E-Book, Deutsch, 204 Seiten, E-Book
Reihe: Systemisches Management
Daimler Werte in Führung
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7910-6198-6
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Erfolgreiche Zusammenarbeit mit Vertrauen, Struktur und Vision
E-Book, Deutsch, 204 Seiten, E-Book
Reihe: Systemisches Management
ISBN: 978-3-7910-6198-6
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Konfliktforschung zeigt, dass unklare Anweisungen, Arbeitsabläufe, Schnittstellen, Strukturen, mangelnde Kommunikation und Wertschätzung in Organisationen versteckte Kosten verursachen. Wertschätzende Führung basiert auf dem Wertedreieck, in dem klare Visionen und Aufgaben, Vertrauen und Wertschätzung sowie sinnvolle Strukturen, einen sicheren Rahmen bieten. Wenn Führungskräfte und Mitarbeitende sich im "Raum der Werte" bewegen, wird eine positive Unternehmenskultur und damit eine erfolgreiche Zusammenarbeit gefördert.
Das Buch bietet wertvolle Erkenntnisse und praxisnahe Ansätze zur Verbesserung der Unternehmenskultur und der Zusammenarbeit.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Bereichsspezifisches Management Management: Führung & Motivation
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Unternehmensorganisation, Corporate Responsibility Unternehmenskultur, Corporate Governance
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Management
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Unternehmensorganisation, Corporate Responsibility Unternehmensethik
Weitere Infos & Material
2.2 Wir stellen uns ehrlich den Tatsachen
(Das Prinzip der Nichtleugnung von Gegebenheiten) Hier geht es in der Organisation um eine Haltung, die für alle folgenden Grundsätze wichtig ist. Dieses Prinzip ist so etwaswie ein Dach über allen Grundsätzen und den anderen übergeordnet. Alles, was einen Einfluss auf das System hat, sollte berücksichtigt und nicht »unter den Tisch gekehrt« werden. Transparenz ist essenziell, Offenheit im Umgang mit Schwierigkeiten vertrauensstärkend. Das, was in einem Unternehmen trotz Relevanz nicht angesprochen wird, findet meist informelle Wege, um dennoch an die Oberfläche zu gelangen, wie z.?B. dunkle Kapitel in der Geschichte des Unternehmens, wie die nicht Würdigung von Gründern und Gründerinnen, das langfristige Verschweigen von Schwierigkeiten, wie z.?B. eine schlechte Geschäftslage, die zu Kündigungen führen wird, usw. Besonders in Zeiten der Veränderung sollten wir uns immer die Frage stellen: Was bedeutet eine Handlung für das Gesamte, die MitarbeiterInnen, die Projekte, die KundInnen etc.? Das Bewusstsein, dass es dabei nicht nur um Systemmitglieder, sondern auch Systemelemente, wie z.?B. Werte, geht, hilft uns, durch Achtsamkeit das Unternehmen stabil zu halten. Verdrängung oder Missachtung von Gegebenheiten führt häufig langfristig zu Schwierigkeiten. Wenn Neues Erfolg haben soll, braucht es zunächst die Anerkennung des Ausgangszustands, sonst können später Widerstände aufgrund übersehener Tatsachen auftreten. Eine Analyse, die nicht nur Gewinne und Verluste berücksichtigt, sondern auch systemische Faktoren, fragt immer auch: Was bedeutet eine Entscheidung, eine Strategie usw. für das Gesamte? Lange Phasen der Unsicherheit bei Veränderungsprozessen und mangelnde Information lassen das Engagement der MitarbeiterInnen drastisch sinken. Alles, was wir zu leugnen versuchen, weil es unangenehm ist, schafft durch die unterbrochene Verbindung – weil das Ungesagte »dazwischen« steht – Distanz zwischen den Menschen im Unternehmen. Zusätzlich füllt jeder Einzelne automatisch Lücken in der Kommunikation/Information mit Vermutungen. Dadurch entstehen meistens Gerüchte, die den realen Tatsachen selten entsprechen. Der Systemische Grundsatz in Aktion
