Ditfurth | Ein Mörder kehrt heim | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 368 Seiten

Reihe: Die Dornröschen-Reihe

Ditfurth Ein Mörder kehrt heim

Krimi
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-641-10923-3
Verlag: carl's books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Krimi

E-Book, Deutsch, Band 3, 368 Seiten

Reihe: Die Dornröschen-Reihe

ISBN: 978-3-641-10923-3
Verlag: carl's books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Hilfsbereitschaft ist gefährlich. Vor allem, wenn eine schöne Frau einen um einen klitzekleinen Gefallen bittet. Prompt hat Matti die Leiche eines alten Freundes vor den Füßen und die Polizei an den Hacken. Und die schöne Frau verschwindet. Matti fährt Taxi in Berlin und lebt zusammen mit Twiggy und Dornröschen in der Okerstraßen-WG in Neukölln. Und landet als Hauptverdächtiger im Knast. Die Leiche heißt Georg und war Terrorist. Er gehörte zu den wenigen RAF-Untergrundkämpfern, die der Polizei entkommen konnten. Was wollte Georg in Berlin? Eine Bank überfallen, um die Altersversorgung aufzustocken? Welche Rolle spielt seine Tochter Anja, in die Matti sich verliebt hat? Welche Geschäfte treiben die alten Stasi-Genossen, zu denen Georgs Spur führt? Die WG begreift, dass hinter allen Rätseln ein großer Coup steckt. Sie müssen ihn aufdecken und Georgs Mörder finden. Sonst vermodert Matti hinter Gittern.

Christian v. Ditfurth, geboren 1953, ist Historiker und lebt als freier Autor in Berlin und in der Bretagne. Neben Sachbüchern und Thrillern wie 'Der 21. Juli' und 'Das Moskau-Spiel' hat er die Krimiserie um den Historiker Josef Maria Stachelmann und die Eugen-de-Bodt-Serie veröffentlicht. 'Tanz mit dem Tod' ist der Auftakt einer historischen Krimiserie um den Polizeikommissar Karl Raben, die im Berlin der 1930er Jahre beginnt.
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Robbi saß auf der Küchenfensterbank. Sein schwarz-weißes Fell glänzte in der Sonne. Der Kater gähnte und streckte sich. Plötzlich erstarrte er. Dann folgten seine Augen einer Fliege, die um ihn herumkurvte, als wäre sie ein Flugzeug und er King Kong auf der Spitze des Empire State Building. Robbi wartete, bis sich die Fliege an die Scheibe gesetzt hatte. Er schlug ansatzlos zu und steckte sich das Insekt ins Maul. Er kaute länger, als die Portion es hergab. Zufrieden machte er sich lang auf der Fensterbank.

»Hast du toll gemacht«, sagte Twiggy. Er nahm einen Schluck von seinem Morgenkaffee, ohne seine Lektüre zu unterbrechen. »Der Innensenator ist stolz«, sagte er. »Seiner Taktik sei es zu verdanken, dass es am 1. Mai vergleichsweise ruhig geblieben sei.«

»Kein Wunder«, erwiderte Matti, der den Politikteil der Berliner Zeitung las. »Bullen, überall Bullen.«

»Von wegen neue Taktik«, erklärte Dornröschen mit vollem Mund. »Er hat nur nachgemacht, was der Vorgänger sich ausgedacht hatte. Dabei hat er den immer als Weichei angepisst, als er noch Oppositionsführer war.«

»Innensenator bleibt Innensenator, egal, wie er heißt«, brummte Matti. »Vielleicht kriege ich heute auch noch mal den Berlinteil?«

»Wird ein Politiker Innensenator, verwandelt er sich in einen Bullenknüppel in Menschengestalt«, antwortete Dornröschen, während sie in ihrem Teebecher rührte.

Es war ein schöner Morgen. Die Maisonne wärmte die Küche. Matti freute sich fast, gleich in die Manitiusstraße zu radeln, wo sein Chef Ülcan eine Taxiklitsche betrieb und unbeirrbar glaubte, dass alles, was er tat, nur dem Wohl seiner Fahrer diente. Die ihn zum Dank nach Strich und Faden betrogen. Da aber Mohammed ihn mahnte, barmherzig zu sein, hatte Ülcan noch nie einen seiner Lenkradknechte rausgeschmissen. Obwohl dieses Pack es tausendfach verdient hätte. Matti stellte sich vor, wie er den Steinzeit-Daimler durch die Stadt steuerte, die milde Luft in der Nase, die blühenden Bäume und Büsche vor Augen. Und die schon sommerlich gekleideten Frauen im Blick.

