Eichendorff | Das Marmorbild | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 36 Seiten

Eichendorff Das Marmorbild

E-Book, Deutsch, 36 Seiten

ISBN: 978-3-938230-46-6
Verlag: HörGut! Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein junger Edelmann namens Florio trifft auf dem Weg in die Stadt Lucca den Sänger Fortunato. Am Abend gehen beide auf ein rauschendes Fest in Lucca, wo Florio sich in die schöne Bianka verliebt. Hier lernt Florio auch den dunkler Ritter Donati kennen. Als Florio spät in seiner Herberge keinen Schlaf findet, schleicht er sich aus der Herberge in die mondbeschienene Landschaft und entdeckt einen wie verzaubert daliegenden Park. Darin sieht er das Marmorbild der Göttin Venusm das eine tiefe Wehmut in ihm hervorruft. Am nächsten Morgen sucht Florio abermals den geheimnisvollen Park auf, findet diesen aber in fröhlich, alltäglichem Betrieb und statt des Marmorbilds eine singende Edelfrau.
Florio versucht die Identität der schönen Edelfrau herauszubringen und gerät dabei immer tiefer in ein irritierendes Spiel von Schein und Wirklichkeit. Immer tiefer gerät Florio in den Bann der schönen Dame und die sie umgebenden Trugbilder, die ihn zuletzt so sehr erschrecken, das er beschließt aus Lucca abzureisen.

Eichendorffs Novelle zählt zu den schönsten der romantischen Epoche. Sie lebt von ihren empfindsamen und phantasievollen Naturbeschreibungen "Es rauschen die Wälder, schlagen die Nachtigalle, plätschern die Brunnen und blitzen die Ströme". Und wie im „Taugenichts“ finden sich auch hier wieder zahlreiche der schönsten Gedichte Eichendorffs.

Enthält neben dem Text, Glossar und Kurzbiografie.
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Das Marmorbild (S. 3-4)

Es war ein schöner Sommerabend, als Florio, ein junger Edelmann, langsam auf die Tore von Lucca zuritt, sich erfreuend an dem feinen Dufte, der über der wunderschönen Landschaft und den Türmen und Dächern der Stadt vor ihm zitterte, sowie an den bunten Zügen zierlicher Damen und Herren, welche sich zu beiden Seiten der Straße unter den hohen Kastanienalleen fröhlichschwärmend ergingen.

Da gesellte sich, auf zierlichem Zelter, desselben Weges ziehend, ein anderer Reiter in bunter Tracht, eine goldene Kette um den Hals und ein samtnes Barett mit Federn über den dunkelbraunen Locken, freundlich grüßend zu ihm. Beide hatten, so nebeneinander in den dunkelnden Abend hineinreitend, gar bald ein Gespräch angeknüpft, und dem jungen Florio dünkte3 die schlanke Gestalt des Fremden, sein frisches, keckes Wesen, ja selbst seine fröhliche Stimme so überaus anmutig, dass er gar nicht von demselben wegsehen konnte. »Welches Geschäft führt Euch nach Lucca?« fragte endlich der Fremde. »Ich habe eigentlich gar keine Geschäfte«, antwortete Florio ein wenig schüchtern. »Gar keine Geschäfte? – Nun, so seid Ihr sicherlich ein Poet!« versetzte jener lustig lachend.

»Das wohl eben nicht«, erwiderte Florio und wurde über und über rot. »Ich habe mich wohl zuweilen in der fröhlichen Sangeskunst versucht, aber wenn ich dann wieder die alten großen Meister las, wie da alles wirklich da ist und leibt und lebt, was ich mir manchmal heimlich nur wünschte und ahnete4, da komm ich mir vor wie ein schwaches vom Winde verwehtes Lerchenstimmlein unter dem unermesslichen Himmelsdom.« – »Jeder lobt Gott auf seine Weise«, sagte der Fremde, »und alle Stimmen zusammen machen den Frühling.« Dabei ruhten seine großen, geistreichen Augen mit sichtbarem Wohlgefallen auf dem schönen Jünglinge, der so unschuldig in die dämmernde Welt vor sich hinaussah.

»Ich habe jetzt«, fuhr dieser nun kühner und vertraulicher fort, »das Reisen erwählt, und befinde mich wie aus einem Gefängnis erlöst, alle alten Wünsche und Freuden sind nun auf einmal in Freiheit gesetzt. Auf dem Lande in der Stille aufgewachsen, wie lange habe ich da die fernen blauen Berge sehnsüchtig betrachtet, wenn der Frühling wie ein zauberischer Spielmann5 durch unsern Garten ging und von der wunderschönen Ferne verlockend sang und von großer, unermesslicher Lust.« – Der Fremde war über die letzten Worte in tiefe Gedanken versunken.

»Habt Ihr wohl jemals«, sagte er zerstreut aber sehr ernsthaft, »von dem wunderbaren Spielmann gehört, der durch seine Töne die Jugend in einen Zauberberg hinein verlockt, aus dem keiner wieder zurückgekehrt ist? Hütet Euch!« – Florio wusste nicht, was er aus diesen Worten des Fremden machen sollte, konnte ihn auch weiter darum nicht befragen; denn sie waren soeben, statt zu dem Tore, unvermerkt dem Zuge der Spaziergänger folgend, an einen weiten, grünen Platz gekommen, auf dem sich ein fröhlichschallendes Reich von Musik, bunten Zelten, Reitern und Spazierengehenden in den letzten Abendgluten schimmernd hin und her bewegte.

»Hier ist gut wohnen«, sagte der Fremde lustig, sich vom Zelter schwingend; »auf baldiges Wiedersehn!« und hiermit war er schnell in dem Gewühle verschwunden. Florio stand in freudigem Erstaunen einen Augenblick still vor der unerwarteten Aussicht. Dann folgte auch er dem Beispiele seines Begleiters, übergab das Pferd seinem Diener und mischte sich in den muntern Schwarm. Versteckte Musikchöre erschallten da von allen Seiten aus den blühenden Gebüschen, unter den hohen Bäumen wandelten sittige Frauen auf und nieder, und ließen die schönen Augen musternd ergehen über die glänzende Wiese, lachend und plaudernd und mit den bunten Federn nickend im lauen Abendgolde wie ein Blumenbeet, das sich im Winde wiegt. Weiterhin auf einem heiter-grünen Plan vergnügten sich mehrere Mädchen mit Ballspielen.


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