Eine Gründerin geht verloren »Es ist, als ob ein Schatten auf meinem Geschäft läge«, sagt meine Kundin, die eine Maßschneiderei mit drei Filialen in unterschiedlichen österreichischen Bundesländern besitzt. Der »Schatten«, von dem sie spricht, betrifft ihr Stammhaus in der Steiermark, in dem es immer wieder einen Wechsel bei der Führungskraft der Schneiderei gibt. Entweder stellt sie jemanden ein, der sich später als unfähig erweist, oder »die Neue wird von den Altgedienten nicht akzeptiert, so als ob sie ein Fremdkörper wäre, an dem etwas nicht passt«. Eine Systemanalyse zeigt weder einen grundsätzlichen Widerstand des Personals noch andere Probleme. »Unser Betriebsklima ist sehr gut«, sagt die Eigentümerin. Also tauchen wir in die Geschichte des Unternehmens ein. Das ist immer dann der Fall, wenn sich an der Oberfläche nichts finden lässt, was ein System in Schwierigkeit bringen könnte. Die Fragen sind dann immer die gleichen: Wer hat die Schneiderei gegründet, war es eine Person oder mehrere? Ist jemand im Unfrieden ausgetreten oder wurde hinausgemobbt? Sind wichtige Werte nicht beachtet worden oder verlorengegangen? Gibt es eine Person in der Vergangenheit, mit einem Recht auf Zugehörigkeit zum Unternehmen, die vergessen oder nicht gewürdigt wurde? »Es war mein Vater, der die Schneiderei gegründet hat«, sagt Marlene Deutsch ohne irgendeinen Zweifel in der Stimme. »Er hat ein winziges Lokal im Tiefparterre eines Hauses gemietet und angefangen, Textilien zu reparieren. Nach einiger Zeit hatte er sich so einen guten Namen gemacht, dass seine Kundinnen sich auch neue Kleidung schneidern ließen. Er übersiedelte in eine bessere Gegend, und als er starb, hat er mir ein blühendes Geschäft hinterlassen.« Wenn eine Systemanalyse zu keinem Ergebnis kommt, beginnen wir nach »Unsichtbarem« zu suchen, meistens mit Unterstützung einer Strukturaufstellung (siehe Kapitel 3). Im Bild sehen wir den Vater von Marlene, ihm gegenüber steht die Schneiderwerkstatt von damals. Der Repräsentant, der ihn darstellt, wendet seinen Blick ab und sagt: »Ich kann nicht hinschauen, es ist so traurig, damit will ich nichts zu tun haben.« Die Schneiderwerkstatt dreht und wendet sich kokett und sagt: »Du siehst mich gar nicht, ich bin sooo schön.« Als wir die Figur, das, »was den Vater traurig macht«, ins Bild stellen, fängt der Repräsentant des Vaters an zu weinen und sagt: »Ich vermisse dich so sehr, wir wollten das doch alles gemeinsam machen.« Marlene Deutsch sitzt am Rand des Bildes und springt plötzlich auf: »Jetzt weiß ich, was passiert ist. Meine Mutter hat mir nach dem Tod meines Vaters erzählt, dass sie nur seine zweite Wahl war. Sie sagte es nicht böse oder traurig, es war einfach so. Und weil mein Vater auch nicht ihre erste Wahl war, sie mussten heiraten, weil ich unterwegs war, sind sie gut miteinander ausgekommen und haben sich respektiert. Doch in seinem Herzen hatte er wahrscheinlich ein Loch, das nie geheilt ist.« Marlene besuchte ihre Mutter und erfuhr die ganze Geschichte, die beide Eltern vor ihr geheim gehalten hatten. Marlenes Vater hatte gemeinsam mit seiner ersten großen Liebe die kleine Schneiderei gegründet. Sie kannten einander seit dem Kindergarten und waren unzertrennlich. Es war im April 1945, und der Krieg war eigentlich schon zu Ende. Sie wollten im Mai heiraten, und Marlenes Vater hatte seiner zukünftigen Frau ein bodenlanges, weißes Kleid aus einem Vorhang geschneidert. Da wurde das Haus, in dem sie lebte, am letzten Kriegstag bombardiert und seine Braut und Geschäftspartnerin starb in den Trümmern. Den Namen der Frau kannte die Mutter nicht oder hatte ihn verdrängt. Marlene ging auf die Suche. Sie fand in den alten Fotoalben ein Bild ihres Vaters mit einer jungen Frau an seiner Seite. Die beiden saßen vor zwei Nähmaschinen und lächelten in die Kamera. Auf der Rückseite stand: »Josef und Bernadette am Eröffnungstag.