Dittmer / Modes / Greeley | Zwischen Bach und Baum | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 156 Seiten

Dittmer / Modes / Greeley Zwischen Bach und Baum

Naturfantasien
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7386-4782-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Naturfantasien

E-Book, Deutsch, 156 Seiten

ISBN: 978-3-7386-4782-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Hier schleift ein Wasserfall eine verzauberte Welt, dort birgt ein blauer Stein unerwartete Legenden und im Feenwald geht es heiß her. Was hat eine alte Weide zu berichten? Wer boykottiert den Bau einer Therme? Werden Kastanien wirklich poliert? Und was veranlasst das Feenwasserwirtschaftsamt zum Einschreiten? Der Laubkönig lässt wieder erzählen: 12 kreativen Köpfen hat er Einblick in sein Reich gewährt. Entstanden ist eine magische, fantasievolle und vergnügliche Kurzgeschichtensammlung zwischen Bach und Baum. Herzlich willkommen in der rauschenden Welt des Laubkönigs! In sein Reich entführen den Leser neben Herausgeberin Sinje Blumenstein die Autorinnen Ursula Dittmer, Liv Modes, A. C. Greeley, Anke Höhl-Kayser, Anna Dorb, Monika Kubach, Uschi Prawitz, Cornelia Aistermann, Julie Fritsche und Anna-Maria Weigelt und der Autor Markus Frost.

Jahrgang 1953, lebt in Würzburg. Sie studierte Sozialpädagogik und war jahrelang in der sozialen Arbeit tätig, bevor sie sich selbstständig machte. Ein von ihr gegründetes Fortbildungsinstitut besteht seit 1994. Seit 1987 Unternehmerin, führte sie zuletzt den Theaterladen mit Kostümverleih in Würzburg. Der fünfteilige Fasanthiola-Zyklus ist ihre erste Romanveröffentlichung. Seither sind von ihr Kurzgeschichten in Anthologien erschienen. http://www.fasanthiola.de

