E-Book, Deutsch, 167 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Derndinger / de Groot Die ambidextrische Organisation
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-648-13886-1
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Erfolgsstrategien in der neuen Unternehmensrealität
E-Book, Deutsch, 167 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-13886-1
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Friedemann Derndinger ist gefragter Unternehmensberater und Executive Coach. Seit vielen Jahren beschäftigt ihn die Frage, wie Innovationen auf Unternehmen wirken und wie Führungskräfte und Top-Manager in diesem Umfeld Erfolg haben können.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Management Strategisches Management
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Bereichsspezifisches Management Management: Führung & Motivation
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Management Forschung & Entwicklung (F&E), Innovation
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Management Unternehmensführung
Weitere Infos & Material
- Einführung: Innovationen als zentrale Treiber der Entwicklung zur ambidextrischen Organisation
- Die konventionelle hierarchische Organisation als Opfer der Digitalisierung
- Innovationen erfordern neue Organisationsformen, die parallel zur konventionellen Organisation bestehen
- Disruptive Veränderungen auf dem Markt machen stabile Organisationsstrukturen unmöglich
- Die ambidextrische Organisation entsteht und wird bleiben
- Ambidextrie als Herausforderung für Unternehmen und Mitarbeiter
- Der Kernbeitrag von HR zum Unternehmen läuft Gefahr, komplett an Wirkung zu verlieren
- Steuerung: Anpassung an ambidextrische Realität oder bürokratische Pflichtübung
- Organisatorische Sonderformen: Teil der Lösung oder Teil des Problems?
- Strategie: Von der Unmöglichkeit einer stabilen Unternehmensstrategie
- Unternehmenskultur: Durch die heterogenen Organisationsformen auf dem Prüfstand
- Wandel der Erfolgsparadigmen im Management von Unternehmen
- Der Mitarbeiter hat die Wahl: Love it, change it or leave it
- Die erfolgreiche Führungskraft kennt und überzeugt über ihren persönlichen USP
- Der erfolgreiche Top-Manager ist künftig ein ambidextrischer Manager
- Die ambidextrische Organisation als Lösung für Unternehmen
2 Die konventionelle hierarchische Organisation als Opfer der Digitalisierung
In den meisten Industrien besteht die wichtigste Anforderung des Geschäftsalltags in der inkrementellen Weiterentwicklung des Geschäfts nach Kunden- und Markterfordernissen. Diese Weiterentwicklungen werden in der herkömmlichen Linienorganisation abgebildet. Es existieren weder eigene Organisationseinheiten für Grundlagenforschung oder Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, noch sind eigenständige aufwendige Prozesse etabliert, um neue Technologien in Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens zu transformieren. Inkrementelle Weiterentwicklung ist damit institutionalisiert. Die Organisation ist insgesamt auf die Ausschöpfung des Bekannten und Naheliegenden ausgerichtet.
Eins ist schon heute klar: Die klassische vertikale Organisation, die allein auf die inkrementelle Weiterentwicklung ausgerichtet ist, hat keine Zukunft. Denn die Welt wird noch deutlich komplizierter werden als in der Vergangenheit. Als Komplexitätstreiber werden zahlreiche Disruptionen von Geschäftsmodellen und Branchen auftreten und damit die Frage dringlich machen, wie sich ein Unternehmen aufstellt. Beobachtet es, dass etwas Neues kommt, und lässt es sich darauf ein, oder lässt es alles so wie gehabt und bewährt? In der Vergangenheit wurde das Handeln über die klassische vertikale Organisationsform abgebildet – aber wie sieht die Organisationsform der Zukunft aus?
Aktuell ist zu beobachten, dass durch organisatorischen Wandel Technologien abgebildet werden, die primär noch durch Digitalisierung getrieben sind. Wir stehen aber bereits am Anfang vieler technologischer Weiterentwicklungen, beispielsweise der Künstlichen Intelligenz (KI), die noch ungeahnte Möglichkeiten in sich birgt, wodurch die horizontale Vernetzung innerhalb der Unternehmen noch stärker expandieren wird.
