Denzau | Das Haus am Moor | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Reihe: Lyn Harms

Denzau Das Haus am Moor

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Reihe: Lyn Harms

ISBN: 978-3-96041-600-5
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Die Hölle im Herrenmoor

Wer ist Freund, wer ist Feind? Fragen, die im Fall der Entführung des elfjährigen Theo nicht nur Hauptkommissarin Lyn Harms umtreiben. Auch die Kidnapper selbst wissen nicht mehr, wem sie noch trauen können. Dabei hatte alles so einfach gehen sollen: Das Versteck im Moor war perfekt ausgesucht, der Coup sorgfältig geplant. Doch mit dem unvorhergesehenen Auftauchen zweier Ausreißerinnen eskaliert die Situation für alle Beteiligten, und nicht nur der Polizei läuft die Zeit davon ...
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EINS
Kathrin Pinkert setzte den Rollstuhl in Bewegung. Ihr enges Shirt war unter den Armen feucht vom Schweiß. Auch Stirn und Schläfen waren benetzt. Kraftvoll schob sie mit den Händen die metallenen Greifreifen an, um den Rolli in Fahrt zu bringen. Sie sah sich um, während sie sich fortbewegte. Das stillgelegte Firmengelände der Dosenfabrik lag menschenleer vor ihr. Außer dem dunklen »Krah-Krah«, das die Krähen in den blauen Aprilhimmel schrien, herrschte Ruhe. Nur ihr Atem war zu hören. Verärgert drehte sie den Kopf. Wo blieben die Jungs? In diesem Moment sprang hinter dem ehemaligen Bürogebäude ein Motor an. »Na endlich«, grummelte sie, weiter vorwärtsrollend. Sie spürte die Anstrengung in den Oberarmen, doch die Muskeln schmerzten nicht. Durch die vielen Sportstunden, die sie im Fitness-Club gab, war sie trainiert. Das Motorengeräusch schwoll an. Ein Mercedes Sprinter überholte sie und blieb mit quietschenden Reifen drei Meter vor ihr stehen. Die Fahrertür wurde geöffnet. Sie schaffte es gerade noch, einen spitzen Schrei auszustoßen, bevor ein Mann mit schwarzer Sturmhaube über dem Kopf bei ihr war und ihr grob ein Tuch auf Nase und Mund presste. Sie zappelte, zerrte an den Armen des Mannes und versuchte erneut zu schreien. Sie hörte, wie die hintere Tür des Sprinters geöffnet wurde. Dann erschlaffte ihr Körper in den Armen des Mannes. Er ließ von ihr ab. Ihr Kopf hing über der Rückenlehne, leblos wie ihr übriger Körper, während der Mann hinter den Rollstuhl stürmte und ihn mit der reglosen Last vorwärtsschob – zur offenen Hecktür des Sprinters, in dem ein weiterer maskierter Mann auf den Knien hockte und fluchte. »Verdammt!« Er riss sich die Sturmhaube vom Kopf und pfefferte sie in die Ecke des Wagens. »Das ist doch zum Kotzen!« Kathrin Pinkert fuhr hoch. Sie sprang aus dem Rollstuhl. »Sag mal, wie dämlich bist du eigentlich?«, schrie sie. »So blöd kann man doch gar nicht sein!« Mit einem Satz war sie im Laderaum des Sprinters und schlug mit der rechten Faust auf Arm und Oberkörper des Mannes ein, der schnell aufgestanden war. »Wie kann man es nicht schaffen, in einer Minute diese blöde Platte«, sie stampfte stakkatoartig mit dem Fuß auf der eisernen Platte auf, »aus dem Wagen zu kippen? Wie soll Nick den Rollstuhl in den Sprinter schieben, wenn die Platte nicht draußen ist? Wir haben das jetzt so oft geübt, und nicht ein einziges Mal sind wir in der Zeit geblieben, die wir uns gesetzt haben.« Sie kam nicht dazu, dem Mann die Ohrfeige zu verpassen, die sie ihm zugedacht hatte. Ihre Hand wurde in der Luft von dem Maskierten abgefangen, der nach ihr in den Sprinter gestiegen war. Grob drehte er ihren Arm nach hinten. »Au!