Daverley | Vom Ende der Nacht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Daverley Vom Ende der Nacht

Roman
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-446-27878-3
Verlag: hanserblau in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

ISBN: 978-3-446-27878-3
Verlag: hanserblau in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die aufwühlende und zugleich zärtliche Geschichte zweier Menschen, die nicht anders können als sich immer und immer wieder anzuziehen. Will und Rosie gehören schon jetzt zu den unvergesslichen Liebespaaren der Weltliteratur – ihre Geschichte wird Sie vom Schlafen abhalten.
Will und Rosie. Sie könnten gegensätzlicher nicht sein, und doch verlieben sie sich ineinander: verstohlene Blicke, Sonnenuntergänge am Lagerfeuer, Gespräche bis spät in die Nacht. Sie sind kurz davor, etwas Wunderbares zu beginnen. Bis eines Tages ihre Welt zerbricht.
Auch wenn die Jahre vergehen, finden sie immer wieder zueinander und können das, was hätte sein können, nicht ganz loslassen.
"Vom Ende der Nacht" erzählt von unmittelbarer Nähe, verpassten Chancen, den vielen Lieben, die wir im Laufe unseres Lebens haben - und der einen, zu der wir immer wieder zurückkehren.

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Weitere Infos & Material


Eins
Norfolk 2008
Will bemerkt, dass Rosie Winters etwas Besonderes an sich hat, als er ihr nachts am Lagerfeuer begegnet. Als er ihr erzählt, dass seine Mutter ihn verlassen hat. Sie sitzen nebeneinander vor dem Feuer, das in die Novemberdunkelheit aufsteigt — als Teil einer zersplitterten Gruppe von Zwölftklässlern. Fingerlose Handschuhe, Bierdosen. Hinter den Pinien in der Ferne die Brandung. Er weiß kaum etwas über Rosie, außer dass sie auf dieselbe Schule gehen und ein paar gemeinsame Freunde haben, aber heute Abend unterhalten sie sich. Ein wenig. Zuerst nur Smalltalk. Belanglosigkeiten. Bis sein Freund Josh — ihr Zwillingsbruder — eine Bemerkung über ihre Eltern macht und Rosie vor dem knisternden Lagerfeuer kaum hörbar lacht, und ehe er sich versieht, erzählt er ihr, dass er seine eigene Mutter kaum kennt. Noch nie hat er es laut ausgesprochen. Meistens übergeht er den Moment, senkt nur den Kopf, lässt ihn verstreichen. Doch plötzlich erzählt er es ihr, diesem Mädchen mit den Splissspitzen, den ungezähmten Augenbrauen und den blassen, schmalen Händen. Dass seine Mutter ihn vor Jahren verließ, als er morgens vor der Schule eine Zeichentricksendung schaute. Sie sieht ihn an, während er das erzählt. In ihren Augen spiegeln sich die Flammen. Ihr Gesicht zeigt weder Mitleid noch Neugier, weder ein Stirnrunzeln noch zuckende Mundwinkel, was er erwartet hätte, wenn ihm Zeit geblieben wäre, über ihre Reaktion nachzudenken. »Was glaubst du, wo sie ist?«, fragt sie ihn nach einem Augenblick. Er hält inne. Schaut zum Himmel auf, der sich in Lücken zwischen den Bäumen öffnet. Der Feuerrauch kräuselt sich empor, und dort sind Sterne, einer größer und heller als die anderen. Ein Planet vielleicht, oder ein Mond. »Keine Ahnung«, sagt er zu ihr. »Irgendwo.« Und Rosie Winters wiederholt das Wort, als dächte sie ernsthaft darüber nach. Als fragte sie sich, wie dieses Irgendwo wohl aussah. Es ist Winter, und der Wind schneidet durch den Wald, doch sie bleiben draußen. Besser als zu Hause im Warmen, aber gelangweilt vor dem Fernseher zu sitzen. Das hier, wie ihre Haut vom Feuerschein orangerot gefärbt wird, ist neu für sie. Es setzt etwas in Brand. Sie reden den ganzen Abend lang, ihre Knie berühren sich fast. Sie sagen nicht viel, doch er hat sich selbst noch nie so aufmerksam erlebt, so sehnsüchtig nach einem weiteren Satz, so überrascht von ihrer Wortwahl. Die anderen verschwinden allmählich paarweise, um einander hinter den Bäumen zu berühren, im Sand zu fummeln oder sich mitternächtliche Nudeln und Pommes frites in ölbeflecktem Papier zu holen. Nur er, Rosie, Josh und zwei weitere bleiben. Einer von ihnen holt eine Gitarre hervor und spielt neben dem erlöschenden Feuer. Will beobachtet die rotglühende Baumrinde, die grauweiße Ascheschicht. Es ist nur noch Glut übrig, als Rosie zu singen anfängt. Ihr Bruder bittet sie darum. Zuerst ermutigt er sie, dann fleht er sie an, bis sie mit einem kleinen Kopfnicken nachgibt. Der Wind hat sich gelegt. Ohne das Feuer ist die Luft wie Glas, kalt und starr. Und als sie singt, ist es ein Sound, wie Will ihn noch nie gehört hat. So chorisch, strahlend und rein. Sie lauschen ihr, bis das Feuer erstirbt und ihre Hände taub sind, und gehen dann auseinander. Will