E-Book, Deutsch, 278 Seiten
Droonberg Die Goldwäscher am Klondike
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7309-1143-3
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 278 Seiten
ISBN: 978-3-7309-1143-3
Verlag: BookRix
Format: EPUB
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1897. Goldrausch in Alaska. Ein Goldsucher stirbt, als auf seinem Claim eine Goldader gefunden wird. Seine junge Tochter ist Alleinerbin. Gauner schicken eine Doppelgängerin vor, um an die Millionen zu gelangen. Coverbild: © Sly Raccoon/Shutterstock
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1. In Dawson City
Wer sich unter dem Worte ‚City‘ eine große Stadt vorstellen sollte – und etwas anderes soll es ja auch eigentlich gar nicht bedeuten –, der würde sich in Bezug auf das halbe Dutzend Citys, das man in den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Alaska und am Klondike in aller Eile gegründet hatte, schwer irren. Dawson City wenigstens, die größte von ihnen, bestand im Jahre 1897, von dem hier die Rede ist – ein Jahr nach seiner Gründung – aus nicht mehr als etwa fünfzig Häusern. Und auch diese Häuser hatten sehr wenig City-Mäßiges an sich, außen wie innen. Durchweg aus Balken und Brettern und oft auch nur aus roh behauenen Baumstämmen errichtet, wurde ihr wenig versprechendes Äußere meist nur noch von dem Mangel an häuslicher Bequemlichkeit im Inneren übertroffen. Das erklärte sich ohne Weiteres daraus, dass Dawson City zu dieser Zeit fast ausschließlich eine Männerstadt war, die den im Lande herumwandernden Goldsuchern als Sammelplätze für die nötige Verproviantierung und in den langen, grimmigen Frostmonaten, die jede Arbeit auf den Claims unmöglich machten, zum Winterquartier diente. Nur eine einzige Frau hatte bisher den Mut aufgebracht, ihrem Manne in dieses Land mit seinen kurzen, heißen Sommern und fürchterlichen Wintern zu folgen; in diese lebensfeindliche Nordlandsnatur, die den Starken unter ihrem Eishauch zum Titanen erstarken lässt, den Schwachen aber unbarmherzig vernichtet. Neben dieser Frau, aber nicht zu den sesshaften Bürgern der neugebackenen Stadt zählend, war noch ein halbes Dutzend Fräuleins von etwas durchlöchertem Charakter und gleichwertigem Ruf vorhanden, die in den beiden Trinkhäusern des Ortes, die zugleich Spiel- und Tanzsalon waren, den Inhabern getreulich halfen, die nach der Stadt kommenden Goldgräber möglichst schnell von aller Sorge um ihr in monatelanger harter Arbeit aus der Erde gewaschenes Gold zu befreien. Das eine der beiden Trinkhäuser war der Malamut-Salon, der seinen Namen von den ‚Malamuts‘ genannten Schlittenhunden der Eskimos herleitete. Vermutlich aus Gründen der Konkurrenz trug der andere die Bezeichnung ‚Husky-Salon‘, nach den Schlittenhunden der im Norden lebenden Indianer. Es war an einem Abend im September. Die Azetylenlampen an den Wänden und Decken des Malamut-Salons waren wegen der jetzt bereits früh hereinbrechenden Dunkelheit schon längst angezündet. Ihr grelles weißes Licht beleuchtete aber nur Räume, die von Gästen fast leer waren. Hinter dem Schenktisch, der Bar, stand der Bartender und polierte mehr zum Zeitvertreib als aus Notwendigkeit, wie sein gelegentliches Gähnen verriet, mit einem weißen Tuche eine Anzahl Gläser, die er dann bedächtig in einem Fache des hinter ihm aufgestellten und mit Likörflaschen besetzten Regals nebeneinander reihte. Vor der Bar standen die einzigen zwei oder drei Gäste, hin und wieder einen Schluck aus den vor ihnen stehenden Whiskygläsern nehmend, in halblauter Unterhaltung. Zur Seite der Bar saß an einem kleinen Tische der Spielhalter, in Ermangelung anderweitiger nutzbringender Beschäftigung in ein Geduldspiel vertieft. Hinter ihm, auffallend herausgeputzt, stand eines der drei in dem Salon beschäftigten Mädchen und beobachtete mit augenscheinlichem Interesse den Fortgang des Spiels. Der Spielhalter, ein noch junger Mann mit Gesichtszügen, die mit ihrer graubraunen Leberfarbe und verschiedenen tiefen Falten von einem hauptsächlich in Kneipen verbrachten Leben zeugten, und stechenden, unruhig umherflackernden Augen, zollte ihr indessen nicht die geringste Aufmerksamkeit. Er fuhr fort, diese oder jene Karte aus dem vor ihm liegenden Reihen herauszuheben und auf einen besonderen Haufen zu legen, wobei er in seinem rechten Mundwinkel geschickt eine Zigarre balancierte. An der gegenüberliegenden Wand, in der sich eine Tür nach dem daranstoßenden, ebenfalls grell beleuchteten Tanzraum öffnete, saß ein älterer, ausnehmend magerer Mann vor einem Klavier. Er schien eben eine Tanzweise beendet zu haben, denn die anderen beiden Mädchen traten erhitzt und lebhaft atmend aus dem Nebenraum, wo sie bei dem völligen Mangel tanzlustiger Vertreter des stärkeren Geschlechts offenbar miteinander getanzt hatten. Dieses Piano, Tausende