«, schrie sie. »Lass mich gefälligst los, Nick … Diese Flasche wird uns alles vermasseln!« »Lass ihn in Ruhe, Kat«, schnauzte Nick Mattow sie an und zog sie vom Wagen. Er gab ihr einen Stoß Richtung Rollstuhl und sprang in den Sprinter zurück. Dort riss er sich die Maske vom Kopf und strich sich die feuchten Haarsträhnen aus der Stirn. »Leon, komm, das kriegen wir hin.« Er legte dem anderen den Arm um die Schulter. »Hör nicht auf sie.« Er ruckte mit dem Kopf zu Kathrin, die mit ihrer Stiefelette auf den Rollstuhl eintrat. An sie gewandt rief er: »Lass das! Wir brauchen das Ding noch zum Üben.« »Üb lieber mit der Flasche da, die Platte zu kippen«, stieß sie aus, ein wenig ruhiger. »Und du musst auch noch schneller werden. Ich hatte Zeit für einen kurzen Schrei. Das darf nicht passieren.« Sie ging ein paar Schritte in die entgegengesetzte Richtung und fummelte eine zerknitterte Zigarettenpackung aus der Jeans. »Sie hat recht, Nick«, sagte Leon Jahn. »Ich bin schuld, dass wir zu langsam sind. Aber mit den Handschuhen hab ich nicht das richtige Gefühl in den Fingern. Ich hab die Platte nicht richtig zu fassen gekriegt.« »Ist doch kein Ding.« Nick Mattow blieb ruhig. »Wir schweißen dir noch einen kleinen Griff dran. Dann sind wir auf der sicheren Seite. Und jetzt ab nach Hause. Für heute reicht’s. Wir können alle eine Dusche gebrauchen. Komm, Leon.« Er knuffte den Jüngeren spielerisch in die Seite. »Wir kriegen das hin. Echt, mach dir keinen Kopf. Das läuft doch schon alles super. Und mit dem Griff wird das ein Kinderspiel.« Leon Jahn sah zu Kathrin. Die Kippe hing in ihrem Mundwinkel, während sie mit den Fingern eine Pistole formte und auf den Krähenbaum zielte, aus dem das Gekrächze der Vögel immer lauter herüberdrang. Er nickte in Kathrins Richtung. »Das sagst du, Nick, aber Kat …« »Kat ist einfach nervös. Sie meint das alles nicht so. Wenn wir erst mit den Scheinchen um uns werfen, wird sie auch wieder normal.« »Ja, klar«, sagte Leon, klang aber nicht überzeugt. Er hob die Sturmhaube auf und klopfte sie auf seinem Bein aus, um den Staub abzuschütteln. »Noch mal?«, rief Kathrin und schnippte die glühende Kippe weg. Nick schüttelte den Kopf und sprang vom Wagen. »Feierabend. Ich schweiß nachher einen Griff an die Platte, dann üben wir morgen und übermorgen noch mal.« Er hob den Rollstuhl in den Sprinter. Leon schob ihn in die Ecke und stellte die Bremse fest. »Vielleicht sollten wir noch mal zum Haus fahren?«, schlug Leon vor, der die ganze Zeit aus dem Fenster starrte, während Kathrins Finger an Nick rumfummelten, der den Sprinter über die A 23 Richtung Elmshorn fuhr. Nick fegte ihre Hand weg, als sie über seinen Schritt strich. »Spinnst du?« Er sah zu Leon, doch der schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein. »Pff!« Kathrin zog die Hand zurück, öffnete das Handschuhfach und nahm eine Zigarettenschachtel heraus. »Beim Haus ist doch alles klar«, sagte Nick und beugte sich vor, um mit seinem Freund Augenkontakt aufzunehmen. »Aber vielleicht haben wir noch was vergessen.« »Was denn?«, fauchte Kathrin Leon an, bevor sie die Zigarette anzündete und den Rauch tief inhalierte. »Wir bringen morgen die Lebensmittel zum Haus«, sagte Nick. »Dann kannst du die Räume noch mal durchchecken, okay?« »Na gut.« Leon gab sich zufrieden. Sie ließen ihn an der Köllner Chaussee in Elmshorn raus, wo er in einer Ein-Zimmer-Wohnung zur Miete wohnte. Sie studierten oder arbeiteten alle drei in Hamburg, doch die dortigen Mietpreise hatten sie ins Umland gezwungen. Nick und Kathrin fuhren zu ihrer Wohnung in der Elmshorner Meteorstraße. Als sie den Block betraten und Nick zum Fahrstuhl gehen wollte, hielt Kathrin ihn am Arm zurück. »Wir nehmen doch wohl die Treppe? Es schadet nicht, wenn du an deiner Kondition arbeitest.