E-Book, Deutsch, Band 2, 256 Seiten
Reihe: MontanaBlack
Vom YouTuber zum Millionär. Der erfolgreichste deutsche Streamer mit Millionenreichweite auf YouTube und Twitch berichtet über die entscheidenden Jahre seiner Karriere
E-Book, Deutsch, Band 2, 256 Seiten
Reihe: MontanaBlack
ISBN: 978-3-96775-021-8
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
»Erfolg, dachte ich bitter, ist etwas, von dem jeder Mensch träumt. Bis er eines Tages am eigenen Leib erfährt, welchen Preis er hat.«
Nach Jahren der Kriminalität und Drogensucht hat sich Marcel Eris in seinem neuen Leben eingerichtet. Er wohnt auf dem Dachboden seiner Großeltern, hat einen schlecht bezahlten Job im Getränkemarkt und verbringt die Nächte mit Online-Freunden vor der PlayStation. Nur eins fehlt ihm: eine echte Perspektive. Die bekommt er, als er YouTube entdeckt und mit seinen Videos als »MontanaBlack« zu einem Star der Plattform wird.
Doch die Chancen, die sich ihm durch seinen Aufstieg plötzlich bieten, haben einen hohen Preis. Neben Geld, Ruhm und Fans begegnen ihm zunehmend auch die Schattenseiten des Erfolges: Anfeindungen, zerbrochene Freundschaften und gescheiterte Beziehungen, psychische Probleme, Ängste und Panikattacken, die mit seiner steigenden Reichweite einhergehen. Eris wirft einen ehrlichen Blick hinter die Kulissen der YouTube- und Streaming-Welt, die ihm trotz Millionen von Followern noch immer keine innere Ruhe gebracht haben. Eine schonungslose Abrechnung – nicht zuletzt auch mit sich selbst.
Autoren/Hrsg.
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I. NORMALITÄT
Es heißt, dass sich der Mensch in seine Träume flüchtet, um der Realität zu entkommen, aber ich glaube, das stimmt so nicht. Ich glaube, dass unsere Träume vielmehr der erste Versuch sind, unsere Realität zu formen. Wer nicht mehr in der Lage ist zu träumen, dem fehlt die Fähigkeit, über sich selbst hinauszuwachsen. * Ich presste mich gegen die Mauer. Durchatmen. Ausruhen. Nur für einen kurzen Moment. Eddie stand direkt neben mir. Unsere Blicke trafen sich. Wir nickten uns kurz zu. Dann zählte ich runter. Drei, zwei, eins ... Go! Eddie lief voran, ich folgte. Wir blieben geduckt. Überall konnte hier eine böse Überraschung lauern. Das wussten wir beide. Der kleine Ort wirkte wie eine Geisterstadt. Die Atmosphäre war bedrohlich. Die Straßen komplett verwüstet. Überall Trümmerteile. Überall Sperrholz. Überall ausgebrannte Tonnen. Einschusslöcher in den Hauswänden. Kaum vorstellbar, dass hier einmal Menschen gelebt hatten. Der Krieg hatte alles zerstört. »Da drüben«, sagte ich zu Eddie. »Jawoll!« Wir brauchten nicht viele Worte. Wir verstanden uns blind. Wir liefen auf ein ausgebombtes Autowrack zu, das mitten auf der Straße stand. Wir gingen in die Hocke. Suchten Deckung. »Ich habe zwei gesehen«, sagte Eddie. »In dem Gebäude da drüben.« »Sicher?«, fragte ich. »Sicher.« Das Gebäude lag auf der anderen Straßenseite. Riskante Sache. Konnte eine Falle sein. Hatten sie uns schon bemerkt? Wussten sie, dass wir kommen würden? Ich entsicherte meine Waffe. Spürte das Adrenalin durch meinen Körper pumpen. Ich war voll konzentriert. Komplett im Tunnel. Wenn wir das Haus einnehmen würden, dann hätten wir einen perfekten strategischen Ausgangspunkt. Und den konnten wir gut gebrauchen. Also gut. Es ging los. Wir wagten uns aus der Deckung und stürmten das Gelände. Ich rechnete damit, sofort unter Beschuss