E-Book, Deutsch, 380 Seiten
Duncker Marquise von Pompadour
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-944621-42-5
Verlag: Reese Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein Roman aus galanter Zeit
E-Book, Deutsch, 380 Seiten
ISBN: 978-3-944621-42-5
Verlag: Reese Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Dora Duncker stellt, gestützt auf umfassendes und zuverlässiges historisches Material, den Werdegang der Madame d'Etoiles dar, die sich durch ihre Schönheit und ihr Zielbewußtsein zur allmächtigen Maitresse Ludwigs XV. aufschwang. Das Ganze erweitert sich zu einem stimmungsvollen Kulturbild und wird eingerahmt von der Kultur des damaligen Frankreich, von der hohen Politik und von der Sittenverderbnis und Pracht des Hofes, dessen Mittelpunkt der Wüstling und Schwächling Ludwig XV. ist. Immer erscheint die Pompadour als die geistige Führerin und Beraterin des Königs, bis dieser verzweifelnd an ihrem Sterbebett steht.
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1
In dem großen Kamin knisterten die Buchenscheite. Die aufschlagenden Flammen erhellten den kleinen lauschigen Salon mit rubinrotem Licht. Warm und wollig drang es bis in die Falten der schweren, dunkelblauen Brokatvorhänge, die über die zugefrorenen Fensterscheiben fielen. Auf einem niederen Taburett vor dem Feuer saß ein junges Weib. Die schlanke, ebenmäßige Gestalt im leichten, bequemen Seidengewand war ein wenig vornübergebeugt. Der Widerschein der Flammen, gegen die sie die feinen schönen Hände ausgestreckt hielt, um sie zu erwärmen, umspielte das lichtbraune Haupt und ein Stück des weißen Nackens. Hinter ihr, die Hände auf die Schultern des jungen Geschöpfes gelegt, stand ein fast fünfzigjähriger Mann, eine stattliche, vornehm gekleidete Erscheinung. Die graue Puderperücke stand eigenartig zu dem frischen Gesicht mit den jungen lebhaften Augen. „Nun Jeanne, noch immer in Gedanken?“ fragte er, sich ein wenig niederbeugend und mit der Rechten leicht über das reiche weiche Haar des jungen Weibes fahrend. „Sollte man am Ende doch Sehnsucht nach dem auf Reisen geschickten Gatten haben?“ Jeanne d’Étioles sprang lachend auf, daß die weißen Zähne zwischen den ein wenig blassen Lippen schimmerten. In ihren Augen von unbestimmter Farbe spielten tausend lustige Teufelchen. Sie schob ihren Arm unter den des Mannes. „Das glauben Sie ja selbst nicht, Onkel Tournehem. Sie wissen ja so gut wie ich, weshalb wir Charles auf Reisen geschickt haben.“ Der große Mann schmunzelte. „Alle Wetter ja! Ungern genug ist er gegangen, mein immer noch verliebter Herr Neffe! Nun, und die grande affaire? Hat Binet noch nichts von sich hören lassen?“ Jeanne d’Étioles schüttelte den Kopf und schnippte dabei übermütig mit den feinen Fingern. „Die arme Mama ist in tausend Ängsten. Ganz ohne Grund. Wenn Binet nicht kommt, gehe ich eben ohne Einladung nach Versailles. Aber unbesorgt, er wird kommen!