Magazin "Dazed & Confused" geschrieben, verfasst regelmäßig Artikel für die Online-Zeitschrift "Five Dials" und ist Mitherausgeber von deren neuseeländischer Ausgabe. Paul Ewens erstes Buch, "London Pub Reviews", war eine Sammlung fiktiver Pub-Kritiken von genialem Witz. Mit "Francis Plugs Handbuch für Autoren" legt Ewen nun seinen Debütroman vor.



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