Auch über den richtigen Zeitpunkt für organisatorische Umstellungen besteht erhebliche Unklarheit – denn KI ist noch gar nicht richtig erforscht. Sollte man also noch etwas abwarten? Doch gerade bei KI gibt es gar nicht den richtigen Zeitpunkt, denn das Problem vergrößert sich nur, wenn man den technischen Einstieg verzögert – das ist dann ein Ausdruck von Entscheidungsschwäche und nicht von strategischer Stärke.
Dabei besitzt KI die Qualität, die auch die Digitalisierung auszeichnet, nämlich dass sie potenziell alles Bestehende angreift und daher gleichermaßen Chance wie Bedrohung darstellt. Das bedeutet aus Sicht der Unternehmen: Man hat noch nicht einmal die Digitalisierung im Griff, man weiß noch gar nicht, wie das alles genau funktioniert, aber da übt bereits die nächste Technologie und Innovation Veränderungsdruck aus, die wieder ähnlich umwälzende Qualitäten wie die Digitalisierung aufweist, die aber anders organisatorisch abgebildet werden muss. Es entsteht eine neue Technologie, die wieder anders behandelt werden muss, und wieder werden Anpassungen in der Organisationsstruktur des Unternehmens erforderlich – das geschieht meistens nicht gesteuert, sondern anarchisch. Diese Entwicklung kann nur mit einer ambidextrischen Organisation gemeistert werden.
Schauen wir uns einmal an, was das Besondere an der Digitalisierung ist, worin sie sich von anderen Innovationswellen unterscheidet, die es gegeben hat.
Das Besondere an der Digitalisierung besteht darin, dass sie die gesamte Wertschöpfungskette und Organisationsstruktur eines Unternehmens umfasst, angreift und infrage stellt. Es ist nicht so, dass es beispielsweise nur in der Kundenschnittstelle eine Innovation gibt, mit der sich die Führungskraft auseinandersetzen muss, oder eine Innovation im IT-Backoffice, mit der schneller Daten verarbeitet werden können, sondern es sind alle Funktionen inklusive der Organisation des Unternehmens gleichzeitig betroffen. Das bedeutet: Die Herausforderung durch die Digitalisierung besitzt in ihrer Komplexität eine deutlich andere Größenordnung als bei anderen Innovationszyklen. Und gleichzeitig bietet die Digitalisierung enorme Chancen, stellt aber ebenso eine gewaltige Bedrohung dar.
Scheitern und Aufstieg durch Disruption
Ein bekanntes Beispiel für das Scheitern an der Digitalisierung ist die Firma Kodak. Das Unternehmen erfand die klassische Filmrolle, die jahrzehntelang die analoge Fotografie dominierte. Das Unternehmen brachte die erste (feinmechanische) Kamera für die breite Masse auf den Markt, die den Grundstein für den Schnappschuss für jedermann legte. Vor dieser Innovation wurden meist gestellte Bilder von professionellen Fotografen aufgenommen. Kodak führte 1935 die erste Farbfilmrolle ein und machte es 1941 möglich, dass Kunden Abzüge von Farbfotos bestellen konnten. In den späten 70er Jahren des 20. Jahrhunderts hatte Kodak unglaubliche 90 Prozent Marktanteil bei Filmen und 85 Prozent bei Kameras.
Dabei ist es besonders tragisch, dass Kodak mit der ersten Digitalkamera auch die Technologie erfand, die das Unternehmen schließlich in den Bankrott getrieben hat. Anstatt das disruptive Potenzial der Digitalfotografie zu erkennen, versuchte man, sie zu unterdrücken, um das bestehende Geschäftsmodell und seine inkrementelle Weiterentwicklung zu schützen. Doch ein einzelnes Unternehmen ist niemals in der Lage, Innovationen in einem Markt aufzuhalten. Alte und neue Wettbewerber setzten auf die neue Technologie und zogen an Kodak vorbei.
