Ein Plädoyer für Frieden, Freiheit und die Weiterentwicklung unserer Demokratie
E-Book, Deutsch, 294 Seiten
ISBN: 978-3-7575-0176-1
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Nickolas Emrich wurde 1987 in Berlin geboren. Er ist in Berlin-Kreuzberg aufgewachsen und machte 2006 sein Abitur. Danach studierte er Rechtswissenschaften, schloss das Studium als Bachelor of Laws ab und war danach fünf Jahre mit mehreren Geschäften in Berlin, Hamburg und Kiel unternehmerisch tätig.
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2. Meine Zwischenbilanz Nach meinen bisherigen Ausflügen in die Politik begann ich, mir Gedanken über das Wesen der Politik zu machen. Ich betrat also eine Art Metaebene und stellte mir folgende Frage: Wieviel Politik ist überhaupt notwendig und wie sollte diese Politik dem Menschen idealerweise dienen? Hierbei ging es mir weniger um eine politische Richtung, also rechts oder links, ökologisch wertvoll versus konservativ bewahrend oder maximal sozialverträglich, sondern eher um eine grundsätzliche Haltung und die daraus resultierende Frage: Wie viel Politik braucht man eigentlich überhaupt? Hier kam ich schnell zu dem Schluss, dass für mich weniger mehr ist, dass ich eigentlich für eine Politik mit weniger Politik bin. Die Abwesenheit von Politik schien aus meiner Sicht das Beste zu sein. Ich mochte Linke und Konservative beide nicht wirklich, denn beide mischen sich gerne in das Leben anderer Leute ein, wenn auch mit anderen Zielen, und es war genau das, was ich nicht mochte. Denn in meinen Augen bedeutet Politik auch immer eine Form von Herrschaft, denn sie sagt uns, wo der Hase langläuft und was wir dafür zu tun und zu lassen haben. Herrschaft ist in meinem Verständnis auch immer gleichbedeutend mit Gewalt und Gewalt finde ich falsch. Auch meint Herrschaft immer Einmischung, denn sie legt Richtlinien für das individuelle Verhalten fest, definiert richtig und falsch im Rahmen ihres Grundverständnisses von „Gemeinwohl, Zusammenhalt und Freiheit”. An dieser Stelle will ich bislang politisch Erreichtes nicht kleinreden: Unser politisches System in Deutschland, Europa und anderen entwickelten Gebieten ist nicht per se schlecht, im Gegenteil, es wurde vieles erreicht, gerade in den letzten Jahrzehnten. Wir haben eine verbesserungswürdige, aber funktionsfähige Demokratie, es herrscht Gewaltenteilung und das Recht auf individuelle Freiheit, freie Meinungsäußerung und Selbstbestimmung. Das war tatsächlich einmal ganz anders. Aber manchmal denke ich, dass Freiheit bei uns tatsächlich mit einem etwas größeren F geschrieben werden könnte. Es ist freier als anderswo, aber es ist noch nicht frei genug. Vieles wird bei uns durch Pflichten geregelt. Dazu gehört die Schulpflicht, man ist steuerpflichtig, es gibt die Meldepflicht und die Ausweispflicht. Nicht zu vergessen, die Pflicht, Rundfunkbeträge zu entrichten. Und die Pflicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung für Angestellte. Weitere Pflichten werden gerade heiß diskutiert, wie etwa die Rentenversicherungspflicht für Selbständige, die Impfpflicht oder die Pflicht für junge Menschen, ein soziales Jahr zu absolvieren, welches zurzeit noch freiwillig ist. Oder ein Pflicht-Ticket für den ÖPNV. Es gibt den Hang vieler Menschen, das unerwünschte Verhalten anderer kriminalisieren zu wollen. In den USA sind ganze Gefängnisse gefüllt mit Menschen, die Drogen konsumiert haben und erwischt wurden. Historisch gilt dies auch für Homosexualität, wenn man bedenkt, was Homosexuellen durch staatliches Gesetz in der Vergangenheit angetan wurde. Das können sich junge Menschen in Europa kaum noch vorstellen, dass Homosexualität staatlich untersagt war. Ein gutes Beispiel dafür, dass ein Gesetz nicht immer Gerechtigkeit bedeutet. Der Staat kann auch Unrecht in Gesetzesform gießen – und hat dies auch schon oft getan. Nach der Phase der Sanktionierung folgte dann noch eine Phase der Diskriminierung. Erst mit dem im Oktober 2017 in Kraft getretenen „Eheöffnungsgesetz” ist es auch gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt, zu heiraten. Davor war das nicht möglich, sie konnten lediglich eine eingetragene Lebenspartnerschaft schließen, waren also nicht gleichgestellt, sondern „irgendwie anders”, ein Status, den ganz klar die Politik mit ihren Regeln und Gesetzen zu verantworten hatte und der mit Sicherheit noch bis heute nachwirkt. Wie bei allen Gesetzen gibt es oft klare Befürworter und erbitterte Gegner. Die Befürworter argumentieren in der Regel mit dem Schutz und Wohl der Gesellschaft, die Gegner wollen sich nicht vorschreiben lassen, was sie zu tun und zu lassen haben. Die nachfolgende Feststellung ist natürlich nicht wissenschaftlich, aber ich habe oft bemerkt, dass sich viele Menschen merkwürdig uneinig sind, d. h. ohne roten Faden von Thema zu Thema springen und mal so und mal anders entscheiden. Da gibt es Leute, die explizit gegen eine Corona-Impflicht sind, aber mit einer Wehr- bzw. Dienstpflicht liebäugeln – oder umgekehrt. Oder sie ärgern sich über zu hohe Sozialabgaben, befürworten aber andererseits die Rentenversicherungspflicht für