E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Systemische Horizonte
Gespräche mit Dirk Baecker, Markus Gabriel, John-Dylan Haynes, Philipp Hübl, Natalie Knapp, Christof Koch, Georg Kreutzberg, Klaus Mainzer, Abt Muhô, Michael Pauen, Johannes Wagemann und Harald Walach
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Systemische Horizonte
ISBN: 978-3-8497-8103-3
Verlag: Carl Auer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
sein?", und wieder versammelt der bekannte Wissenschaftsjournalist namhafte Vertreter aus Sozial-, Geistes- und Naturwissenschaften, um Fragen nach dem Ursprung, der Art und Weise und dem Inhalt des Bewusstseins auf die Spur zu kommen.
Herausgekommen ist ein faszinierendes Kaleidoskop von Erklärungen und Herleitungen, die ohne Trivialisierungen einen gut nachvollziehbaren Einblick in den aktuellen Forschungsstand der unterschiedlichen Fachdisziplinen gewähren. Die dialogische Form ermöglicht es, die aktuelle Debatte schrittweise nachzuvollziehen. Die ist heute an dem spanenden Punkt angelangt, wo sich mit großer Deutlichkeit abzeichnet, dass keine Wissenschaftseinrichtung allein das Rätsel Bewusstsein lösen wird. Eckoldt stellt fest: "Die Suche nach Erklärungen des Phänomens Bewusstsein setzt bereits Bewusstsein voraus. Insofern ist die Sache schon ein wenig verflixt, weil man in zirkuläre Zusammenhänge kommt. Denn letztlich kann es nur das Bewusstsein selbst sein, das sich – im besten Fall – bewusst sein kann."
Zielgruppe
Philosophisch Interessierte
An populärwissenschaftlichen Themen Interessierte
Feuilleton-Leser
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie: Sachbuch
- Geisteswissenschaften Philosophie Moderne Philosophische Disziplinen Philosophie des Geistes, Neurophilosophie
- Geisteswissenschaften Philosophie Wissenschaftstheorie, Wissenschaftsphilosophie
- Interdisziplinäres Wissenschaften Wissenschaften: Allgemeines Wissenschaften: Theorie, Epistemologie, Methodik
Weitere Infos & Material
Vorwort
Die Erklärungslücke
Wie konnte Bewusstsein überhaupt entstehen? Wie war es möglich, dass an einem durch nichts ausgezeichneten Punkt am Rande einer eher durchschnittlichen Galaxie die Funken des Geistes zu sprühen begannen? Warum fühlte es sich plötzlich nach etwas an, in einem Universum zu sein, einem Universum aus gewaltigen Massen fühlloser Materie, der ihre eigene Existenz gleichgültig war? Wenn die Atome keine bewussten Zustände kennen, wieso dann einige wenige Organismen, die doch ihrerseits aus nichts als Atomen aufgebaut sind? Im menschlichen Körper setzt sich dieses Paradoxon fort: Warum laufen die allermeisten Prozesse, wie Verdauung, Blutkreislauf und selbst das Schalten der Neurone im Hirn, ohne Bewusstseinsbeteiligung ab, während Zähne und Gedanken schmerzen können? Möglicherweise werden wir die Antworten auf diese Fragen niemals finden. Doch das hält uns nicht davon ab, Bewusstsein zu erleben, womit eine weitere Eigentümlichkeit ins Spiel kommt. Obwohl uns allen eine im Prinzip gleiche Welt gegeben ist, empfindet sie doch jeder anders – aus der Perspektive des Ichs, der ersten Person. Das macht die Erforschung des Phänomens schwer, da sich die Naturwissenschaft genau jene subjektive Sicht verbietet und die Welt der Dinge aus der Dritte-Person-Perspektive beobachtet, um objektiv gültige Zusammenhänge zu erschließen. Das bereitet keine Probleme, solange es um die Welt der Dinge geht. Sobald aber die empirische Wissenschaft das Bewusstsein erkennen will, stellt sich die Differenz als unüberwindbar dar, was der US-amerikanische Philosoph Joseph Levine in den Begriff der