Eucken | Der Wahrheitsgehalt der Religion | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 331 Seiten

Reihe: Classics To Go

Eucken Der Wahrheitsgehalt der Religion


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-98744-570-5
Verlag: OTB eBook publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

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Reihe: Classics To Go

ISBN: 978-3-98744-570-5
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Auszug: Zur Einführung des Werkes mögen nur einige wenige Worte dienen. Es will keineswegs ein System der Religionsphilosophie sein; für ein solches Unternehmen ist die Lage der Gegenwart viel zu verworren und die Stellung der Religion in ihr viel zu unsicher. Was heute not tut, ist vielmehr, solcher Unsicherheit entgegenzuwirken; wie das nicht geschehen kann ohne eine Verständigung über das Wesen und den Wert der Religion, so treibt es zwingend auch zu einer Beleuchtung des Ganzen des Menschenlebens. In der geistigen Anarchie unserer Zeit läßt sich an keinen festen und zugestandenen Punkt anknüpfen, alle Erörterung tieferer Art hat auf die Grundlagen zurückzugehen und von hier aus neu aufzubauen. So mußten auch wir uns aus einer allgemeinen Erwägung des menschlichen Daseins erst Schritt für Schritt zu der Stelle hinarbeiten, wo das Problem der Religion hervorbricht, um sich dann freilich bald als den Mittelpunkt alles Strebens nach Seele und Sinn unseres Daseins zu erweisen.