Selbstständige. Oder sie sind gegen Rundfunkbeiträge, aber finden ein Pflicht-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr ganz toll. Viele Menschen suchen sich je nach Thema einfach eine neue Meinung aus. Das kann man natürlich machen. Man sucht sich das heraus, was für einen selbst das Beste ist – und fordert das. Konsequent ist es aber nicht. Die Grundfrage dahinter, nämlich nach Kollektivismus oder Individualismus, wird oft nicht reflektiert. Es geht darum, ob man Menschen mit Gesetzen zu etwas zwingen sollte – oder eben nicht. Viele schauen, was für sie nützlich ist und haben im Ergebnis einen total wirren Meinungscocktail. Wer die Wehr- oder Dienstpflicht für alle fordert, sollte sich aber nicht beschweren, wenn plötzlich eine Impfpflicht gilt. Wer Zwang im Sinne der Mehrheit in einer Sache befürwortet, sollte sie nicht in einer anderen Sache ablehnen, bloß weil es ihn dort plötzlich betrifft. Das heißt nicht, dass man nicht für sich selbst unterschiedlich entscheiden kann: Natürlich kann man sich gegen ein soziales Jahr, aber für eine regelmäßige Corona-Schutzimpfung entscheiden. Ich finde aber, zumindest hinsichtlich der Ausübung von Zwang in Form eines Gesetzes sollte man sich entscheiden. Will man, dass sich der Einzelne im Zweifel der Gesellschaft unterordnen soll oder dass die persönliche Freiheit des Individuums im Mittelpunkt steht? Ich vertrete ganz klar letzteres. Manche sind auch konsequent gegenteiliger Meinung, z. B. Frank Appel, der sagt: „Wir haben eine Schulpflicht. Wir hatten lange auch eine Wehrpflicht. Deswegen bin ich schon seit längerer Zeit ein Befürworter der Impfpflicht.” Das finde ich zumindest konsequent, auch wenn ich die gegenteilige Ansicht vertrete. Zum Schluss lautet die philosophische Frage dahinter: Kollektivismus – ja oder nein? Ich sehe derzeit eine gefährliche Entwicklung zugunsten des Kollektivismus. Die Schutzpflichten des Staates werden bis in das allgemeine Lebensrisiko hinein ausgeweitet. Natürlich ist es gut, dass das menschliche Zusammenleben durch bestimmte Regeln und Gesetze geregelt wird, um so dem Chaos, Verbrechen und anderen unerwünschten Zusammenstößen vorzubeugen und auf diese Weise ein gewisses Maß an Sicherheit zu garantieren. Dennoch erfordert dies aus meiner Sicht nicht, alle Lebensbereiche einheitlich zu regeln. Ich bin für die Legalisierung von Cannabis, obwohl ich kein Konsument bin und nie eine Affinität zu Drogen hatte, denn mir geht es um die Freiheit, nicht darum, meinen Lebensstil durchzusetzen. Ich war aber auch immer für Ehe für alle, obwohl ich heterosexuell und somit nicht betroffen bin. Ich halte es für fatal, wenn man immer nur schaut, was einen selbst persönlich betrifft. Ich trete für die Freiheit anderer ein, damit andere es vielleicht irgendwann für mich tun können. Obwohl ich niemals ohne Sicherheitsgurt fahren würde, könnte man meinetwegen auch die Gurtpflicht abschaffen. Das ist vielleicht ein etwas extremes Beispiel, da es sich beim Gurt in Kraftfahrzeugen offensichtlich um etwas Sinnvolles handelt. Ich will damit nur sagen, dass ich selbst hier der Freiheit den Vorrang einräumen würde. Wer den Gurt nicht anlegt, weil er den Sinn erkennt, sondern weil er das Verwarnungsgeld von 30 Euro so sehr fürchtet, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen.4* Was das Fordern von gesetzlichem Zwang angeht, leidet die Gesellschaft aus meiner Sicht an einer dissoziativen Identitätsstörung, da gleichzeitig manche gesellschaftliche Bereiche liberalisiert werden, während andere stärker reglementiert werden. Die Frage nach der Freiheit ist aber die eigentliche Systemfrage, die kaum jemand dahinter reflektiert. Ich plädiere für die Freiheit, denn andere Menschen sind mir in einem positiven Sinne egal – ich wünsche ihnen das Beste, aber fühle mich nicht für sie zuständig. Natürlich sind Regeln, Vorschriften und Gesetze wichtig, die das menschliche Miteinander regeln und Mord, Totschlag und das Schlimmste verhindern, keine Frage. Aber auch hier kommt es auf die richtige Dosis an: Ein Zuviel davon kann als Gängelung empfunden werden und missachtet die Freiheit des Einzelnen, die ja auch im Grundgesetz verankert ist. „Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern dass er nicht tun muss, was er nicht will.” - Jean-Jaques Rousseau Zu viele Regeln, Pflichten und Gesetze wirken hier eher kontraproduktiv, da sie ein Handlungskorsett von außen aufzwängen und die individuelle Freiheit massiv beschneiden. Wer dem Menschen durch Pflichten und Vorschriften möglichst viel verbietet und ihn maßregelt, traut ihm wenig zu und hindert ihn an seinen Entfaltungsmöglichkeiten. Ein „starker Staat” sollte daher seine Bürger nicht in erster Linie einschränken und sanktionieren, sondern befähigen, ermutigen und motivieren. Vielleicht kommt ja Großes dabei raus und der Bürger ist von seinen individuellen Fähigkeiten selbst berauscht und wird regelrecht „high” ob seiner eigenen Fähigkeiten. Die Freiheit dazu sollte er haben, andere „Highs” sind bei uns regel- und gesetzeskonform eher schwieriger zu erlangen. Noch ist Cannabis, anders als in vielen anderen Ländern, bei uns...