zieht seinen Helm auf, verschließt ihn unter seinem Kinn, lässt sein Motorrad mit einem Tritt an und denkt, dass dies eine einmalige, erinnerungswürdige Nacht bleiben wird, in der er mit der Schwester eines Freundes gesprochen und diese ein seltsames Lied gesungen hat, nichts weiter. Doch ihre Stimme hält ihn wach in dieser Nacht. Und erneut in der nächsten. Am Wochenende steht er spät auf, zieht einen Hoodie über und versucht, sein schwelendes Bedürfnis nach einer Zigarette zu unterdrücken, als er in Socken die Treppe hinunterstapft. Dave empfängt ihn an der untersten Stufe, legt die Pfoten an seine Knie, und Will krault ihm den borstigen Kopf, bevor der Hund zurück ins Wohnzimmer huscht. Dave verbringt seine Tage zusammengekauert in Großvaters altem Sessel. Als würde er auf dessen Rückkehr warten, denkt Will. In der Küche brät seine Großmutter Bacon. Es riecht nach heißem Öl und Bratfett, nach Salz, Schweinefleisch und Toast. Sie trillert, als er zur Tür reinkommt. »Einen schönen Nachmittag«, sagt sie. »Es ist doch erst zehn.« »Und du bist nur einmal achtzehn, mein Junge«, sagt sie. »Du solltest Wangenknochen wie diese nicht unter der Bettdecke verstecken.« »Ich habe mich nicht versteckt.« Er geht zum Küchentisch und gießt sich ein Glas Wasser aus der Karaffe ein. »Amber war schon schwimmen.« Seine Großmutter steht mit dem Rücken zu ihm. »Und hat die Hälfte ihrer Hausaufgaben erledigt.« »Schön für Amber«, sagt Will. Eine kurze Stille tritt ein, die nur vom Zischen des Bacons unterbrochen wird. Die Wintersonne wirft ihren blassen Schein an die Wände. Seine Schwester ist nirgendwo zu sehen. Bestimmt verbarrikadiert in ihrem Zimmer, denkt er, damit beschäftigt, ihre Notizen mit Gelstiften farbig abzustimmen und ihr Leben mit herzförmigen Büroklammern zu organisieren. »Du siehst müde aus«, sagt seine Großmutter. Er antwortet nicht gleich, nimmt sich zwei Toastdreiecke vom Tisch und geht zur Hintertür. »Mir geht's gut.« Er drückt die Türklinke herunter. Sie sagt noch etwas, während er schon hinausschlüpft, die Tür hinter sich schließt und auf die Garage zusteuert. Für einen winzig kleinen Moment hat er ein schlechtes Gewissen. Er weiß, dass sie eine Weile sauer sein, ihm aber nachher zu Mittag Bacon bringen wird. Drinnen knipst er die einsame Glühbirne an der Decke an. Es ist ein fensterloser Raum mit Betonboden, ein Radio mit Antenne steht auf der alten Werkbank seines Großvaters. Es riecht nach Sägemehl und Spuren von Diesel. In der Ecke steht ein Werkzeugkoffer, und auf dem Boden liegt ein Stapel ungenutztes Brennholz. Es ist der einzige Ort, an dem sich die Dinge einigermaßen richtig für ihn anfühlen, wo alles seinen Zweck hat und niemand redet, an ihm zweifelt oder Erwartungen an ihn stellt. Sein neues Motorrad steht auseinandergebaut und unfertig genau dort, wo er es zurückgelassen hat. Zuerst bleibt er im Eingang stehen, isst seinen trockenen Toast und sucht den Boden nach den Werkzeugen ab, die er braucht. Dann macht er sich an die Arbeit, ohne das Radio einzuschalten. Nur er und das Bike. Er lackiert die Kotflügel, justiert die Scheinwerfer nach. Währenddessen denkt er kaum an das Mädchen von gestern. Nur ein bisschen. * Rosie bleibt länger im Musikraum. Sie wollte eigentlich nur Tonleitern üben und sich nach fünfzehn Minuten wieder verdrücken. Doch es vergeht eine Stunde, und da kommt schon die Putzfrau, ihr Mopp wischt über die Fliesen. Rosie hört sie den Eimer über den Boden schieben, das Platschen des Wassers, und murmelt leise »Scheiße«, bevor sie ihre Notenblätter wegpackt. Sie schaltet das Licht aus und lässt die Holztür hinter sich dumpf ins Schloss fallen. Sie verabschiedet sich von der Putzfrau, die immer nett ist, ihr immer zulächelt, wenn sie sich zu später Stunde auf den Fluren begegnen, als würden sie irgendein Geheimnis miteinander teilen. Draußen ist es schon dunkel, und die Luft fühlt sich frisch an. Es ist die Art von Kälte, die Schnee ankündigt. Dies ist kein Abend für nackte Beine, zum...


Daverley, Claire
Claire Daverley, geboren 1991, begann mit sechs Jahren Geschichten zu erzählen. Nach dem Studium in Oxford arbeitete sie im Verlagswesen und schrieb nachts, auf Zugfahrten und im Morgengrauen an ihrem Debüt. Sie lebt in Schottland mit ihrem Mann und Hund.

Ruppel, Margarita
Margarita Ruppel, geboren 1988, hat Literaturübersetzen an der Heinrich-Heine-Universität studiert. Sie lebt in Düsseldorf und übersetzt Bücher aus dem Englischen und Spanischen ins Deutsche.



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