E-Book, Deutsch, Band 7
Reihe: Im Zeichen der Musketiere
Historischer Roman in vier Bänden
E-Book, Deutsch, Band 7
Reihe: Im Zeichen der Musketiere
ISBN: 978-3-96130-304-5
Verlag: apebook Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
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I.
Mazarin und Madame Henriette. Der Kardinal stand auf, um die Königin Henriette zu empfangen. Er begegnete ihr mitten in der Galerie vor seinem Kabinett. Mazarin legte um so mehr Ehrfurcht gegen diese Königin ohne Gefolgt und ohne Schmuck an den Tag, als er wohl fühlte, daß er sich einen Vorwurf über seinen Mangel an Gemüt und über seinen Geiz zu machen hatte. Aber die Bittsteller wissen ihr Gesicht zu nötigen jeden Ausdruck anzunehmen, und die Tochter von Heinrich IV. lächelte, als sie demjenigen entgegentrat, welchen sie haßte und verachtete. »Ach,« sagte Mazarin zu sich selbst, »was für ein sanftes Gesicht? Kommt sie etwa, um Geld von mir zu entlehnen?« Und er warf einen unruhigen Blick auf den Deckel seiner Kasse. Er drehte sogar den Kasten des prächtigen Diamanten nach Innen, dessen Glanz die Augen auf seine übrigens weiße und schöne Hand ziehen konnte. Unglücklicher Weise hatte dieser Ring nicht die Eigenschaft des von Gyges, welcher seinen Herrn unsichtbar machte, wenn er tat, was Mazarin getan hatte. Mazarin aber hatte in diesem Augenblick wohl unsichtbar zu sein gewünscht, denn er ahnte, daß Madame Henriette kam, um ihn um etwas zu bitten. Wenn eine Königin, welche er so behandelt hatte, mit einem Lächeln auf den Lippen, statt die Drohung im Munde zu haben, erschien, so kam sie als Flehende. »Herr Kardinal,« sagte die erhabene Dame, »ich hatte Anfangs die Absicht, über die Angelegenheit, welche mich Hierher führt, mit der Königin, meiner Schwester, zu sprechen; aber ich bedachte, daß die politischen Dinge vor Allem die Männer angehen.« »Madame,« sprach Mazarin, »glaubt mir, daß Eure Majestät mich ganz beschämt durch diese schmeichelhafte Unterscheidung.« »Er ist sehr höflich,« dachte die Königin; »sollte er mich erraten haben?« Man war in das Kabinett des Kardinals gelangt, Mazarin ließ die Königin sich setzen, und nachdem sie es sich in ihrem Lehnstuhle bequem gemacht hatte, sprach er: »Gebt dem ehrfurchtsvollsten von Euren Dienern Eure Befehle.« »Ach, mein Herr, ich habe die Gewohnheit, Befehle zu geben, verloren, und die, Bitten zu stellen, angenommen. Ich komme, um Euch zu bitten, und bin zu glücklich, wenn meine Bitte erhört wird.« »Sprecht, Madame.« »Herr Kardinal, es handelt sich um den Krieg, den der König, mein Gemahl, gegen seine rebellischen Untertanen führt. Ihr wißt vielleicht nicht, daß man sich in England schlägt,« sagte die Königin mit einem traurigen Lächeln, »auf eine viel entscheidendere Art schlagen wird, als man sich bis jetzt geschlagen hat.« »Ich weiß durchaus Nichts davon, Madame,« erwiderte der Kardinal, diese Worte mit einer leichten Schulterbewegung begleitend. »Ach, unsere eigenen Kriege verzehren völlig die Zeit und den Geist eines unfähigen, schwachen, armen Ministers wie ich bin.