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Fiur
Ich erschrak im Schlaf, weil ich träumte. Eigentlich sollte mein Gehirn dazu gar nicht in der Lage sein, denn Feen wie ich gehörten zu den niederen magischen Wesen. Trotzdem nahm ich die Bilder hinter meinen geschlossenen Lidern wahr. So musste es bei den Elfen sein, diesen arroganten Salatfressern, die glaubten, ihre Wahrträume entstünden durch ihre vegetarische Ernährung. Feen aßen nun einmal Fleisch. Und konnten sich offenbar auch im Schlaf über die Elfen aufregen. Das war wohl genetisch bedingt. Ich konzentrierte mich wieder auf meinen Traum. Mein Körper schwebte über einer Lichtung mit kräftigem grünem Gras. Die Blüten vieler zarter, hochgewachsener Pflanzen streuten unregelmäßige weiße Flecken. Andere Blumen gab es nicht. Ich konnte mich nicht erinnern, diese Blüten jemals im Wald gesehen zu haben. Mein Bewusstsein befand sich offenbar außerhalb meines Körpers, denn ich beobachtete ihn aus der Perspektive eines Zuschauers vom Rand der Lichtung aus.
Ein sanfter Wind strich durch die Wiese und bahnte eine schmale Gasse zwischen den Gräsern.
Ein plötzliches Plätschern und Rauschen veranlasste mich dazu, meine Aufmerksamkeit von meinem reglos in der Luft hängenden Körper abzuwenden und zwischen die umstehenden Bäume zu spähen. Dort fraß sich ein Bach in unglaublicher Geschwindigkeit durch den Waldboden. Die verschlungene Erde färbte das kristallklare Wasser immer dunkler, und als der Bach die Lichtung erreichte, hatte er sich in trägen, faulig stinkenden Schlamm verwandelt. Das Gras verwelkte augenblicklich, als es mit dem Wasser in Berührung kam. Die weißen Blumen hielten jedoch stand.
Bis zur Mitte der Lichtung schaffte es der Bach, bevor er plötzlich versickerte und eine Spur der Zerstörung zurückließ. Die weißen Blumen aber begannen sofort, sich zu vermehren und die entstandene Gasse aufzufüllen. Gras wuchs keines nach. Gleichzeitig bewegte sich etwas in der Mitte der Lichtung, ungefähr an der Stelle, an der mein Körper immer noch regungslos in der Luft hing. 
Mit einiger mentaler Anstrengung gelang es mir schließlich, mein Bewusstsein dorthin zurück zu zwingen, wo es hingehörte. Als ich wieder Herrin meiner Gliedmaßen war, ließ ich mich tiefer sinken und beobachtete verwundert, wie sich einige der weißen Blumen ineinander schlangen. Sie verflochten sich und bildeten Knoten und Stränge. 
Es dauerte eine Weile, bis mir bewusst wurde, dass es nicht die Wiesenblumen waren, die sich merkwürdig verhielten. Vielmehr verstärkten sie nur den Gegenstand, der sich langsam aus dem Boden schob. 
Vorsichtig schwebte ich ein Stück näher heran. Dabei spürte ich eine vertraute Wärme zwischen meinen Schulterblättern, als meine Flügel aneinander rieben und kleine Flammen erzeugten. Wenigstens konnte ich mir meiner verpönten Feuermagie sicher sein. 
Nur für den Fall … 
Mittlerweile war der Gegenstand vollständig aus dem Boden aufgetaucht und ein Stück in die Luft gestiegen. Es war ein aus Blumen geflochtener Vogelbauer. Doch darin saß kein exotisches Federvieh, sondern am Boden des Käfigs lag reglos ein amselgroßes Wesen. Seine steingrau gefleckten Schuppen waren trocken und spröde, Risse zogen sich über seinen ganzen Körper. Die vielen schmalen Fiederflossen auf dem Rücken des Wesens zuckten nutzlos und das normalerweise kräftige Pulsieren der Schwanzflosse war schwach und unregelmäßig. 
Ich erschrak, als ich erkannte, wer in dem Vogelkäfig lag: Es war Linjevu, die Quellnymphe, deren Gewässer das Leben des ganzen Waldes sicherte. 
Und sie starb. 
Völlig unterkühlt wachte ich auf. Mein Brustkorb hob und senkte sich so schnell, wie er es zuletzt bei der Flucht vor den unangenehmen Energieblitzen der Elfenkinder bei der letzten Sommersonnenwende getan hatte. Ich zwang mich, ruhiger zu atmen. Langsam bewegte ich meine Flügel, um meinen Körper wieder auf Normaltemperatur zu bringen. 
Sobald ich mich wieder warm genug fühlte, verließ ich entschlossen die Baumhöhle, in der ich geschlafen hatte. 
Ich musste zum alten Baum. 
Sofort.
Draußen zwängten sich die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont. Gerade stimmten die Blaukehlchen in den Morgenchor ein. Von der Oberfläche des kleinen Teiches lösten sich zarte Nebelschwaden. 
Unter anderen Umständen hätte ich mich auf einen Ast gesetzt und den Sonnenaufgang beobachtet. Jetzt aber sauste ich ohne Blick für den erwachenden Wald zwischen den Bäumen hindurch und bemühte mich, nicht zu stark zu beschleunigen. 
Ich wollte nicht wissen, was geschah, wenn meine Flügel zu schnell aneinander rieben und unkontrollierbar große Flammen erzeugten. Der Wald war ohnehin trockener als in normalen Sommern, ich musste ihn nicht auch noch anzünden. 
Über den Horrorszenarien von alles verschlingenden Flammen, an denen ich schuld war, verpasste ich es beinahe, an der dreistämmigen Birke abzubiegen. 

