E-Book, Deutsch, 262 Seiten
Droonberg Gangster und Racketeer
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7309-1548-6
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, 262 Seiten
ISBN: 978-3-7309-1548-6
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
In Chicago herrscht die Prohibition. Der Gangster Al Capone terrorisiert die Stadt. Politik und Polizei sind korrupt. Der Zeitungsreporter Tilton entlarvt einen Mörder und gerät dadurch selbst ins Schussfeld. Coverbild: Danomyte / Shutterstock.com
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1. Der korrupte Freund und Helfer
Norman Tilton, seit zwei Tagen Reporter der ‚Tribune‘, und Louis Dorsey, Verleger der ‚Gangster Stories‘, eines Magazins für das sensationshungrige große Publikum, wanderten durch die Straßen des ‚Loop‘ in Chicago, des Geschäfts- und Wolkenkratzerviertels. Die Zeit des Officeschlusses war längst vorüber, und in den turmhohen Gebäuden zeigten sich nur noch vereinzelt erleuchtete Fensterreihen. Der Kampf um die Macht über das amerikanische Volk, der von diesen Eisenbetonmassen ausgeht, schien in der Dunkelheit aber nur eine drohendere Form angenommen zu haben und von einem dieser Monumentalbaue gegen die anderen geführt zu werden. Trotzdem zeigten sich die Straßen noch sehr belebt, nur das würgende Gedränge von einer oder zwei Stunden vorher fehlte. Ohne besondere Eile schritten beide in die Randolph Street hinunter nach der Clark Street und vorüber an dem Ashland Block, in dessen siebentem Stockwerk ein Vierundzwanzigstunden-Betrieb herrscht. Denn hier befinden sich die Hauptofficen der ‚Associated Press‘ und die sämtlichen Zeitungen der Stadt gehörende Nachrichtenagentur. Von hier aus wandten sie sich dem Norden zu. „Well, was sagte der City Editor, als Sie sich zum Dienst meldeten?“, fragte Dorsey seinen Kollegen von der Zeitung. „Ich glaube, die Geschichte mit Mr Lingle hat ihm mehr zugesetzt, als er sich merken lassen wollte“, antwortete Tilton. „Es war ja auch unerhört, einen Zeitungsreporter zu ermorden. So lange die Gangsters und Racketeers sich nur untereinander über den Haufen schossen, brauchte sich niemand darüber aufzuregen. Sie können ihre Streitigkeiten nun einmal nicht vor Gericht ausfechten, ohne Dinge preiszugeben, die geheim bleiben sollen. Es ersparte der Polizei Arbeit und – Verlegenheit, denn es war ja immer zehn gegen eins zu wetten, dass sich die Täter, die doch nur im Auftrage handeln, des Schutzes ihrer Organisation erfreuen. Und die Polizei wird ja von den Verbrecherorganisationen dafür bezahlt, dass sie ihre Leute nach Möglichkeit in Ruhe lässt. Oder haben Sie schon einmal gehört, dass die Polizei Verbrechen der Organisation aufgeklärt hätte?“ „Kann mich nicht erinnern“, entgegnete Dorsey. „Und Sie werden mir zugeben müssen, dass mir das als Verleger der ‚Gangster-Geschichten‘, der sich berufsmäßig mit der amerikanischen Verbrecherwelt zu beschäftigen hat, nicht gut hätte entgehen können. Die Polizei tut ja ihre Arbeit, wenn auch nicht gerade die, die man von ihr erwartet; aber es sind immer nur die Einzelverbrecher oder solche, die nur in kleinen Gruppen arbeiten, die sie fängt. Das ist ungefährlicher für sie und stößt dabei bei niemand an. Die organisierten Verbrecher sind vor ihr sicher genug. Die haben das Erfordernis der Zeit begriffen und den Grundsatz der geschäftlichen Organisation auf das Verbrechen angewendet. Und gegen eine Organisation anzukämpfen, die bis in die höchsten Kreise hinauf reicht, ist auch für einen ehrlichen Polizeibeamten, falls es solche überhaupt gibt, nicht ohne Gefahr. Er weiß ja nicht, ob nicht vielleicht sein Chef Nutznießer dieser Organisation ist und eine Bloßstellung fürchten muss, wenn etwa der Stein unvorsichtigerweise ins Rollen gebracht würde. Gelegentlich, mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung, fängt man ja ein Mitglied, natürlich niemals den eigentlichen Täter, sondern immer nur einen Mitläufer. Dem stellt die Organisation dann einen gerissenen Anwalt, der zunächst dafür sorgt, dass der Angeschuldigte, gegen eine Bürgschaft, die prompt erlegt wird, aus der Haft entlassen wird, und verschleppt die Sache dann so lange, bis das Publikum das Interesse an dem Falle verloren hat und er ohne großes Aufsehen außer Verfolgung gesetzt werden kann. Das ist umso leichter, als sich die Polizei alle Mühe gibt, nur unzureichendes Beweismaterial gegen den Angeschuldigten vorzubringen.