« »Nun wohl, Herr Kardinal,« sagte die Königin, »ich teile Euch also mit, daß Carl I., mein Gemahl, im Begriffe ist, eine entscheidende Schlacht zu liefern. Im Falle einer Niederlage…« Mazarin machte eine Bewegung … »Man muß für Alles vorhersehen,« fuhr die Königin fort, »im Falle einer Niederlage wünscht er sich nach Frankreich zurückzuziehen und hier wie ein einfacher Privatmann zu leben. Was sagt Ihr zu diesem Plane?« Der Kardinal hatte zugehört, ohne daß eine Fiber seines Gesichtes den Eindruck verriet, den die Worte der Königin auf ihn machten. Wahrend er hörte, blieb sein Lächeln das, was es immer war, falsch, schlau, und als die Königin geendet hatte, antwortete er mit seinem weichsten Tone: »Glaubt Ihr, Madame, daß Frankreich, so aufgeregt, so brausend es in diesem Augenblicke ist, als ein Hafen des Heils für einen entthronten König betrachtet werden darf? Die Krone ist bereits nichts weniger als fest auf dem Haupte von Ludwig XIV. Wie sollte es eine doppelte Last tragen?« »Diese Last ist in Beziehung auf das, was mich betrifft, nicht sehr schwer gewesen,« unterbrach ihn die Königin mit einem schmerzlichen Lächeln, »und ich fordere nicht, daß man mehr für meinen Gemahl tun soll, als man für mich getan hat. Ihr seht, daß wir sehr bescheidene Könige sind, mein Herr.« »Oh Ihr, Madame, Ihr,« sagte der Kardinal hastig, um die Erklärungen, denen er entgegensah, kurz abzuschneiden, »das ist etwas Anderes. Eine Tochter von Heinrich IV., eine Tochter von diesem großen, diesem erhabenen König!« »Was Euch nicht abhält, seinem Schwiegersohne die Gastfreundschaft zu verweigern, nicht wahr, mein Herr? Ihr solltet Euch jedoch erinnern, daß dieser große, dieser erhabene König eines Tags geächtet, wie es mein Gatte werden wird, Unterstützung von England verlangte und daß England sie ihm bewilligte. Allerdings war die Königin Elisabeth nicht seine Nichte.« »Peccato!« sprach Mazarin, sich unter dieser so einfachen Logik schüttelnd, »Eure Majestät versteht mich nicht. Sie beurteilt meine Ansichten nicht richtig, ohne Zweifel, weil ich mich im Französischen schlecht ausdrücke.« »Sprecht Italienisch, mein Herr, die Königin Maria von Medicis, unsere Mutter, hat uns diese Sprache gelehrt, ehe der Kardinal, Euer Vorgänger, sie in die Verbannung schickte, in der sie starb. Wenn etwas von diesem großen, von diesem erhabenen König Heinrich übrig ist, von dem Ihr so eben sprächet, so muß ich erstaunen über die tiefe Bewunderung für ihn, mit der so wenig Mitleid für seine Familie verbunden ist.« Der Schweiß lief in schweren Tropfen von der Stirne von Mazarin. »Diese Bewunderung ist im Gegenteil so groß und so wahr, Madame,« sprach Mazarin, ohne das Anerbieten, der Königin, sich einer andern Sprache zu bedienen, anzunehmen, »daß. wenn der König Carl I., den Gott vor jedem Unglück bewahren möge, nach Frankreich käme, ich ihm mein Haus, mein eigenes Haus anbieten würde. Aber leider wäre dies ein durchaus nicht sicherer Aufenthaltsort. Eines Tages wird das Volk dieses Haus niederbrennen, wie es das des Marschall d’Ancre niedergebrannt hat. Armer Concino Concini! er wollte doch nichts, als das Wohl von Frankreich.« »Ja, Monseigneur, wie Ihr,« versetzte die Königin ironisch. Mazarin stellte sich, als verstünde er den Doppelsinn des Satzes nicht, den er selbst ausgesprochen hatte, und fuhr fort, über das Schicksal von Concino Concini zu seufzen. »Aber, Monseigneur,« sagte die Königin ungeduldig, »was antwortet Ihr mir?