Dornröschen hatte am Abend erzählt, dass es in ihrer Stadtteilzeitung gerade gut lief, das Blättchen war also nicht praktisch, sondern nur theoretisch pleite, was die WG als epochalen Fortschritt pries. Dornröschen war die Chefin in der Redaktion, in der es natürlich keinen Chef gab.

Twiggy hatte sich wieder in der Nacht herumgetrieben und war mit einem Karton feinsten Espressokaffees heimgekehrt. Im Vorratsschrank hatte er Dosen mit Thunfischkatzenfutter getürmt, und so war auch Robbi zufrieden. Matti fiel ein, dass sie in letzter Zeit Momente der Sorgenlosigkeit erlebt hatten. Es war zu gut, um wahr zu sein.

Wie zur Bestätigung klingelte das Telefon im Flur. Niemand bewegte sich. Es klingelte wieder. Matti warf einen Blick zu Dornröschen, die hatte sich das Feuilleton geschnappt und rümpfte die Nase. Twiggy hob den Kater auf seinen Schoß. Beim fünften Klingeln schnaufte Matti empört und latschte in den Flur.

»Ja?«, fragte er unwillig.

»Spreche ich mit Matthias Jelonek?« Eine Frauenstimme, jung, aufgeregt.

»Ja, mit wem spreche ich?«

»Anja Barth.«

»Und was wollen Sie?«

»Mit dir reden.«

»Aha. Worüber? Warum?«

»Das würde ich dir lieber nicht am Telefon erzählen.«

»Woher hast du meine Nummer?«

»Nicht am Telefon.«

In der Stimme lag ein Drängen. Sie musste ihn um jeden Preis sprechen.

»Ich weiß nicht«, sagte Matti. »Ich kenne dich nicht.«

»Aber du kennst … Ingeborg.«

»Hm.«

»Ihr habt euch wegen ihr gestritten, am 17. Januar 1972, auf einer der letzten Redaktionssitzungen der Agit 883. Mehr kann ich jetzt nicht sagen.«

Matti überlegte kurz. Nein, das war keine Falle oder eine verdammt gute. »Kann ich dich zurückrufen?«

»Ja.« Sie nannte eine Handynummer.

»Ingeborg, Ingeborg, da war doch was?«, sagte Matti, als er wieder am Küchentisch saß.

Twiggy runzelte die Stirn. Dornröschen kratzte sich hinterm Ohr und gähnte. Sie trug das rote Seidenkleid, das ihr so gut stand, und guckte Matti durch die runden Gläser ihrer silbrigen Brille fragend an.

»Nachname ist vielleicht Barth. Jedenfalls nannte sich die Frau am Telefon so und behauptete, Ingeborgs Tochter zu sein. Sie sagte, ich hätte mich wegen Ingeborg auf einer Redaktionskonferenz von Agit 883 gefetzt. Sie konnte sogar das Datum nennen. 17. Januar 1972.«

»Kurz vor Ultimo also. Was war da?«, fragte Twiggy.

»Keine Ahnung«, erwiderte Matti.

»Und mit wem sollst du dich gefetzt haben?«

Matti zuckte mit den Achseln.

»Ihr habt wohl Alzheimer«, sagte Dornröschen. Sie lachte. »Ingeborg Barth, die kennen wir. Wenigstens den Namen. Die gehörte zur RAF. War aber eher ein kleines Licht. Irgendwann, 1972 glaube ich, ist sie verschwunden. Und nicht mehr aufgetaucht.«

Twiggy schlug sich an die Stirn. »Und keiner wusste, was mit der passiert ist.«

»Genau«, sagte Dornröschen. »Mal hieß es, Baader habe sie erschossen, weil sie auspacken wollte. Dann hieß es, sie sei abgetaucht, Bagdad oder so. Hat jedenfalls ein Kronzeuge behauptet.«

»Wegen der soll ich mich gestritten haben, sagt diese Anja. Ich kann mich echt nicht erinnern. Aber Barth, jetzt weiß ich es auch wieder.« Er hatte es verdrängt, klare Sache. Matti versuchte sich zu entsinnen, worum es auf dieser Redaktionssitzung gegangen sein konnte. Aber er kam nicht drauf. Wahrscheinlich um den bewaffneten Kampf, revolutionäre Gewalt oder die Anmaßung, anstelle der Arbeiterklasse zu kämpfen. Es kam ihm unendlich lang her vor. Er hatte an einigen dieser für alle offenen Zusammenkünfte teilgenommen, auf denen die Basis entschied, was in der Anarchozeitschrift erschien. Aber er war erst in der Endphase dazugestoßen, bald danach war das Blatt eingeschlafen.

Robbi begann laut zu schnurren. Twiggy kraulte, was das Zeug hielt.

»Und wenn das eine Provokation ist? Die Bullen haben noch eine Rechnung offen mit uns«, sagte Matti.

