Phrasen für alle Lebenslagen
E-Book, Deutsch, 128 Seiten
ISBN: 978-3-924652-66-1
Verlag: persona verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Philippe Delerm, 1950 in Auvers-sur-Oise geboren, zählt zu den meistgelesenen französischen Autoren. Nach dem Studium der Philosophie war er Lehrer am Collège Marie Curie in Bernay. Er lebt mit seiner Familie in der Normandie. Gelegentlich arbeitet er als Sportkommentator, so bei den Olympischen Spielen in Athen und Peking. 1997 erhielt er in Frankreich den Preis der Buchhändler. Er hat 45 Bücher publiziert, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Das erfolgreichste war 'Ein Croissant am Morgen' (Goldmann). Beim französischen Verlag Seuil gibt er die Reihe 'Le goût des mots' heraus.
Weitere Infos & Material
Das hört sich jetzt vielleicht spießig an, aber ...
Sie haben keine neue Nachricht
Das Haus nimmt keine Schecks mehr an
Ich bin's!
Erst einmal guten Tag!
Ich habe drei Jahre lang in der Rue Commines gewohnt!
Jetzt mal ganz unter uns ...
Dem hat er's aber gegeben!
Wenn man erst mal drin ist, ist es gar nicht so kalt!
Mir fehlen die Worte
Das steht alles in meinem Buch
Wenden Sie sich bitte an einen Mitarbeiter
Das ist Panzerglas!
Das ist schon fast kitschig
Da war ich noch nicht auf der Welt
Looos
Ich bewache meinen Herrn
Das muss man gesehen haben
Ich habe fünf Jahre lang Klavier gespielt
Ein schöner Hut, Madame
Sonst kann ich Sie auch mitnehmen
Man bekommt Sie viel zu selten zu Gesicht
Und das, war das keiner?
Mir gefällt Le Havre besser als Rouen
Vielleicht ist es besser so
Aber gut gemacht ist er schon
Ihn bringt nichts aus der Ruhe
Das läuft zu spät
Warten Sie schon lange?
Über den Flügel, verdammt!
Und was ist mit heute Abend?
Vorsicht, der Teller ist heiß!
Sie hatten es doch angesagt
Ich sollte mal wieder Proust lesen
Setz deine Mütze auf!
Wir müssen Sie ja nicht austrinken
Ach, Sie mögen keine Akkordeonmusik?
Ich gehe mal kurz bei Mentec vorbei
Aber wirklich nur, weil es sündhaft lecker ist
Ich komme immer nur selbst auf meine Felder!
Lassen wir die Leute erst mal aussteigen
Ich kann nichts mehr damit anfangen
Vorsicht, der Teller ist heiß!
In der Welt der Gastronomie und vor allem in der Kellner-Gast-Beziehung ist das ein bedeutsamer Satz. Nachdem der Gast sich im Restaurant an einem Tisch niedergelassen hat, schenkt er dem Ober noch seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Wenn dieser die Speisekarte reicht, muss er kein Gespräch unterbrechen, er kann völlig ungestört seinen Satz aufsagen: "Unsere heutige Empfehlung ist das Steinpilzrisotto mit Jakobsmuscheln. Als Dessert ..."
Einer der Anwesenden hört höflich zu, nickt eifrig und hebt scheinbar interessiert die Augenbrauen, während die anderen sich rasch in die Speisekarte vertiefen und "Danke" murmeln.
Das steife Zeremoniell weicht jedoch rasch einem angeregten Gespräch, befeuert von einem wohltemperierten Roten aus dem Loire-Tal. Der Kellner fügt sich ergeben in sein Schicksal und interveniert fortan nur noch mit heroischer Diskretion. Die Tischgäste ignorieren ihn geflissentlich.
Aber wie er weiß, ist das noch nicht das Ende vom Lied. Schon bald werden die Gäste und er wieder in einen Dialog treten, und zwar sobald der Hauptgang aufgetragen wird. "Vorsicht, der Teller ist heiß!" Diese vermeintlich faktische Ankündigung steckt voller Konnotationen. Zunächst einmal wird der Kellner mit seinen Worten die Körperhaltung der Gäste verändern. Seit einer halben Stunde neigen sich diese vor, weil sie auf die Gelegenheit lauern, sich gegen das anschwellende Stimmengewirr im Saal zu behaupten und ein Bonmot anzubringen oder eine Anekdote zu erzählen. Der Satz "Vorsicht, der Teller ist heiß!" zwingt sie dazu, sich zurückzulehnen, und verdammt sie womöglich gar zu sekundenlangem Schweigen. Er wird bisweilen mit autoritärer Geschäftigkeit vorgetragen, klingt aber meist wie eine geradezu genüssliche Warnung. Er geht weit über "Darf ich Ihnen in Erinnerung rufen, dass ich existiere?" hinaus. Die Worte haben nämlich auch eine gastronomische Bedeutung. Man setzt Ihnen hier nicht irgendeinen Fraß vor, und der Teller ist nur deshalb heiß, weil die Küche dem Gericht die größte Sorgfalt hat angedeihen lassen. Wenn Sie nicht der allerletzte Bauerntrampel sind, stellen Sie Ihre ermüdend vorhersehbare Heiterkeit für einen Moment ein und konzentrieren sich auf das Essen, das Sie bestellt haben.
Das spätere "Möchten die Herrschaften noch einen Kaffee?" ist nur noch Geplänkel, ein Nachspiel. Der dramaturgische Höhepunkt der Kellner-Gast-Dialektik war eindeutig die erfolgreiche Umkehrung des Machtverhältnisses durch den verkappten Befehl: "Vorsicht, der Teller ist heiß!"