Enright | Alles, was du wünschst | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Enright Alles, was du wünschst

Erzählungen
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-641-03424-5
Verlag: DVA
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Erzählungen

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-641-03424-5
Verlag: DVA
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Lebenspralle Geschichten von der Booker-Preisträgerin
'Es ist das große Rätsel der Menschheit: Was Männer wollen. Und was sie anzurichten bereit sind, um es zu kriegen.' 'Alles, was du wünschst' versammelt neunzehn Geschichten der Booker-Preisträgerin Anne Enright, Geschichten über das Chaos der Liebe und über den manchmal doch nicht ganz so kleinen Unterschied, Geschichten voller Lebenskraft, die ihren dunklen Kern meisterhaft hinter einer strahlenden Hülle zu verbergen wissen.Kitty arbeitet in der Bettenabteilung eines Kaufhauses. Gerade wurden Rolltreppen installiert, eine große Neuerung, an die sie sich nicht so recht gewöhnen mag, aber es ist sowieso nichts mehr los bei den Betten. Die Kunden scheinen dringend Schlaf zu brauchen - von Verliebtheit keine Spur. Doch mit dem Auftauchen der Rolltreppen nimmt plötzlich auch Kittys Leben Fahrt auf: Sie, bereits über vierzig, ist noch einmal schwanger geworden! Da bleiben eines Tages die Rolltreppen stehen ...Die Irin Anne Enright spricht auf unerschrockene Art und Weise aus, wie es im Leben vieler Frauen aussieht. Frauen, die von den Geistern des Lebens verfolgt werden, das sie hätten führen können, die Möglichkeiten erahnen und doch zu sehr in ihrem Alltag gefangen sind, um sie zu ergreifen. Ein faszinierendes und zugleich verstörendes Leseerlebnis, so präzise und bildstark wie Enrights preisgekrönter Roman 'Das Familientreffen'.

Anne Enright, 1962 in Dublin geboren, zählt zu den bedeutendsten englischsprachigen Schriftstellerinnen der Gegenwart und wurde 2015 zur ersten Laureate for Irish Fiction ernannt. »Das Familientreffen« (2007) wurde unter anderem mit dem renommierten Booker-Preis ausgezeichnet, ist in gut dreißig Sprachen übersetzt und weltweit ein Bestseller. Für »Anatomie einer Affäre« (2011) erhielt sie die Andrew Carnegie Medal for Excellence in Fiction, für »Rosaleens Fest« (2015) den Irish Novel of the Year Prize. »Vogelkind«, ihr achter Roman, stand auf der Shortlist des Women's Prize for Fiction und errang den Writers' Prize for Fiction 2024.