grundsätzlichen Erklärungslücke zwischen der Erste-Person-Perspektive und der Dritte-Person-Perspektive fasste. Zwar versuchen wir, unsere innere Erlebniswelt mitzuteilen, das jedoch kann nicht über den Umstand hinwegtäuschen, dass niemand meine Schmerzen zu fühlen und meine Gedanken zu denken vermag. Den tiefen Graben zwischen der Erste- und der Dritte-Person-Perspektive spürt man sogar an und in sich selbst in Momenten, in denen man dem behandelnden Arzt vergeblich die Qualität des Schulterschmerzes zu beschreiben sucht oder daran scheitert, seinem Gegenüber einen Gedanken mitzuteilen, der sich unausgesprochen im Inneren noch ganz klar anfühlte. Phänomenales und intentionales Bewusstsein
Der Philosoph Thomas Nagel fand für den Zusammenhang von Bewusstsein und individueller Erlebniswelt eine griffige Formel. Immer, wenn es für einen Organismus auf irgendeine Weise ist, dieser Organismus zu sein, verfügt er über Bewusstsein. Sobald es ein Gefühl für sich selbst gibt, werden aus Tieren mehr als pure Reflexmaschinen. Man kann dann nicht umhin, ihnen mentale Zustände zuzubilligen. Für uns Menschen ist dieser Status selbstverständlich und drückt sich in der sprachlichen Formel des Ichs aus. Wenn es sich nicht anfühlen würde, ein Mensch zu sein, könnte man auch nicht von sich reden und brächte das Wort »Ich« nicht über die Lippen. Aber was ist mit Affen, mit Fledermäusen, mit Bienen, mit Amöben? Und was mit künstlichen Intelligenzen? Dieser exklusive, von außen nicht erfahrbare Zustand wird auch als Qualia oder als phänomenales Bewusstsein bezeichnet. Neben der Erlebnisqualität weist Bewusstsein noch eine weitere Eigenschaft auf. Es ist immer auf etwas bezogen. Selbst die eigensinnigsten Gedanken handeln von etwas, ebenso wie man Schmerzen nicht an sich hat, sondern es immer ein Etwas gibt, das wehtut. Für diesen Aspekt hat sich der Begriff intentionales Bewusstsein eingebürgert. Das Leib-Seele-Problem
Der französische Philosoph und Naturforscher René Descartes bringt im 17. Jahrhundert logische Schärfe in die Debatte um den zwar in jedem Menschen offensichtlichen, bei genauerem Nachdenken jedoch verwirrenden Zusammenhang zwischen Leib und Seele (später zwischen Geist und Materie oder Sein und Bewusstsein, noch später zwischen Gehirn und Geist). Descartes sieht das entscheidende Kriterium der gegenständlichen Welt in der Ausdehnung und findet dafür die Bezeichnung res extensa, die ausgedehnte Substanz. Gegenstück dazu bildet die res cogitans, die denkende Substanz. Sie verfügt offensichtlich über keinerlei räumliche Ausdehnung, denn einen Gedanken kann man nicht verorten. Er ist überall und nirgends. Mit dieser strikten Trennung geistiger und materieller Wesenheiten handelt sich Descartes – und mit ihm das abendländische Nachdenken über das Bewusstsein – nun jedoch ein gravierendes, unlösbares Problem ein: Wenn res cogitans und res extensa zwei ihrem Wesen nach getrennte Substanzen sind, wie ist es dann zu erklären, dass sie miteinander wechselwirken und sich sogar gegenseitig hervorbringen? Descartes behauptet, dass die Zirbeldrüse im Gehirn die Kraft besitze, die Wechselwirkung zu leisten. Diese durch nichts gedeckte Spekulation erscheint bereits seinen Zeitgenossen fragwürdig, seit die Steuerung des Schlaf-wach-Rhythmus durch die Produktion von Melatonin in der Zirbeldrüse aufgeklärt ist, klingt sie geradezu absurd. Aber die Frage bleibt: Wenn man von der kausalen Geschlossenheit der Welt ausgeht, in der jeder materiellen Wirkung eine materielle Ursache vorausläuft, wie sollen dann nichträumliche, nichtmaterielle Zustände wie Gedanken