genommen zu werden. Aber nichts passierte. Es war ungewöhnlich still. Im Hintergrund sah ich Rauch aufsteigen. Egal. Keine Zeit. Weiter, immer weiter. Wir drangen in das Haus ein. Und da standen sie. Direkt vor uns. Kurzer Schockmoment. Für alle. Zwei vollausgerüstete Soldaten in kompletter Kampfmontur. Keine Zeit nachzudenken. Ich reagierte sofort. Instinktiv. Riss meine Waffe hoch, nicht nachdenken, handeln, schießen oder erschossen werden. Ich drückte ab. Hörte das Rattern der Maschinenpistole. Spürte den Rückstoß. Treffer. Mein Gegenüber sackte zusammen. Ging zu Boden. Dann hörte ich Schüsse direkt neben mir. Drehte mich um. Eddie hatte ebenfalls einen erledigt. Perfekt! Ich lud meine Waffe nach. Suchte Deckung hinter einem der Stützpfeiler. Dann schaute ich auf die Uhr. Es sah gut aus. Es war eine mehr als knappe Kiste, aber wir schienen das hier zu gewinnen. Ich schaute nach draußen. Auf die freie Fläche. Sah zwei unserer Jungs, die einen weiteren Gegner einkesselten. Er hatte sich hinter einem Kistenstapel verschanzt. Die Zeit lief. Egal, dachte ich. Den schnappen wir uns auch noch. Ich ging auf Risiko. Rannte los. Rannte und rannte. »Mach nicht, Monte!«, hörte ich Eddie noch rufen. Aber ich wollte den Kerl abschießen. Er war in die Ecke gedrängt. Wir würden ihn erwischen. Ich war mir sicher. Ich lief auf die offene Straße, lief vorbei an dem Autowrack, vorbei an der durchlöcherten US-Fahne, sah meine Jungs, lief auf sie zu und ... Scheiße! Was war das? Ich ging zu Boden. Es hatte mich erwischt. Aber wer? Wo? »Scharfschütze«, hörte ich Eddie. Na klar. Scharfschützen. In diesem Ort wimmelte es nur so von Scharfschützen. Es gab hier einige Möglichkeiten, sich hinter irgendwelchen Fenstern in Türmen zu verstecken und dann einfach jeden, der sich auf offener Straße bewegte, abzuknallen. Scheiße! Ich schmiss den Controller auf den Schreibtisch und zog mir mein Headset runter. Scheiße, scheiße, scheiße! Diese blöden Wichser! Ich schaute auf den Counter, er lief runter. Sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins. Die Runde war beendet. Ein Sieg. Ja. Aber es war verdammt knapp. Und mein Last-Minute-Tod hätte uns fast den Gesamtsieg gekostet. Ich brauchte ein paar Sekunden, dann hatte ich mich wieder gefangen, setzte das Headset wieder auf und jointe in unseren kleinen Chatroom. »Verdammt knappe Kiste …« »Marcel macht wieder Alleingänge, oder wie?« »Marcel heute lebensmüde.« Ja, ja. Sollten sie nur reden. Ich schaute auf die Uhr. Es war bereits 4:30 Uhr. Scheiße. »Jungs, ich muss langsam mal raus«, sagte ich. »Jetzt schon? Scheiß dich nicht ein«, sagte einer. »Eine Runde noch …« Ich wippte mit meinem Fuß. Es war schon wirklich sehr, sehr spät. Aber okay. Scheiß drauf. Eine Runde noch. Ich lehnte mich ganz tief in dem alten Ledersessel zurück, den Opa mir geschenkt hatte. Sein alter TV-Stuhl. Wir einigten uns auf eine Map, warteten, bis eine gegnerische Gruppe jointe – und spielten weiter. Es war immer dasselbe. Nacht für Nacht. Es war immer dasselbe. Wir spielten CoD – Call of Duty. Eine wahnsinnig populäre Ego-Shooter-Reihe. Wir konzentrierten uns nur auf den Multiplayer-Modus, wo man in einem Team aus echten Spielern online gegen ein anderes Team aus echten Spielern antreten konnte. Eine Runde dauerte rund zehn Minuten, dann ging wieder alles von vorne los. So lief das die ganze Nacht. Jeden Abend nach 22:00 Uhr traf ich mich