« Das Foto hängt inzwischen vergrößert in jeder der Filialen, und wer jetzt auf die Webseite des renommierten Unternehmens geht, findet das junge Paar von damals als Gründer und Gründerin. Und noch etwas hat sich im Unternehmen geändert. Marlene fand ein eigenes Thema in der Geschichte: »Ich bin jetzt 69 Jahre alt. Mein Mann arbeitet seit mehr als 40 Jahren im Unternehmen mit und hat es mit mir gemeinsam groß gemacht. Und trotzdem ist er nach wie vor der Mann der Chefin, und es ist noch immer mein Geschäft. Ich habe ihm bis heute seinen Platz, den er verdient, nicht gegeben, und er ist zu bescheiden, als dass er ihn eingefordert hätte. Ich habe auf andere Weise ein Stück der Geschichte wiederholt. Auch das werde ich ändern. Und unsere beiden Kinder, die das Unternehmen in einiger Zeit übernehmen werden, sollen all das wissen und würdigen. Das ist mir wichtig!« Ein Unternehmen, das mit drei Beinen hinkt, und ein Loyalitätskonflikt Martin ist ein Kollege, den ich bei einem internationalen Austausch kennengelernt habe und den ich zu einem beruflichen Thema beraten habe. Im Vorgespräch zu einer Strukturaufstellung erzählt er: »Wir waren vier BeraterInnen und zur gleichen Zeit Ehepaare und haben uns auf einem systemischen Kongress in Berlin kennengelernt. Es hat sofort zwischen uns gefunkt. Wir haben die gleiche, lösungsorientierte Haltung geteilt, wir sind in und für Unternehmen tätig. Und nachdem wir alle rund um Berlin leben, haben wir uns wiedergesehen und sind Freunde geworden. Es war meine Idee, ein gemeinsames Unternehmen zu gründen. Wenn wir unsere Energie bündeln, habe ich damals gesagt, dann können wir ein unschlagbares Beratungsteam sein. In dieser Aufbruchsstimmung haben wir unseren Namen ›Change-Option‹ gefunden und gemeinsam eine GmbH gegründet. In den ersten Jahren lief alles gut, doch dann ist Otto plötzlich gegangen, ohne mit uns vorher zu reden. Er war plötzlich an anderen Themen interessiert und hat sich mit anderen Partnern verbunden. Seine Frau Sybille, meine Frau Hanna und ich, haben dann zu dritt weitergemacht und uns gegenseitig versichert, dass alles in Ordnung ist zwischen uns. Doch irgendwie war die Luft dann draußen, und heute müssen wir uns eingestehen, dass wir nicht mehr so erfolgreich sind wie damals, als wir zu viert waren. Die Geschichte mit Otto hat uns viel Kraft gekostet, und ich muss jetzt klären, wie es für mich, für uns, weitergehen kann.« In der Strukturaufstellung (siehe Kapitel 3) schauen wir uns die jetzige Konstellation in »Change-Option« mit den verbliebenen drei GesellschafterInnen an. Schon das erste Bild zeigt, dass das Unternehmen so nicht funktionieren kann. Martin steht eng neben seiner Gesellschafterin Hanna, die zur gleichen Zeit seine Frau ist. In einem Abstand, der so groß ist, dass eine starke Lücke entsteht, sehen wir Sybille, die als erste Wortmeldung sagt: »Mich zerreißt es fast. Ich möchte so gerne näherkommen, aber ich kann nicht.« Ich frage Martin, ob er und seine Frau noch mit dem Paar befreundet sind. »Mit Sybille schon, mit Otto gibt es seit seinem unfairen Ausstieg aus dem Unternehmen sehr wenig Kontakt.« Die Repräsentantin von Sybille, die diese Bemerkung meines Klienten von draußen natürlich mitgehört hat, ruft verzweifelt: »Genau darum geht es, ich bin ständig in einem krassen Loyalitätskonflikt. Ich will loyal zu...