materielle Wirkungen verursachen? Wäre es nicht geradezu ein Akt der Magie, wenn der Gedanke, meine Hand zu bewegen, die tatsächliche Bewegung meiner Hand verursachen würde? Die Philosophie schlägt sich fortan mit dem Thema herum und entwickelt ein breites Spektrum an Lösungsversuchen, bei denen der Prozess der Wechselwirkung entweder vom Geist her (Idealismus) oder von der Materie her (Materialismus) gedacht wird. Derweil geht die Naturwissenschaft zur Tagesordnung über und widmet sich ihrem Aufgabenfeld, das Descartes im Erkennen der Gesetze im Bereich der res extensa, der gegenständlichen Welt, sah. Die Euphorie, die durch die Erfolgsgeschichte der Naturwissenschaften ausgelöst wird, lässt alle Grenzen überwindbar erscheinen, sodass sie sich schließlich sogar die Lösung des Leib-Seele-Problems zutrauen. Eine zur Demut mahnende Stimme erhebt sich jedoch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus den eigenen Reihen. Der Begründer der Elektrophysiologie Emil du Bois-Reymond legt dar, dass Bewusstsein aus seinen materiellen Bedingungen heraus nicht erklärbar ist und sein wird: »Ignoramus et ignorabimus» (»Wir wissen es nicht, und wir werden es nicht wissen«). Das schwierige Problem des Bewusstseins
Im 20. Jahrhundert verhallt die Stimme von du Bois-Reymond angesichts des immer rasanteren technischen Fortschritts. Besonders die Entwicklung einer Maschine, die so vieles besser kann als der Mensch, nimmt dem Erkenntnispessimismus den Wind aus den Segeln. Wenn man Computer bauen kann, die sogar das hochkomplexe Schachspiel besser beherrschen als der menschliche Weltmeister, scheint man auf dem richtigen Weg, um auch das Rätsel des Bewusstseins mit naturwissenschaftlichen Mitteln zu lösen, indem man entweder eine künstliche Intelligenz mit den markanten menschlichen Eigenschaften kreiert oder die Entstehung des Bewusstseins aus der immer besseren Kenntnis der Neurone und ihrer Verschaltungen heraus zu erklären vermag. Beides ist trotz jährlicher Verdopplung der Computerleistungen und der Entwicklung bildgebender Verfahren nicht gelungen, sodass der 1994 von dem australischen Philosophen David Chalmers geprägte Begriff vom schwierigen Problem des Bewusstseins bis heute Bestand hat. Nach seiner Unterscheidung tun sich mit der Frage nach dem Bewusstsein zwei Probleme auf: das einfache, bei dem es um die Erklärung von Verhalten geht, und das schwierige, das die Entstehung subjektiver Erfahrung aus physikalischen Prozessen zum Gegenstand hat. Das vorliegende Buch gibt einen Einblick in den gegenwärtigen Stand der Erforschung jenes schwierigen Problems des Bewusstseins. Die dialogische Form ermöglicht dabei den schrittweisen Nachvollzug der Gedankengänge, sodass der Leser eine exklusive Einführung in die aktuelle Debatte erhält. Sie ist heute an einem spannenden Punkt angelangt, an dem sich mit einer gnadenlosen Deutlichkeit abzeichnet, dass keine Wissenschaftsrichtung allein das Rätsel Bewusstsein lösen wird. Daher versammelt das Buch Gesprächspartner aus verschiedenen Disziplinen. Die Gesprächspartner
Die Philosophen sind dabei in der Mehrheit, weil sie die ersten Adressaten einer Forschungslandschaft sind, die sich langsam eingesteht, noch nicht die richtigen Fragen an den Untersuchungsgegenstand Bewusstsein formuliert zu haben. Mit begrifflicher Strenge reflektieren sie den Stand der Erkenntnisse und die Methoden, mit denen sie gewonnen wurden. Dabei herrscht unter den hier versammelten Philosophen alles andere als Einigkeit über den einzuschlagenden Weg. Michael Pauen plädiert dafür, die Erklärungslücke zwischen Erste-...