von Meilen von dem nächsten Seehafen entfernt, musste hier überraschen. Es wurde auch allgemein als eine Errungenschaft angesehen, und der Besitzer des Salons war mit Recht stolz darauf, denn er hatte es unter hohen Kosten auf dem Umwege über Nome am Beringmeer und von da an stromauf über den 2000 Meilen langen Yukon heranbringen lassen. Dass der Husky-Salon demgegenüber nur über ein armseliges Grammophon verfügte, erhöhte die Befriedigung des Besitzers über seinen Unternehmungsgeist ganz merklich. Das Spiel schien den Mann am Klavier angestrengt zu haben, denn ein Hustenanfall hatte ihn gepackt, der seinen Oberkörper eine lange Zeit schüttelte. Als er das Taschentuch vom Munde nahm und betrachtete, bemerkte er Blutspuren darauf. Das schien ihm nichts Neues zu sein, denn die Feststellung entlockte ihm nur ein trübes Lächeln. „Komm, trink einen Whisky, Pat! Das wärmt dich durch. Man kann kein Haus in diesem verdammten Lande bauen, ohne dass der Wind durchbläst, als wenn er eine Fabrikpfeife in Tätigkeit setzen wollte“, rief ihm einer der Gäste am Schenktische gutmütig zu. Dabei spritzte er einen Strahl braunen Tabaksaftes gegen den in der Mitte des Raumes stehenden eisernen Ofen, als wolle er ihm sein Missfallen darüber bezeigen, dass er trotz der leichten Rotglut, die einige Stellen seiner Eisenwand färbte, so schlechte Arbeit leistete. „Lass gut sein, Bob“, wehrte der Mann am Klavier ab. „Ich will lieber nicht trinken; es taugt nicht für mich.“ „Taugt nicht für dich?“, wiederholte der Erste geringschätzig. „Ich sage dir, ein Whisky tut immer gut. So lange man trinkt, stirbt man nicht.“ Und als wolle er diese Behauptung bekräftigen, trank er sein Glas leer, und indem er es mit Nachdruck wieder auf den Schanktisch zurücksetzte, ohne dass es wunderbarer Weise dabei in Stücke brach, sagte er: „Schenk ein, Jimmy!“ Der Mann am Klavier machte keine weitere Bemerkung. Er saß in sich versunken auf seinem Stuhl, und seine Gedanken schienen fernab zu weilen. Es entstand eine Stille, die die öde Stimmung in dem Lokal fast fühlbar machte. Draußen hörte man die Windstöße an dem Hause rütteln. Bald würde sich das Bild ändern. Der kommende Winter meldete sich bereits an. Binnen Kurzem mussten die Goldgräber von ihren Claims und die Prospektoren aus ihren entlegenen Felsentälern zurückkommen, um in den elenden Behausungen, zusammengepfercht hinter Verschlägen, den langen, traurigen Winter in der ‚Stadt‘ zu verbringen. Dann würde sich der Malamut-Salon füllen, die Paare in dem Tanzraum durcheinander stampfen, die Roulettekugel springen, die Champagnerpfropfen knallen und die Karten im Pharaospiel fliegen. Wer wollte es den Männern verargen oder es gar unbegreiflich finden, wenn sie nach monatelanger Einsamkeit und Entbehrung, harter Arbeit und dürftigster Nahrung hier in einem Taumel wüster Vergnügungen die Stumpfsinnigkeit des Lebens während der langen Wintermonate wenigstens auf Stunden vergessen wollten. Freilich, am Ende des Winters würden sie dann ohne einen Cent und wahrscheinlich noch mit Schulden im Store wieder hinausziehen auf ihre Claims oder dem Laufe unbekannter Bergbäche folgen, um dort Gold und andere Metalle zu suchen. Aber was tat das? Es ging ja nicht anders. Und manchmal würde man doch den großen Fund machen und als reicher Mann nach Hause zurückkehren. Das Gold war da, darüber konnte kein Zweifel mehr bestehen. Man hatte es ja auch schon gefunden. In Juneau und Dyea und Nome. Freilich, es war dort nicht Placergold, also frei in der Erde liegendes Gold in Form von Staub oder Nuggets, sondern es waren niedrigprozentige Golderze, an denen den Prospektoren, wie sie hier in den Bergen und an den Flussläufen herumkrochen, meist nicht viel gelegen ist, weil ihr Abbau und ihre Verarbeitung Kapitalien erfordern, die sie nicht aufbringen konnten. Aber man hatte doch schon vielfach hier an den zahlreichen Creeks und Nebenflüssen des Klondike und Yukon auch Placergold gefunden. Tausende von Prospektoren lebten doch nur, freilich in den meisten Fällen recht armselig, von den Erträgnissen ihrer Goldwäscherei. Nur der große Fund war noch nicht gemacht worden, aber niemand war mehr überzeugt als die Prospektoren selbst, dass er eines Tages kommen würde. Wo so viel Gold überall im Lande verstreut umherlag, musste es auch Stellen geben, wo es in Massen angehäuft war. Und nachdem man nun schon seit zwanzig Jahren danach gesucht hatte, konnte der Tag nicht mehr fern sein, an dem diese Stellen gefunden wurden. Allerdings war das Land von einer Ausdehnung, dass man ganze Königreiche des alten Europa darin hätte verstecken können. Aber wer wollte sagen, dass nicht schon morgen die Mutterader, von der all das Gold ursprünglich gekommen sein musste, entdeckt wurde? Und musste es gerade die Mutterader sein, die eine neue Völkerwanderung von...