“ Herr Le Normant de Tournehem blickte auf das reizende Geschöpf und war überzeugt, daß es recht behalten würde. Mit einer raschen Bewegung ließ Jeanne sich wieder auf das Taburett zurückfallen und zog den Onkel ihres Mannes, ihren besten Freund, neben sich in einen der tiefen, dunkelblauen Seidensessel. Sie nahm eine seiner wohlgepflegten ringgeschmückten Hände zwischen die ihren. „Lieber Onkel“, sagte sie lebhaft, während die Farbe ihr in das zarte Gesicht stieg, „es kann ja nicht fehlen. Alles wird kommen, wie es kommen muß, wie es gar nicht anders kommen kann. Ich fühle es hier und da —“ Sie machte zwei rasche Bewegungen gegen ihr Herz und die weiße kluge Stirn. „Sie wissen ja, schon bei den Ursulinerinnen in Poissy nannten die Mädchen mich ‚kleine Königin‘ und scharten sich um mich und erwarteten meine Befehle.“ „Frau Lebou nicht zu vergessen“, fiel Tournehem ein, „die dir, als du kaum neun Jahr alt warst, prophezeite, daß du eines Tages die Maitresse unseres geliebten Königs sein würdest.“ Jeanne nickte nur und fuhr dann eifrig fort. „Die Dinge lagen nicht immer so glücklich wie heute. Aber die Zeiten haben sich geändert, seit Frau von Châteauroux tot ist. Es gibt niemand mehr, der behaupten könnte, der König traure noch um sie, sein Herz sei nicht frei. — Damals freilich ...“ Jeanne lächelte ein wenig spöttisch. „Im Walde von Sénart, als ich ihm in den Weg ritt, beherrschte ihn die Châteauroux noch vollständig. Der König durfte mir nicht Wort noch Gruß gönnen, obwohl —.“ „Obwohl du ihm schon damals in deinem blau und rosa Amazonenkleid und dem kecken Hütchen nicht übel gefielst, kleine Hexe!“ Jeannes schöne Augen strahlten triumphierend. „Sie mögen mir’s glauben oder nicht. Onkelchen, der König hat mir neulich bei der Audienz nichts weniger als ein unfreundliches Gesicht gezeigt! Er hat mir die Generalpacht für meinen Mann ohne Umschweife gewährt — nur daß“ — ihr Gesicht senkte sich ein wenig nachdenklich — „wir waren allein — er hätte —.“ Herr Le Normant schüttelte den Kopf. „Du kennst den König doch nicht so gut, als du dir schmeichelst. Er ist langsam und scheu, wenn ihm nicht gleich sehr viel entgegengebracht wird — und daß dies nicht geschehen, war recht und klug von dir.“ Sie unterbrach ihn rasch. Wieder war sie aufgeschnellt und dehnte und reckte die feine, geschmeidige, übermittelgroße Gestalt. Die Arme gegen die Flammen gebreitet, daß sie wie in Glut getaucht schienen, rief sie mit einer Stimme, die zugleich voller Sehnsucht und Willensstärke war: „Nur heraus aus dieser kleinen engen Welt — herrschen, seine Kräfte spüren, die Zügel in festen Händen halten — sein Ich durchsetzen gegen jeden Widerstand.“ „Und Marie Leszinska, die Königin?“ „Bah, sie ist keine Frau für Louis den Vielgeliebten — um sieben Jahre älter — häßlich — hergenommen von neun Kindbetten — ohne Geist und Willen. Eine Marie Leszinska fürchte ich nicht. Nichts — niemand fürchte ich — denn ich liebe ihn.“ Herr von Tournehem lächelte ungläubig. „Jeanne, betrüge dich nicht! Wie solltest du dazu kommen, den König zu lieben?“ Sie warf den Kopf in den Nacken. Die Flamme der Buchenscheite wob einen leuchtenden Feuerschein um das lichtbraune Haar. „Ich liebe ihn, weil ich ihn lieben will. Verstehen Sie das, Onkel Tournehem?“ Herr Le Normant blieb stumm. In Jeannes Augen stand ein Licht — heiß und stark, beredter noch als ihre Worte —, das jeden Widerspruch im Keim erstickte. Näher trat sie zu ihm hin und legte die Hände zärtlich auf seine Schultern. „Wenn ich dem König gefalle, ganz gefalle, danke ich’s Ihnen, Onkel Tournehem. Sie haben mich zu dem gemacht, was ich bin. Sie haben mir den Sinn für alles Schöne und Große erschlossen. Sie haben mich in den strengen Wissenschaften, in allen freien Künsten erziehen lassen, Sie haben mir gezeigt, daß es auch für eine Frau andere Aufgaben gibt, als einen Mann zu nehmen und Kinder zu bekommen.