hier mit meinen Freunden. Meinen Online-Freunden. Menschen, die ich in der Realität zwar noch nie gesehen hatte, aber das war egal. Das hier, das war meine Crew. Eine Gruppe von ganz speziellen Typen. Alles erwachsene Männer, die mit beiden Beinen fest im Leben standen. Die Kinder und Familie hatten. Ich war mit meinen zweiundzwanzig Jahren noch einer der Jüngsten. Aber uns alle verband nicht nur die Liebe zum Spiel. Für uns alle war das hier ein Paralleluniversum. Eine Flucht in eine Welt, in der man wieder ein bisschen Kind sei durfte. Wo man unter sich war. Ein kurzer Ausflug aus der Realität, die ansonsten doch sehr grau war. »Yalla, los«, sagte ich, und das nächste Spiel begann. * Die lange Nacht rächte sich am nächsten Morgen. Aus der wirklich letzten Runde waren drei weitere wirklich letzte Runden geworden. Und jetzt riss mich mein Wecker aus dem viel zu kurzen Schlaf, brachte mich von den Schlachtfeldern der chinesischen Grenzregion zurück, direkt in die unbarmherzige Realität. In meinen eigentlich sehr grauen Alltag, der kaum Abwechslung kannte. 9:00 Uhr. Viel zu früh. Ich griff nach dem Wecker und wischte ihn mit einer Handbewegung vom Nachttisch. Verdammte Scheiße! Da lag er nun, weit weg, tief am Boden, absolut außerhalb der Reichweite meines Armes – und schrillte weiter. Aber na gut, es half ja alles nichts. Hier war ich also, zweiundzwanzig Jahre alt, total übermüdet, aber bereit zu tun, was getan werden musste. Ich kämpfte mich aus meinem Bett, bückte mich, riss die Batterien aus dem Wecker und zog die Vorhänge auf. Die Sonne blendete mich. Ich kniff die Augen zusammen. Das grelle Licht offenbarte ganz nebenbei das Chaos, das sich in den vergangenen Nächten in meinem kleinen Dachbodenzimmer ausgebreitet hatte. Der Raum war ein einziges Schlachtfeld. Auf dem Boden Chipstüten und Monster-Dosen, auf dem Schreibtisch Pizzareste und die Krümel undefinierbar gewordener Lebensmittel. Ich atmete tief durch und zog die Vorhänge rasch wieder zu. Ich wollte das ganze Elend jetzt nicht sehen. Scheiß drauf, ich würde mich heute Abend darum kümmern. Ich schleppte mich ins Badezimmer und machte mich frisch, es gab jetzt andere Dinge zu erledigen. Nachdem ich mich mit einer kalten Dusche halbwegs auf Betriebstemperatur gebracht hatte, schaute ich in den Spiegel. Nein, ein Kriegsheld war ich nur im Spiel. Aber irgendwie gab es Tage, in denen ich mich trotzdem wie ein Veteran fühlte. Wie jemand, der schon sehr viel gesehen und erlebt, wie jemand, der schon sehr viel hinter sich hatte. Ich legte den Kopf schräg und betrachtete mich selbst. Ja, ich war ein Überlebender. Ich hatte eine wilde Jugend hinter mir. Eine Jugend, die mich fast das Leben gekostet hätte. Drogen. Obdachlosigkeit. Entzugsklinik. Es war alles noch gar nicht so lange her. Erst vor einigen Monaten hatte mein Leben so etwas wie eine wirklich feste Struktur bekommen. So etwas wie einen richtigen Alltag. Etwas, an das ich mich klammern konnte. Vielleicht, dachte ich, war ich mir heute sehr viel näher, als ich es mir je hätte vorstellen können. Und plötzlich erinnerte ich mich wieder zurück ... Klassenraum. Grundschule. Erster Tag nach den Sommerferien. »Stuhlkreis«, sagte meine Lehrerin, eine ältere, herzliche Frau, und klatschte zweimal in die Hände. Wir nahmen unsere Stühle und bildeten in der Mitte der Klasse einen kleinen Kreis. »Ich möchte mit euch über eure Zukunftspläne...