Courths-Mahler | Hedwig Courths-Mahler - Folge 063 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 63, 80 Seiten

Reihe: Hedwig Courths-Mahler

Courths-Mahler Hedwig Courths-Mahler - Folge 063

Glückshunger

E-Book, Deutsch, Band 63, 80 Seiten

Reihe: Hedwig Courths-Mahler

ISBN: 978-3-7325-0305-6
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Nach dem Tod ihrer Mutter sucht die bildhübsche Regina Volkmar Zuflucht bei ihrem ihr bisher unbekannten Großvater, dem Justizrat Schröter. Der alte Herr nimmt sie voller Güte auf. Nicht so seine Tochter, Reginas Tante. Luise Schröter hasste schon ihre Schwester. Nun überträgt sie diese Gefühle auf Regina. Als dann auch noch der Mann, den Luise heiß und innig liebt, sich mit glühender Leidenschaft ihrer Nichte zuwendet, sinnt die hartherzige Frau darauf, wie sie Regina vernichten kann ...
Courths-Mahler Hedwig Courths-Mahler - Folge 063 jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Es war in der Dämmerstunde eines Spätwintertags. Vor dem großen Eckhaus in der Georgenbergstraße, das dem alten Justizrat Schröter gehörte, stand ein lang aufgeschossenes junges Mädchen in Trauerkleidern. Das Mädchen holte noch einmal tief Atem und zog dann die Klingel. Ein entschlossener, herber Ausdruck lag auf dem jungen Gesicht. Gleich darauf wurde die Tür geöffnet. Eine rundliche alte Frau erschien. „Kann ich Herrn Justizrat Schröter sprechen?“ „So spät empfängt der Herr keine Besuche.“ „Ich komme in einer dringenden Angelegenheit, Frau Birkner.“ Die Alte stutzte. „Sie kennen mich?“ „Nur aus den Erzählungen meiner Mutter. Sie sagte mir: ‚Grüße Babina.‘“ Da zuckte die alte Frau zusammen. Mit zitternden Händen fasste sie nach dem schlanken Mädchen und zog es schnell ins Haus. Das Haustor wurde geschlossen und das Mädchen rasch in ein Zimmer neben dem Eingang geschoben. Die Alte tat es, ohne ein Wort zu sprechen. Dann trat auch sie ins Gemach. Sie zündete eine Lampe an, die schon auf dem Tisch des einfachen, sauberen Zimmers bereit stand. „Sie nannten mich mit einem Namen, mit dem mich nur eine genannt hat. Sie ist verschollen. Wer sind Sie?“ „Die Tochter dieser Verschollenen.“ „Klärchens Tochter! Und Ihre Mutter, wo ist sie?“ „Tot.“ „Unser Klärchen tot!“ Die alte Frau sank fassungslos in einen Stuhl, und unter der Brille liefen Tränen herab. Sie nahm sie ab und putzte seufzend die Gläser blank. Dann sah sie das junge Mädchen bekümmert an. „Wann starb sie?“ „Vor zehn Tagen.“ „Und Sie sind nun allein hier hergekommen?“ Das Mädchen lächelte wehmütig. „Wer sollte mit mir kommen?“ „Ihr Vater.“ „Der starb schon vor zwei Jahren.“ „Armes Kind! Woher kommen Sie?“ „Von Berlin.“ „Dort lebten Sie mit Ihrer Mutter?“ „Ja.“ „Und was soll nun werden?“ „Ich habe meiner Mutter auf dem Sterbebett versprochen, meinen Großvater aufzusuchen und ihn um Aufnahme zu bitten.“ „Ach, lieber Gott, Ihre Tante lässt Sie sicher nicht zu dem gnädigen Herrn! Er ist in den letzten Jahren schwerhörig geworden und empfängt keine Besuche, wenn das gnädige Fräulein nicht dabei ist.“ „Jedenfalls muss ich es versuchen.“ Die alte Frau sann nach, „Wenn ich nur wüsste, wie ich’s einrichten könnte, dass Sie den Herrn Justizrat allein sprechen, dann wäre ja alles gut.“ „Sie meinen, er würde mich nicht fortweisen?“ „I wo, Kindchen, das glaube ich im Leben nicht. Die Gnädige brächte das aber fertig! Deshalb dürfen Sie heute Abend nicht hinauf. Ich will mir überlegen, wie ich Sie zum Herrn Justizrat bringen kann, wenn er allein ist.“ „Ich muss aber noch heute mit ihm sprechen. Ich habe kein Obdach, und alles Geld, das ich noch besaß, hat die Reise hierher verschlungen.“ „Wenn Sie bei mir vorlieb nehmen wollen, Fräulein, ich bringe Sie schon unter für eine Nacht, und morgen sehen wir weiter.“ Das junge Mädchen bekam feuchte Augen. Es ergriff die Hand der alten Frau und drückte sie herzlich. „Wie soll ich Ihnen danken! Sie sind so gut! Mama sagte mir vor ihrem Ende: ‚Wende dich nur an Babina, die hilft dir, wenn du gar keinen Ausweg mehr weißt.