Enright Alles, was du wünschst jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Blasse Hände, die ich liebte, neben Shalamar An einem Samstagabend vor Weihnachten hatte ich mit einem Typen Sex und gab ihm meine Nummer. Er hatte etwas an sich, was mich hätte ahnen lassen können, dass er genau die Sorte Mann war, die anruft. Als Fintan ans Telefon ging, war ich ausnahmsweise einmal fast dankbar. Durch die Schiebetür konnte ich ihn hören. »Ja, sie ist da. Sie ist in der Küche und isst gerade was Totes.« Dann: »Nein, ich bin kein Vegetarier.« Und dann: »Was Totes eben. Ich meine Typen wie dich.« Ich sagte: »Gib mir den Hörer, Fintan.« Als das Gespräch beendet war, warf ich den Rest meines Abendessens weg, ging ins Wohnzimmer und setzte mich. Fintan sah sich einen Dokumentarfilm über Flughäfen an, der sich als ziemlich witzig erwies. Als der Film zu Ende war, stand ich auf, um ins Bett zu gehen, und Fintan blickte zu mir auf und sagte: »Geh du nicht sanft.« Und ich antwortete: »Gute Nacht, Fintan. Gute Nacht, Liebling. Gute Nacht.«  
Beinahe wäre ich mit Fintan gegangen, das war, bevor ihm die Diagnose gestellt wurde. Jetzt wohnen wir zusammen, und die Leute fragen mich: Ist das nicht ein bisschen zu gefährlich? Dabei ist er der sanftmütigste Mann, den ich kenne. Die Aschenbecher waren das größte Problem, immer dieser Dreck. Schließlich sagte ich es ihm eines Tages beim Abwasch, und er verschwand für eine Woche. Dann war er eines Abends wieder da und saß auf dem Sofa, in der Hand eine Messingdose mit einem abscheulichen Sprungdeckel. Ich fragte: »Wo hast du die denn her, aus Indien?« Er sah mich nur an. Jetzt hört man ihn überall im Haus klicken und klacken. Es ist, als asche jemand in eine Mausefalle hinein, was mich aber noch immer lächeln lässt. Ansonsten kann ich nicht klagen. Zwar wäre es mir lieber, er würde seine Klamotten öfter mal waschen, aber ich glaube, mit dem Geruch fühlt er sich wohler. Ich mich im Grunde auch. Er erinnert mich an die Zeit, als ich ihn fast geliebt hätte, damals im College, als es den ganzen Tag regnete, als niemand Heizung hatte und man einem Mann als Erstes den Rüssel unter den Pullover steckte und schnüffelte. Heute ist er dünner, und seine Hände zittern. Im Haus behält er seinen Mantel an und verbringt viel Zeit damit, mitten im Zimmer die Luft anzustarren – nicht die Decke oder die Wände, sondern die Luft selbst. Aber auf so was darf man nicht vertrauen. Ich wäre die Letzte, die das tut. Persönlich glaube ich, dass er keiner Fliege was zuleide tun könnte, trotzdem überprüfe ich seine Medikamente, wenn er nicht da ist. Und doch stimmte, was er an dem Abend gesagt hat, als das Telefon läutete – ich aß gerade was Totes. Ich saß in der Küche, wo das Kondenswasser an der schwarzen Fensterscheibe herunterlief, und stocherte in der Carbonara herum, als handele es sich um sämtliche Männer, die ich verschlissen oder verpasst hatte. Sämtliche Männer, die ich verpasst oder denen ich den Laufpass gegeben hatte. Wenn’s ein Lied wär, könnte man’s singen. Wenn’s ein Lied wär, könntest du’s noch einmal spielen, Sam. Ich ging raus, griff nach dem Hörer, sagte »Hallo?« und starrte Fintan so lange an, bis er die Diele räumte. »Tut mir leid.« »Bist du’s?«, fragte der Typ am anderen Ende. »Bist du’s?« Dann stellte er sich vor – ziemlich merkwürdig, wenn man bereits miteinander im Bett gewesen ist. Anschließend wollte er sich mit mir »verabreden«. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Als ich anfing auszugehen, gab’s so was nicht. Man traf die Leute ganz zufällig. Man blieb noch auf einen Drink, dann, wieder durch Zufall, bis zur Sperrstunde und schließlich, durch ein Wunder, durch ein Ungeschick, durch ein Versehen, einen Ausrutscher, die ganze Nacht. (Ich kann euch sagen, das war ganz schön schlimm, so ein Ausrutscher, ein richtiger Unfall. Genauso schlimm wie mit dem Auto.) Das ungefähr dachte ich in der Küche, während die Pasta durch Ei und Sahne glitschte. Wie bringe ich es bloß fertig? Wie baue ich mit dem gottverdammten Wagen einen Unfall? »Wie wär’s mit Freitagabend?«, fragte er. »Wie bitte?« »Oder Mittwoch?« In der Dunkelheit der Diele schaute ich in einem imaginären Kalender nach und lauschte dem Besetztzeichen noch eine Weile, nachdem der Typ aufgelegt hatte. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn mochte. Das war alles. Das Abendessen mit ihm war schon seltsam. Ich sollte aufhören, über mein Leben zu jammern, aber ich saß in einem Restaurant mit roten Samtvorhängen, weißen Leinentischdecken und teuren, geziert lächelnden Kellnern, spielte mit meinem Fischmesser und fragte mich: Wozu das alles? Danach gingen wir zu ihm, und ich spürte, wie mitten im Sex die Migräne einsetzte. Es hätte nett sein können – ich hab nichts gegen Sex -, aber mit der beginnenden Migräne kam es mir vor, als befinde er sich weit weg von mir, und jeder Stoß ließ mein Hirn flackern, bis ich ganz klein war und mich irgendwie auf dem Grund meines eigenen Brunnens zusammenrollte. Natürlich war er sehr fürsorglich und bestand darauf, mich nach Hause zu fahren. Die Männer sagen immer, sie wollen zwanglosen Sex, aber wenn man Vielen-Dankgute-Nacht sagt, sind sie zutiefst beleidigt, meiner Erfahrung nach. Er strich mir über die Wange und fragte, ob er mich wiedersehen könne, und als ich Ja sagte, entsperrte er mit einem Fauchen und einem Klicken die Zentralverriegelung und ließ mich gehen. In der Küche trank ich vier Tassen superstarken schwarzen Kaffee und ging ins Bett. Und wartete. Am nächsten Tag kam irgendwann Fintan ins Zimmer und zog die Vorhänge zu, weil ein schmaler Lichtstrahl hereinfiel. Als er das Licht ausgesperrt hatte, war ich so froh, dass ich anfing zu weinen. Eine Migräne ist etwas Unglaubliches. Man liegt da und kann es nicht glauben. Man liegt da, starr vor Unglauben, wie ein Atheist in der Hölle. Fintan machte es sich auf einem Stuhl neben dem Bett bequem und begann mir etwas vorzulesen. Ich hatte nichts dagegen. Ich hörte alles und verstand alles, trotzdem rauschten die Wörter an mir vorbei. Er hielt mein Exemplar von Alice im Wunderland aus Kindertagen in den Händen, und ich fragte mich, ob die Farben früher auch schon so kräftig gewesen waren: Alice’ Haar ein schreiendes Gelb, der Flamingo in ihren Armen rosa gefiedert. Er kam zu der Stelle, an der es um die drei kleinen Schwestern geht, die auf dem Grunde eines Brunnens lebten – Hilde, Else und Trine. Und wovon lebten sie? Von Karamell. »Das ist aber nicht gut möglich, oder?«, bemerkte Alice dazu sanft, »sie wären ja auf Dauer krank davon geworden.« »Das waren sie auch«, sagte die Haselmaus; »sehr krank sogar.« Ich lächelte, von Selbstmitleid überschwemmt. Und plötzlich roch ich es, klar und deutlich, es roch nach Karamell, es war wie ein Witz. Das ganze Zimmer war voll davon. Süß und verbrannt. Eine Erweiterung der Luft: ein Kieselstein, der in den Teich meines Hirns gefallen war und der dafür sorgte, dass, als die letzte Kräuselung sich geglättet hatte, der Schmerz verschwunden oder zumindest im Verschwinden begriffen war. Der Schmerz war wieder bloße Möglichkeit. »Oh«, machte ich. »Was?«, fragte Fintan. Im Halbdunkel sah er mich an. Da läutete unten das Telefon. Ich wollte aus dem Bett steigen, doch Fintan hielt mich zurück, einfach durch die Art und Weise, wie er neben mir auf dem Stuhl saß.  
Ein paar Wochen später hatte ich Streit mit ihm, schob lautstark sein schmutziges Geschirr in der Küche zusammen. Möglich, dass Fintan ein Problem mit Wasser hat. Möglich, dass alle Männer ein Problem mit Wasser haben. Eines Tages wird man das dafür verantwortliche Gen ausmachen, in der Zwischenzeit aber wünsche ich mir ein besseres Leben. Natürlich verteidigt sich Fintan nie, sodass es bei dem Streit stets um etwas anderes geht – etwas, das sich nicht recht fassen lässt. Es geht um alles. Ja, wollte ich sagen, er ist verheiratet. Allerdings lebt er ganz und gar – auch gerichtlich – getrennt von einer Frau, die immerzu krank ist; von einer Tochter, die intelligent ist, aber nicht essen mag; und von einer weiteren Tochter, die sein ganzer Stolz und seine ganze Freude ist. Ich mochte ihn, er gab sich Mühe. Jedes Mal, wenn wir uns trafen, brachte er mir ein Geschenk mit, das zwar meist nicht nach meinem Geschmack, aber doch »geschmackvoll« war, klein und teuer, wie ein Moment aus einem Fünfzigerjahre-Film. Und im Bett herrschte erstaunliche Dunkelheit. Das musste einfach erwähnt werden. Wenn er sich von mir wegdrehte, hatte ich das Gefühl, dass er über nichts nachdachte, dass es keine Worte in seinem Kopf gab. Er rollte die Augen dann in ihren Höhlen, und die zunehmende Dunkelheit war ihm eine Wonne. Es war, als sähe man einem Mann beim Sterben zu. Es war, als...


Enright, Anne
Anne Enright, 1962 in Dublin geboren, zählt zu den bedeutendsten englischsprachigen Schriftstellerinnen der Gegenwart und wurde 2015 zur ersten Laureate for Irish Fiction ernannt. »Das Familientreffen« (2007) wurde unter anderem mit dem renommierten Booker-Preis ausgezeichnet, ist in gut dreißig Sprachen übersetzt und weltweit ein Bestseller. Für »Anatomie einer Affäre« (2011) erhielt sie die Andrew Carnegie Medal for Excellence in Fiction, für »Rosaleens Fest« (2015) den Irish Novel of the Year Prize. »Vogelkind«, ihr achter Roman, stand auf der Shortlist des Women's Prize for Fiction und errang den Writers' Prize for Fiction 2024.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.