« Kathrins Atmung war im dritten Stock ruhiger, als es Nicks im zweiten Stock gewesen war. »Wie kann man nur so ätzend fit sein«, sagte er. Als er den Schlüssel ins Schloss der Wohnungstür steckte, öffnete sich die Tür der Nachbarwohnung, und eine alte Frau steckte ihren Kopf heraus. Das schüttere weiße Haar hing ihr strähnig über die Ohren. »Ich wollte nur mal schauen, wer es ist«, sagte sie. »Ich –« »So wie immer«, fuhr Kathrin ihr über den Mund. »Stehen Sie eigentlich den ganzen Tag hinter der Tür? Versuchen Sie es doch mal mit Stricken oder Kreuzworträtseln.« »Kat!«, warnte Nick sie leise. Zu der alten Frau sagte er: »Hallo, Frau Kankowski. Einen schönen Tag für Sie.« Dann zog er Kathrin in die Wohnung und schloss die Tür. »Neugierige Alte«, murmelte Kathrin und stieg aus den Stiefeln. »Sei nicht immer so unfreundlich zu ihr. Wenn du mal so alt bist und so allein …« »… und so hässlich«, führte Kathrin seinen Satz zu Ende. »Aber das wird mir nicht passieren. Ich bring mich um, wenn der Östrogenmangel bei mir einsetzt und alles schlaff und faltig wird, das weiß ich.« »Du bist doch nicht ganz dicht.« Er zog seine Jacke aus und warf sie auf den Schuhschrank. »Hast du dir die Haut von alten Leuten mal genau angeguckt? Es sind ja nicht nur die Falten und die Runzeln. Altersflecken, geplatzte Äderchen, dicke weiße Barthaare … Bah!« Sie zog ihr Shirt über den Kopf und schälte sich aus der hautengen schwarzen Jeans. »Ich geh duschen. Den Rolli zu fahren ist anstrengender, als ich dachte.« Sie blickte ihn ernst an. »Die kleine Kröte wird eine gute Armmuskulatur haben. Bist du sicher, dass du es ohne meine Hilfe schaffst, ihn zu sedieren?« Irritiert von der Sprunghaftigkeit ihrer Gedanken, musste er erst einmal überlegen, bevor er antwortete. »Du bleibst auf jeden Fall im Wagen. Dass wir schnellstens wegkommen, ist die halbe Miete. Und ich werde ja wohl mit einem Elfjährigen fertigwerden.« Er ließ seine Armmuskulatur unter dem eng sitzenden Shirt spielen, sodass der auf den Oberarm tätowierte Star-Wars-Roboter sich zu bewegen schien. »Er wird panisch sein und so heftig atmen, dass er in Nullkommanix abseilt.« Kathrin ging in die Küche, nahm zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank und öffnete sie mit dem Laryngoskop-Öffner, den Nick ihr zum Geburtstag geschenkt hatte – seinerzeit hatte sie ihr Medizinstudium noch nicht abgebrochen. »Ich bin noch nicht überzeugt«, rief sie. »Warum fährt Leon nicht den Wagen, und ich gehe hinten rein?« »Lass es uns nicht immer wieder durchkauen.« Er war ihr gefolgt und nahm das Bier, das sie ihm reichte. »Leon ist hinten einfach besser aufgehoben. Je weniger er sieht, desto weniger kann er in Panik ausbrechen.« »Pff!« Kathrin stellte ihre Flasche so hart auf dem Küchentisch ab, dass Schaum aus der Öffnung trat. »Schlimm genug, dass wir den Panikfritzen dabei haben. Wenn er es vermasselt, dann –« »Er wäre bestimmt ruhiger, wenn du ihn nicht...


Heike Denzau, Jahrgang 1963, ist verheiratet, hat zwei Töchter und lebt in dem kleinen Störort Wewelsfleth in SchleswigHolstein. Bereits mehrfach preisgekrönt, ist sie Verfasserin zweier erfolgreicher Krimireihen und veröffentlicht außerdem bei Droemer Knaur humorvolle Liebesromane.


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