Auch Nokia ist ein prominentes Beispiel für das Scheitern durch das Ignorieren von Disruptionen. Dabei hatte Nokia zuvor oft bewiesen, dass es Veränderungen in der Unternehmensausrichtung erfolgreich umsetzen kann. Aus dem Hersteller von Papier und Gummistiefeln wurde ein erfolgreicher Technologiekonzern. Viele Jahre lang entwickelte Nokia immer kleiner werdende und sehr begehrte Handys. Das Unternehmen erkannte als einer der ersten Player den globalen Markt für Handys und entwickelte Geräte für jede Preisklasse.
Lag Nokias Marktanteil bei den ersten Smartphones im Jahr 2007 noch bei über 50 Prozent, brach dieser durch die Markteinführung des iPhones innerhalb von sechs Jahren auf drei Prozent ein. Dabei besaß Nokia 2007 noch eine Börsenbewertung von mehr als 33 Mrd. US-Dollar und war damit das fünftwertvollste Unternehmen der Welt. Apple rangierte auf Platz 33 und war mit 11 Mrd. US-Dollar rund ein Drittel so viel wert wie Nokia. Nur sechs Jahre später hatten sich die Marktverhältnisse deutlich verändert. Nokia war auf Platz 57 abgestürzt und nur noch knapp 7,5 Mrd. US-Dollar wert, während aus Apple inzwischen mit einer Bewertung von fast 100 Mrd. US-Dollar die teuerste Marke der Welt geworden war.
Diese Beispiele veranschaulichen deutlich, dass Marktführerschaft und Markenwert im Zeitalter der Digitalisierung etwas sehr Flüchtiges sein können. Das Aufkommen neuer Wettbewerber und die Verschiebung von Kundenpräferenzen durch die Einführung neuer Technologien und Produkte können Marktverhältnisse komplett erschüttern, denn Kunden sind in dieser Welt, in der Nähe und Entfernung sich nur durch ein paar Klicks unterscheiden, niemals treu, sondern richten sich nach ihren Bedürfnissen, neuen oder alten, nach Trends und Modeerscheinungen. Daher sollten Unternehmensführer stets die aufkommenden Einflüsse auf die eigenen Märkte im Auge behalten und wachsam beobachten. Marktführer müssen immer auch zugleich Innovationsführer sein und den nächsten und übernächsten Hype in der Produkt- und Serviceentwicklung berücksichtigen.
Heutzutage besitzt fast jeder ein Handy mit Internet – das bietet neue Möglichkeiten der Distribution, denn Unternehmen möchten die Produkte über ihre Apps verkaufen, gleichzeitig hat man aber gar keine Vorstellung, wie man diese aufbauen und in das bestehende Geschäft integrieren muss. Man weiß vielleicht, wie man das Angebot in einem Supermarktregal anordnen muss, aber nicht, wie man das für ein Handy macht.
Das ist auch etwas Besonderes an der Digitalisierung – ein Unternehmen muss definieren, wie es sich zu ihr stellt. Manager müssen sich dazu positionieren. Einerseits ist das Risiko groß, andererseits allerdings auch das Potenzial. Somit ist die Situation extrem schwierig, weil die Unternehmen die Chancen zwar nutzen wollen, aber nicht genau wissen, wie.
Zusammengefasst:
Die klassische vertikale Organisation dient der inkrementellen Weiterentwicklung des Geschäfts. Sie ist geeignet für ein stabiles Umfeld mit gelegentlichen kleineren Innovationen. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz stellen eine grundlegende, allumfassende Veränderung dar – das Unternehmen ist nicht mehr nur inkrementell herausgefordert. Es gibt prominente Beispiele, die belegen, dass die vertikale Organisation nicht geeignet ist, um die besonderen Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Neue Ansätze sind zwingend.
Praxistipps:
Machen Sie eine Bestandsaufnahme für Ihr Unternehmen und sein Umfeld: Welche Wachstumsraten wies Ihr...