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II. Die Grundlegung der universalen Religion.
Einleitende Erwägungen.
Eine ungeheure Krise unseres gesamten Lebensbestandes ist es, aus der wir das Problem der Religion hervorwachsen sahen, ein harter Kampf um das Ganze des Lebens drängt mit Notwendigkeit zu der Frage, ob zur Wiederbefestigung unserer geistigen Existenz nicht die Religion zur Hilfe kommen kann, zur Hilfe kommen muß, ob nicht lediglich die Anerkennung der lebendigen Gegenwart einer weltüberlegenen Wirklichkeit das Streben nach einem Gehalt und Sinn unseres Lebens möglich macht. Entspringt aber so das Problem der Religion aus dem Ganzen des Lebens, so wird nur eine solche Religion befriedigen können, die in dieses Ganze wirkt, so werden wir auch bei der Wendung zu dem besonderen Gebiet immer das Ganze im Auge behalten müssen. Wie solche Überzeugung bestimmte Forderungen an die Methode stellt, so treibt sie uns von vornherein über einen Gegensatz in der Begründung und Behandlung der Religion hinaus, der durch die Jahrtausende geht, über den Gegensatz einer Ableitung der Religion vom Intellekt und damit von der Welt her und einer aus besonderen Erfahrungen des menschlichen Kreises im Gefühl oder Wollen. Was dabei zunächst als eine bloße Verschiedenheit der Methode erscheint, das ist in Wahrheit ein Kampf um die Beschaffenheit der Religion; denn es entsprechen die verschiedenen Beweise verschiedenen Arten der Religion, sie entwickeln nur, was im Grunde schon angelegt war. So ist es nicht bloß der Weg zur Religion, sondern die Religion selbst, welche bei diesen Erörterungen in Frage steht. In früherer Zeit, und zwar schon beim Griechentum, überwiegt die Begründung der Religion vom Denken her. Es war das auf seiner Höhe kein bloßes Reflektieren über die Welt, etwa ein Versuch, aus ihrer scheinbaren Zweckmäßigkeit eine weltüberlegene Intelligenz zu erschließen, vielmehr hoffte man zum Kern der Wirklichkeit vorzudringen und hier eine lebendige Einheit zu finden, in die der Mensch sich versetzen könne; in der Erfassung dieser Einheit gewann die Denkarbeit einen religiösen Charakter, ja verwandelte sie sich schließlich in Religion. Am Ende dieses Weges liegt die Mystik mit ihrer völligen Versenkung aller Besonderheit in das All-Eine, ihrer Hingebung der ganzen Seele an das eine allumfassende Ziel. Es wird sich zeigen, daß diese Denkweise eine Wahrheit enthält, von der die Religion nicht lassen kann ohne eng und starr zu werden. Aber das besagt nicht, daß sie von sich aus Religion begründen und mit ihr ein neues Leben eröffnen könne. In Wahrheit erreicht sie Religion nie aus der Kraft des Denkens allein, sondern immer nur, indem unvermerkt ein Fühlen und Aneignen einfließt und die an sich kalten Gebilde des Denkens erwärmt; ein lediglich auf sein eignes Vermögen gestelltes Denken würde sich nie über inhaltleere Formen, über höchst abstrakte Begriffe erheben; ja selbst bei der Ergänzung durch das Gefühl bleibt die Religion, die hier entsteht, gestaltlos und unfähig, aus der einen großen Intuition einen Lebenszusammenhang zu entwickeln. – Dazu kommt ein peinlicher Zweifel, den alle bloß intellektuelle Gestaltung der Religion nicht überwinden kann. Vermag denn das Denken aus eigner Kraft den Sonderkreis des Menschen zu durchbrechen und uns ins Göttliche zu heben? Sind unsere Begriffe mehr als Begriffe des bloßen Menschen? Muß nicht das Denken selbst einem weiteren Lebensgefüge angehören, um eine neue Welt eröffnen zu können? Noch weniger kann nach den Erfahrungen der Jahrhunderte das reflektierende Verfahren genügen, das von dem besonderen Befunde der Welt eine überweltliche Intelligenz erschließt. In der Welt der Erfahrung schien solcher Denkweise zu viel Ordnung, Zweckmäßigkeit und Schönheit vorzuliegen, als daß die eigne Natur der Dinge sie hätte hervorbringen können; so dünkten jene Leistungen ein Zeugnis für die Macht, Weisheit und Güte eines weltüberlegenen Geistes. Dieser Gedankengang gewann viele Gemüter schon im späteren Altertum, er gewann sie im alten Christentum, er gewann sie auch in der Aufklärungszeit, er wird mit seiner Faßlichkeit nicht leicht allen Einfluß verlieren. Aber was immer hinter seiner anthropomorphen Form an Wahrheit stecken mag, den Zweifeln der Gegenwart ist er nicht gewachsen. Schon das empfindet unser wissenschaftliches Zeitalter als einen schweren Nachteil, daß jene Denkweise Religion und Wissenschaft miteinander unversöhnlich entzweit. Denn während die Wissenschaft mit höchstem Eifer bemüht ist, alle einzelnen Vorgänge in Verkettungen zu bringen und aus diesen zu verstehen, muß jene Denkweise die Religion für um so sicherer begründet halten, je unvermittelter sich das ausnimmt, was der Weltanblick an Zweckmäßigkeit zeigt, je schärfer sich einzelne auffallende Erscheinungen vom übrigen Geschehen abheben. Wenn damit jeder Gewinn an wissenschaftlicher und kausaler Erklärung