»Quatsch«, sagte Dornröschen. »Wir haben mit dieser Geschichte doch nichts zu tun, oder?«

Twiggy verzog den Mund.

Matti schüttelte den Kopf, Twiggy mit Verzögerung auch.

»Hm. Eigentlich spricht nichts dagegen, dass du dir die Dame mal anschaust«, sagte Dornröschen. »Oder auch nicht.«

»Vielen, vielen Dank für die Genehmigung«, sagte Matti. Twiggy grinste.

Dornröschen lächelte. Sie war in der gnädigen Phase ihrer schnippischen Periode.

Er sah sie kommen, als sie auf dem Kreisweg an der Skulptur Schreitender Mensch vorbeiging und sich dem Ausgang des Görlitzer Parks an der Oppelner Straße näherte. Ihr Blick suchte ihn. Sie trug Jeans, Turnschuhe und eine Trainingsjacke und sah verdammt gut aus. Ihre Mutter war eine Schönheit gewesen. Matti hatte im Internet Bilder gefunden, die es bewiesen. Und er konnte sich schemenhaft an ihr Aussehen erinnern. Es war Anjas Vorschlag gewesen, sich hier zu treffen. Matti erinnerte die Geheimnistuerei an die Zeit, als die WG fast in den Untergrund abgetaucht wäre. Als sie schon ein Waffenversteck eingerichtet hatten, aus dem sie Jahrzehnte später die drei Makarows holten, die seitdem unter der Fensterbank in der Küche lagen.

»Ich werde dich erkennen«, hatte Anja gesagt, und sie erkannte ihn. Sie war einen halben Kopf kleiner als er, als sie ihm die Hand gab. »Wollen wir ein Stück gehen?«

Sie schlenderten in Richtung Parkteich.

»Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll«, sagte sie. »Es ist verworren.«

»Am Anfang«, sagte Matti trocken.

Sie hatte ein feines Profil, betont durch kurze blonde Haare. Sie lachte leise. »Also am Anfang. Du kennst die Geschichte meiner Mutter.« Das war keine Frage. Sie blickte ihn kurz an von der Seite, und er nickte.

»Sie ist verschwunden. Angeblich hat Baader sie ermordet. Aber das kann auch Tarnung sein, und sie ist untergetaucht. Baader traut man alles zu, und er kann nicht widersprechen.«

Matti nickte. »Hast du jemals von ihr gehört?«

»Nie. Kein Zeichen.«

»Eine Mutter, die ihre Tochter im Stich lässt.«

»Hat Ulrike doch auch gemacht. Was zählen die eigenen Kinder, wenn es um die Weltrevolution geht? Aber deswegen wollte ich dich nicht sprechen. Es geht um was anderes, auch wenn es damit zu tun hat.«

Matti blickte sie neugierig an. Sie versank in sich, während sie neben ihm ging.

Auf dem Fußballplatz wurde gekickt. Auf Bänken hockten Schwarzafrikaner, auch eine Frau mit Kinderwagen, zwei Jungs alberten herum. Ein Mann in indischer Kleidung saß mitten im Müll, den die Griller zur Freude der Nebelkrähen hinterlassen hatten, und lehnte sich an einen Baum. Ein paar Meter neben ihm jonglierte ein schwarzlockiger Mann mit Keulen.

»Mich hat jemand angerufen. Er nannte sich Michael. Und er hat gesagt, er sei mein Vater.«

»Mal von ihm gehört?«, fragte Matti.

Sie schüttelte den Kopf.

»Aber du hast einen Vater?«

»Klar, der wohnt in Berlin. Ich besuche ihn regelmäßig. Seine Frau ist wie eine Mutter für mich.«

»Und was sagt dein Vater dazu, dass sich dieser Michael gemeldet hat?«

»Ich hab’s ihm nicht gesagt. Vielleicht ist Michael ein Spinner. Aber er hat gesagt, ich soll dich fragen. Er kannte deinen Namen.«

Matti überlegte. »Ich kenne keinen Michael.«

Sie lachte bitter. »Das ist ja auch nicht sein richtiger Name. Er sagte: Geh zu Matthias Jelonek, wenn’s den noch gibt. Und sag ihm einen schönen Gruß von Georg, mit dem er dereinst im...


Ditfurth, Christian v.
Christian v. Ditfurth, geboren 1953, ist Historiker und lebt als freier Autor in Berlin und in der Bretagne. Neben Sachbüchern und Thrillern wie »Der 21. Juli« und »Das Moskau-Spiel« hat er die Krimiserie um den Historiker Josef Maria Stachelmann und die Eugen-de-Bodt-Serie veröffentlicht. »Tanz mit dem Tod« ist der Auftakt einer historischen Krimiserie um den Polizeikommissar Karl Raben, die im Berlin der 1930er Jahre beginnt.



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