“ „Und Alexandra?“ warf Tournehem mit dem Versuch zu scherzen ein. Jeanne lächelte ein zärtliches Mutterlächeln. „Es ist gut, daß sie da ist, die Kleine — um so besser, da ich das erste Kindchen so rasch verlor —, aber sie läßt Raum für vieles andere, Raum und Kraft, die Welt mit meinem Namen zu erfüllen. Und ist es so weit, so sollen Sie mich dankbar finden. Sie, der Vater und die Mutter und Bruder Abel, alle die mir Gutes getan.“ „Und Charles Guillaume, dein Gatte?“ „Er ist ein guter, anständiger Junge — im übrigen —. Wenn er meiner bedarf —. Natürlich —.“ Herr von Tournehem wußte genug. Hinter einem der dunkelblauen Brokatvorhänge öffnete sich die Tür. Eine noch schöne, kränklich aussehende Frau um Anfang der Vierzig trat ein. Lebhaft, mit gewöhnlichen Bewegungen, die weitab von der vornehmen, rassigen Grazie ihrer Tochter standen, kam sie auf Jeanne und Tournehem zu. „Was sagt Ihr! Vetter Binet noch nicht hier? Jedenfalls hat er keine Einladungskarte für Jeanne erhalten — und gerade zu den Hochzeitsfeierlichkeiten des Dauphins nicht — es ist — man möchte —“ Madeleine Poisson machte Miene, mit dem Fuß aufzustampfen. Ein Blick auf Tournehem ließ sie innehalten. „Meine liebe Madeleine“, sagte er halblaut, „Sie sind nicht mehr so bezaubernd, daß Sie sich dergleichen Extravaganzen noch gestatten dürften. Früher hat man Ihnen auf Konto Ihrer Schönheit mancherlei verziehen. Selbst Herr Poisson ist gegen Ihre allzustürmischen Emotionen empfindlich geworden.“ Sie tat, als habe sie ihn nicht gehört, und ging mit ausgebreiteten Armen auf Jeanne zu, die ernst und nachdenklich in die Flammen blickte. „Mein armes Kind, haben wir dich dafür so vornehm erzogen, bist du darum so engelschön, daß dieser Esel, dieser Binet — oder hat er vielleicht vergessen, daß das Hôtel des Chèvres in der Rue Croix des Petits Camps liegt?“ Jeanne fuhr der Mutter über das welke, bis vor kurzem noch so schöne Gesicht, das das ihre an Zauber noch übertroffen hatte. „Beruhigen Sie sich doch, geliebte Mama! Vetter Binet ist kein Esel —.“ „So hat er die Einladung nicht bekommen, was noch schlimmer ist“, schluchzte Madeleine Poisson. „Er wird sie schon bekommen haben. Sie unterschätzen die Macht des Kammerdieners Sr. Hoheit des Dauphins. Aber vergessen Sie nicht, die Hochzeitsfeierlichkeiten bringen viel Arbeit — und ehe er von Versailles bis zum Hôtel des Chèvres kommt!“ Frau Poisson trocknet ihre Tränen. „Du magst recht haben, mein Liebling. — Du bist ja klüger als wir alle zusammen, meine geliebte Jeanne.“ Sie herzte und küßte ihr schönes Kind. „Herr von Tournehem“, sagte sie dann, sich mit gekünsteltem Zeremoniell nach ihm zurückwendend. Tournehem verneigte sich in gleicher Art mit der leichten liebenswürdigen Ironie, die ihm eigen war. „Madame Madeleine Poisson?“ „Poisson schrieb mir heute flüchtig und beruft sich auf einen Brief an Sie, den er Ihnen per Kurier, vom Rhein glaube ich, sandte. Er sagte, er habe Ihnen darin den jetzigen Stand seiner Angelegenheiten auseinandergesetzt. Wie liegen die Dinge?“ Auch Jeanne trat vom Feuer fort auf Herrn Le Normant zu. „Ja, was machen die Angelegenheiten des armen Papa? Man sollte sich wirklich besser anstrengen,...