sich der Religion zum Verlust gestaltet, so muß diese sich immer weiter in das noch Unerforschte, als unerforschlich Geltende zurückziehen, ohne doch je eine Gewißheit darüber zu erlangen, daß nicht auch das vermeintliche Mysterium sich schließlich dem aufklärenden Licht der Gedankenarbeit eröffnen werde. – Zugleich aber empfinden wir heute stärker als frühere Zeiten den Anthropomorphismus dieses Verfahrens, das unbesorgt die menschliche Denkform in das All hineinträgt und seinen Befund so erklärt, als hätte ein menschliches Wesen ihn hervorgebracht. – Sodann ist der heutigen Weltbetrachtung im Anblick der Dinge neben allem, was zweckmäßig scheinen mag, so viel Unzweckmäßiges gegenwärtig, so viel Kampf und Leid, so viel starre Gleichgültigkeit gegen menschliche Wohlfahrt und geistige Güter, auch in dem Zweckmäßigen selbst so viel Begrenztheit und Bedingtheit, daß uns der jene Zwecklehre begründende Tatbestand völlig erschüttert ist. – Wenn wir uns aber auch über alle Bedenken hinwegsetzen und das Wirken einer überlegenen Kraft in der Welt anerkennen wollten, hätten wir mit solcher religiösen Weltbetrachtung schon Religion, hätten wir damit ein neues Leben, eine Überwindung des inneren Zwiespalts erreicht? Mag uns also im Befunde der Welt noch so viel rätselhaft bleiben, mögen wir noch so bereitwillig dunkle Tiefen anerkennen, einen sicheren Standort für eine Begründung der Religion gibt uns das nicht. »Das Staunen des Weisen in den Tiefen der Schöpfung und sein Forschen in den Abgründen des Schöpfers ist nicht Bildung der Menschheit zu diesem Glauben. In den Abgründen der Schöpfung kann sich der Forscher verlieren und in ihren Wassern kann er irre umhertreiben, ferne von der Quelle der unergründlichen Meere« (PESTALOZZI). Es war ein Rückschlag gegen die Überspannung des Intellekts, gegen eine Verwandlung der Religion in Spekulation und gegen ein Verfließen des Menschen in die Unendlichkeit, wenn eine Wendung zu den besonderen Erfahrungen des Menschen erfolgte: hier allein schien göttliches Leben unmittelbar hervorzubrechen, von hier aus allein die Religion eine leibhafte Gestalt, eine lebendige Kraft, eine volle Gewißheit zu gewinnen. – Aber auch hier ist das in seiner Wurzel berechtigte Streben bei der Ausführung ins Problematische geraten, es ist das namentlich dadurch, daß das menschliche Leben dabei vom All abgelöst und als ein Sonderkreis behandelt wurde. Denn dann wird nicht nur zu einer schweren, ja unlösbaren Frage, wie etwas einem solchen Sonderkreis Angehöriges über diesen hinausreichen könne, – und dessen bedarf es notwendig zur Religion –, sondern es entstand auch die Gefahr, daß eine derart begründete Religion viel zu sehr den Menschen bei sich selbst festhalte und nicht die nötige Gegenwirkung gegen das Bloßmenschliche übe. Eine nähere Betrachtung der Verzweigung, in die jenes Streben sich spaltet, wird das deutlicher zeigen. Es ist nämlich entweder die weichere Art des Gefühls oder die kräftigere des Wollens, mittels derer diese Wendung zum Göttlichen zu gelangen sucht. Der Mensch vermag sich auf sein Gefühl zurückzuziehen, alle Bindung an die Umgebung abzustreifen, in reinem Fürsichsein, in freischwebender Zuständlichkeit sich allem Weltbefunde weit überlegen und zugleich einer unsinnlichen Ordnung angehörig zu wissen. Schon die bloße Tatsache, daß er sich von aller Verwicklung mit den Dingen befreien und auf eine lediglich bei sich selbst befindliche Innerlichkeit stellen kann, scheint eine größere Tiefe der Wirklichkeit zu erweisen, ein seelisches Reich hinter aller Härte und Sinnlosigkeit der nächsten Welt zu bezeugen. Solches bei sich selbst befindliche Gefühl schien zugleich einen sicheren Prüfstein zu bieten, um über Wahrheit oder Unwahrheit alles Erlebnisses zu entscheiden, hier allein schien das Leben volle Unmittelbarkeit zu gewinnen, hier erst ganz und gar eignes Leben zu werden. So soll an dieser Stelle alles, was sich für Religion ausgibt, seine Echtheit erweisen, auch von hier aus im eignen Bestände Kern und Zutat scheiden. Ja die Ansprüche des Gefühls gehen noch weiter dahin, nicht nur der unfehlbare Prüfstein, auch die schaffende Quelle der Religion zu sein. Bei sich selbst enthält es Wünsche und treibt es Entwicklungen hervor, in denen eine neue, eine göttliche Welt aufzusteigen und uns von aller »Angst des Irdischen« zu befreien scheint. Bei der hier gewonnenen Selbständigkeit des Innern scheint das Verlangen durch sein bloßes Dasein zugleich seine Wahrheit zu erweisen, die Sehnsucht nach Unendlichkeit und Ewigkeit, nach Freiheit, Frieden und Seligkeit unmittelbar die Wirklichkeit solcher Größen und Güter zu zeigen. So erhebt sich ein Reich der Ideale und erklärt sich als die echte Wirklichkeit gegenüber aller bloßen Erfahrung, in der Religion aber faßt es sich zu einem Ganzen zusammen und ergreift allererst die...



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