“ „Das bezieht sich aber nicht nur auf Chicago“, nahm Tilton wieder das Wort. „Es ist überall dasselbe. In New York hat man ja erst letzthin festgestellt, dass Richter an die Politiker, die auch von den Verbrecherorganisationen regelmäßige oder unregelmäßige Einnahmen beziehen, zehntausend Dollar bezahlt haben, um ihre Stellung zu erhalten. Das hat man nachgewiesen. Aber wie selten gelingt eine solche Feststellung? Das muss der Richter in den vier Jahren seiner Amtsperiode, wenn er mithilfe seiner Freunde und gegen gute Bezahlung eine Wiederwahl nicht durchsetzen kann, wieder – und mit möglichst hohem Aufschlag – hereinholen. Wie das geschieht, wissen wir ja alle, aber es ist eine andere Sache, es zu beweisen.“ „Unsere Richter sind nicht besser, aber bei der Polizei sind die Zustände noch viel schlimmer“, bemerkte Dorsey. „Ein Polizeihauptmann hier in Chicago bezieht ein Gehalt von sechstausend Dollar im Jahre, muss aber fünfundvierzigtausend Dollar an die politischen Grafter bezahlen, bevor er die Stellung bekommt. Rechnen Sie hierzu noch die nicht geringen periodischen Wahlkosten, so haben Sie einen Begriff davon, was der Mann wieder herausholen muss.“ „Den habe ich bereits, denn das System ist ja keineswegs auf New York und Chicago oder auf die Großstädte überhaupt beschränkt. Ich komme, wie Sie wissen, aus Sacramento. Das ist eine Stadt von hunderttausend Einwohnern. Dort hatte ein Rechtsanwalt die Polizei beschuldigt, dass sie öffentliche Häuser, Spielhöllen und Speakeasies duldet, aus Gründen, die natürlich jedem klar sind. Nur war er nicht in der Lage, die Beweise für seine Beschuldigungen zu liefern, die man von ihm forderte, denn man machte ihm die Sache nicht zu leicht. Es wurde eine Großjury eingesetzt, um seine Angaben zu prüfen. Sie ließ einen Detektiv von San Francisco kommen, um alle die in dem Schriftsatze des Rechtsanwalts namhaft gemachten Plätze aufzusuchen und über seine Wahrnehmungen zu berichten. Der öffentliche Ankläger wurde hiervon mit dem Ersuchen um strengstes Stillschweigen in Kenntnis gesetzt. Nach vierundzwanzig Stunden war es allen Beteiligten mit einer Personenbeschreibung des Detektivs bekannt. Um nun aber doch ihr Ansehen zu wahren, zog die Jury diesen Detektiv zurück und gab den Auftrag, diesmal aber ohne Mitteilung an den öffentlichen Ankläger, an eine Privatdetektivin aus der Stadt. Sie beschwor, dass sie nirgends etwas Unrechtes wahrgenommen habe. Der Detektiv der Gegenseite beschwor aber, dass alle Beschuldigungen auf Wahrheit beruhten. Und als die Großjury auf den seltsamen Umstand aufmerksam gemacht wurde, dass alle Polizeibeamten bis herab zum einfachen Polizisten wohlhabende Leute seinen, kostspielige Autos, Häuser und Ländereien besäßen, hatte sie die Dreistigkeit in ihrem Bericht zu erklären, dass dies nur ein Beweis des allgemeinen Wohlstandes der Stadt und die Folge von Sparsamkeit, guter Kapitalanlage und sonstiger Umsicht sei.“ „Ein Wohlstand, der sich ausschließlich auf Polizeibeamte, Politiker und die anderen beschränkt, die in der glücklichen Lage sind, ihr Gehalt nur als eine kleine Nebeneinnahme anzusehen“, bemerkte Dorsey sarkastisch. „Well, ungefähr so. Jedenfalls war der Fall damit für die Jury erledigt. Aber er beweist, wie vollkommen die Verbrecherorganisationen heutzutage ausgebaut sind und wie hoch die Beträge sein müssen, die die ungesetzlichen Unternehmungen ihnen zahlen, um ihre Tätigkeit ungescheut ausüben zu können, denn keine Stelle darf übersehen werden. Mir sagte selbst ein Polizist, wenn er noch einmal gewählt würde, habe er für sein Leben genug.“ „Ganz wie bei uns. Wenn man sich das vergegenwärtigt, so findet man es nicht mehr sonderbar, wenn Männer wie Al Capone und Bug Morgan, die man nicht nur in Amerika, sondern in der ganzen Welt als die Häupter der beiden herrschenden Verbrecherorganisationen in Chicago kennt und denen man nachsagt, dass sich jeder schon ein Vermögen von über fünfzig Millionen Dollar geschaffen hat, unbehelligt bleiben. Bis auf ein paar kleine Nadelstiche, die man ihnen hin und wieder versetzt. Ich glaube, in sämtlichen Ländern Europas wäre etwas Derartiges undenkbar; man hätte sie innerhalb vierundzwanzig Stunden hinter Schloss und Riegel, während sie hier in Palästen wohnen. Man hat das ja an Jack Diamond, dem Anführer des Rauschgifthandels in New York, gesehen. Als der vor Kurzem eine Reise nach Deutschland unternahm, wurde er von der dortigen Polizei prompt ausgewiesen. Er fand aber keine Schiffsgesellschaft, die bereit gewesen wäre, ihn als Passagier anzunehmen, sodass er schließlich die Rückreise auf einem Frachtdampfer antreten musste.“ „Ganz recht. Ich wollte nur sagen, dass Presse und Publikum sich schließlich mit der Lage der Dinge, die unabänderlich erscheint, abfinden konnten, solange sich die Gangster gegenseitig über den Haufen schossen und Maschinengewehre benutzten, wenn ihnen der Revolver nicht ausreichend erschien. Das ist ein Krieg, den die Konkurrenzorganisationen unter sich führen, da sie ihre Streitigkeiten nicht vor Gericht bringen können, ohne sich selbst preiszugeben. Höchstens bedauerte man es, dass die Morde...