« »Madame,« rief Mazarin, »Madame, würde mir Eure Majestät wohl erlauben, ihr einen Rat zu geben? Wohl verstanden, ehe ich mir diese Freiheit nehme, fange ich damit an, daß ich mich Eurer Majestät für Alles, was Ihr gefallen dürfte, zu Füßen lege.« »Sprecht, mein Herr,« antwortete die Königin, »der Rat eines Mannes, der so klug ist, wie Ihr, muß sicherlich gut sein.« »Madame, glaubt mir, der König muß sich auf das Aeußerste verteidigen.« »Er hat es getan, mein Herr, und die Schlacht, die er mit Hilfsmitteln, welche weit unter denen des Feindes stehen, zu liefern im Begriffe ist, beweist, daß er sich nicht ohne Kampf zu ergeben gedenkt. Aber im Falle, daß er besiegt würde?« »In diesem Falle, Madame, ist mein Rat, … ich weiß, daß ich sehr kühn bin, wenn ich Eurer Majestät einen Rat gebe, … aber mein Rat ist, der König soll fein Reich nicht verlassen. Man vergißt sehr schnell die abwesenden Könige. Geht er nach Frankreich über, so ist seine Sache verloren.« »Wenn dies Euer Rat ist.« sprach die Königin, »und Ihr wirklich eine Teilnahme für ihn hegt, so schickt ihm einige Hilfe an Mannschaft und Geld, denn ich vermag nichts mehr für ihn. Ich habe, um ihn zu unterstützen, meinen letzten Diamant verkauft. Es bleibt mir nichts mehr; Ihr wißt es besser, als irgend Jemand, mein Herr. Wenn mir ein Juwel geblieben wäre, hätte ich Holz dafür gekauft, um mich und meine Tochter in diesem Winter damit zu erwärmen.« »Ach! Madame,« versetzte Mazarin, »Ihr wißt nicht, was Ihr von mir verlangt. Von dem Tage an, wo eine Hilfe von Fremden im Gefolge eines Königs erscheint, um ihn wieder auf den Thron zu setzen, gesteht dieser König gleichsam zu, daß er kein? Hilfe mehr in der Liebe seiner Untertanen zu suchen hat.« »Zur Sache, mein Herr Kardinal,« sprach die Königin, welche die Geduld verlor, diesem feinen Geiste in das Labyrinth der Worte zu folgen, in welchem er sich umhertrieb, »zur Sache. Antwortet mir: ja oder nein, besteht der König darauf, in England zu bleiben, werdet Ihr ihm Hilfe schicken? kommt er nach Frankreich, werdet Ihr ihm Gastfreundschaft gönnen?« »Madame,« antwortete der Kardinal, die größte Offenherzigkeit heuchelnd, »ich hoffe, Eurer Majestät zu beweisen, wie sehr ich ihr ergeben bin und wie sehr ich eine Angelegenheit zu Ende zu bringen wünsche, die ihr ungemein am Herzen liegt, wonach Eure Majestät an meinem Eifer, ihr zu dienen, nicht mehr zweifeln wird, wie ich denke.« Die Königin biß sich in die Lippen und bewegte sich auf ihrem Stuhle voll Ungeduld hin und her. »Nun, was wollt Ihr tun?« sagte sie, »sprecht.« »Ich will auf der Stelle die Königin über diese Sache um Rat fragen, und wir werden sie dann sogleich dem Parlament vorlegen.« »Mit dem Ihr in Fehde lebt, nicht wahr? Ihr beauftragt Broussel, Berichterstatter zu sein. Genug, Herr Kardinal, genug. Ich verstehe Euch, oder vielmehr ich habe Unrecht. Geht wirklich zum Parlament, denn von diesem Parlament, dem Feinde der Könige, ist der Tochter des erhabenen Heinrich IV. die einzige Unterstützung zugekommen, welche sie diesen Winter verhindert hat, vor Hunger und Kälte zu sterben.« Nach diesen Worten erhob sich die Königin mit...