»Guten Morgen«, sagte ich schüchtern und versuchte zu erkennen, ob der alte Baum schlief oder nicht. 
Ein dumpfes Knarzen antwortete mir. 
Einige Äste verbogen sich. 
Der Baum war wach. 
»Ah, Fiur.« Selbst der älteste Baum im Wald hielt nicht viel von mir, das ließ sein Tonfall erkennen. »Was ist so früh am Morgen denn schon so unglaublich wichtig?«
»Ich habe geträumt.« 
Ein Zittern durchfuhr die mächtige Baumkrone, obwohl es windstill war. 
»Wie bitte?« 
Eine schneidende Stimme wehte hinter dem Baum hervor, Sekunden später folgte ihr die spindeldürre Gestalt von Velas. 
Die Anführerin der Elfen bewegte ihre Flügel sachte, sodass sie nur ein paar Zentimeter vom Boden abhob und über den Wurzeln des alten Baumes schwebte. Sie musste eben erst erwacht sein, trotzdem war ihr kastanienbraunes Haar sauber gekämmt. Weiße Blütenköpfe zierten die vereinzelten schmalen, hüftlangen Zöpfchen. 
Beim Anblick der Blumen zuckte ich zusammen, aber ich bewegte mich nicht von der Stelle. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, Velas’ menschenhohe Erscheinung schüchterte mich ein, obwohl ich ihr höchstens bis zum Knie reichte. 
»Velas«, knarzte der alte Baum warnend. 
Die Elfe kniff die rosigen Lippen zusammen, ließ sich aber vom Oberhaupt des Waldes zurechtweisen. In ihren Augen glitzerte etwas, doch ich konnte nicht einordnen, was es war. 
»Was hast du geträumt, Fiur?«, fragte der Baum. 
»Feen träumen nicht«, lästerte Velas. »Und Feuerfeen gleich gar nicht. Dazu ist ihr Bewusstsein einfach nicht weit genug entwickelt.« 
»Aus ebendiesem Grund hat der Traum einer Fee besondere Bedeutung«, grummelte der alte Baum. 
»Wahrscheinlich ist sie einfach nur zu nah am Wasser gewesen. Du weißt, dass du das nicht verträgst, Fiur. Belaste den alten Baum nicht damit!«
»Das ist natürlich eine Möglichkeit, Velas«, überlegte der Baum. 
»Das stimmt nicht!«, rief ich enttäuscht. 
»Lass Fiur wenigstens erzählen, was sie glaubt, gesehen zu haben. Damit ihr Weg nicht umsonst war.«
Mehr konnte ich wohl nicht erwarten. 
Es fiel mir schwer, mein Erlebnis in Worte zu fassen, denn der abwertende Blick der Elfe schien meine Zunge zu lähmen. Trotzdem gelang es mir, bis zum Ende kein einziges Mal zu stottern. 
»Das klingt nicht nach einer Halluzination. Ich hoffe, dir ist klar, was das bedeutet.« 
Mir war nicht klar, ob der Baum mit Velas oder mir sprach. 
Die Elfe nickte mit saurer Miene. 
Ich schüttelte den Kopf. 
»Fiur, du kannst nicht träumen«, stellte der Baum klar. »Dass du trotzdem Bilder gesehen hast, bedeutet, dass dir jemand eine Vision geschickt hat. Nicht einmal Elfen sind magisch genug, um Visionen zu erzeugen. Dazu ist nur ein Wesen im Wald in der Lage.«
»Linjevu?«, riet ich. 
»Ja. Dass sie in Gefangenschaft ist, erklärt den Wassermangel im Wald. Stirbt die Quellnymphe, vergeht auch ihr Gewässer. Du bist diejenige, der sie zutraut, sie zu retten, weil es ihr nicht aus eigener Kraft gelingt.« 
Velas und ich reagierten gleichermaßen geschockt.
Meine Körpertemperatur sank. 
»Das kann ich nicht!« 
»Das kann sie nicht! Sie ist eine Fee! Sind nicht Elfen die fähigsten Wesen im Wald? Sollte nicht eine Elfe diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen?« 
Velas klang panisch. Offenbar fürchtete sie, ich könnte versehentlich den Wald anzünden. Das war, zugegeben, nicht ganz unwahrscheinlich. Allerdings stimmte ich ihr ausnahmsweise zu. 
»Velas kann diese Aufgabe genauso gut übernehmen«, flehte ich. 
Der alte Baum grummelte und knarzte so laut, dass ich glaubte, gleich bräche ein Ast und stürzte auf mich herunter.
»Jeder außer dir kann diese Aufgabe übernehmen«, giftete die Elfe. 
»Linjevu hat Fiur gerufen«, donnerte der Baum. »Also wird Fiur gehen!«
Ich sackte in mich zusammen. In mir erwachte das plötzliche Verlangen nach einer saftigen Maus. Oder einem Nachtfalter. 
»Wo soll ich denn suchen?«, fragte ich niedergeschlagen. 
Der alte Baum ließ mir keine Wahl. 
Und Velas würde sich mein Versagen sicher auch nicht entgehen lassen wollen. Wenn ich bei dieser Unternehmung starb, müsste ich ihre Schadenfreude wenigstens nicht...



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