‘“ Die Alte streichelte die schmalen Hände ihres Gastes. „Das hat unser Klärchen gesagt? Ja, Kindchen, was in meiner Macht steht, will ich gern tun. Also tot – tot das junge, blühende Geschöpf! Sie sehen ihr sehr ähnlich; dasselbe Haar, dieselben Augen. Nur so blass und elend schauen Sie aus. Da war Ihre liebe Mutter ein anderes Geschöpf in Ihren Jahren; voll Kraft, und rote, blühende Wangen hatte sie, dass einem das Herz im Leib lachte.“ Ein herbes Lächeln umspielte den blassen Mund das Mädchens. „Mama hat eine andere Jugend erlebt als ich. Ich bin unter Sorgen und Entbehrungen aufgewachsen.“ Die alte Frau sah sie mitleidig an. „Das müssen Sie mir alles nachher erzählen. Jetzt will ich Ihnen einen kleinen Imbiss hereinholen. Sie werden hungrig sein. Kommen Sie, machen Sie es sich hier im Sorgenstuhl meines Alten bequem! Nehmen Sie Ihr Tuch ab! Und – wie heißen Sie eigentlich, ich muss Sie doch beim Namen nennen.“ „Regina Volkmar.“ „Regina, wie unsere verstorbene gnädige Frau! Ach, das wird dem Herrn Justizrat sehr gefallen. Aber nun hole ich Ihnen erst etwas zu essen.“ Frau Ernestine trippelte hinaus und kam kurz darauf mit einem Glas Milch und einem Butterbrot zurück. „So, liebes Fräulein, nun lassen Sie es sich schmecken! Mehr habe ich nicht. Fleisch und Wurst und das Eingemachte schließt das Fräulein Tante weg. Sie ist eine Genaue und hat immer Angst, man verschenkt etwas. Nicht dass sie armen Leuten nichts gönnte, aber das muss alles durch die Hand vom Herrn Stadtkämmerer Kirchner gehen. Nur wer von dem für würdig befunden wird, den unterstützt das Fräulein Tante.“ Regina fasste nach der Hand der Alten. „Von Ihnen nehme ich gern, was Sie mir bieten. Ich danke Ihnen, liebe, gute Babina.“ „Schon gut, Reginchen, schon gut. Für die Tochter Klärchens tun wir, was wir irgend können. Nun erzählen Sie mir von Ihrer Mutter, Kind, wie ist es ihr ergangen? Nachher, wenn mein Alter aus dem Garten kommt, überlegen wir zusammen, wie wir Sie zum Herrn Justizrat bringen können.“ Regina aß und trank und ließ sich mit einem Gefühl süßen Geborgenseins von der Alten die Hände streicheln. Dann begann sie zu erzählen: „Sie wissen ja, Babina, dass Mama heimlich ihr Elternhaus verließ, um meinem Vater zu folgen. Da er ein armer Schauspieler war, widersetzte sich ihr Vater einer Heirat mit ihm. Aber Mama liebte meinen Vater so sehr, dass sie freudig alles für ihn hingab. Als mein Großvater meinen Vater mit seiner Werbung ein für allemal abgewiesen hatte und auch auf das Flehen meiner Mutter nur ein Nein erwiderte, folgte sie meinem Vater heimlich. Sie trafen in Naumburg zusammen und ließen sich dort trauen. Sie zogen dann beide, da sie sehr arm waren, von Ort zu Ort, wo mein Vater gerade Anstellung bekam. Als ich geboren wurde, musste meine Mutter allein in einem Städtchen zurückbleiben, bis sie sich erholt hatte und meinem Vater folgen konnte. Dann erhielt er endlich eine mehrjährige Anstellung in Berlin an einem kleinen Theater. Viel verdiente er da auch nicht, aber es reichte doch aus, um uns vor Not zu schützen. Vater und Mutter waren trotzdem glücklich. Nur zwei Punkte gab es, wo sie leider oft in Streit gerieten. Erstens wollte mein Vater mich zur Schauspielerin heranbilden, er träumte davon, mich zu einer großen Künstlerin zu machen. Dem widersetzte sich Mama mit großer Entschiedenheit. Sie hatte das Künstlerleben genug kennen gelernt und wollte mich davor bewahren. Da ich selbst weder Lust noch Begabung zu diesem Beruf hatte, musste Vater sich grollend fügen. Zweitens litt er nicht, dass Mama nach Hause schrieb, nachdem auf ihren ersten Brief statt von meinem Großvater nur von Tante Luise eine Antwort gekommen war. Darin teilte sie meiner Mutter mit, dass sie tot sei für Vater und Schwester, dass sie nichts mehr von ihr hören wollten. Trotzdem schrieb Mama heimlich wieder und wieder an ihren Vater und bat um seine Verzeihung. Sie bekam nie eine Antwort, und das machte ihr so viel Kummer, dass sie zu kränkeln anfing. Arzt und Arznei kosteten Geld, und unser Einkommen war knapp. Mama hatte bisher für ein Berliner Geschäft feine Handarbeiten geliefert. Das konnte sie nun nicht mehr. Die Not zog bei uns ein. Es sollte aber noch schlimmer kommen. Ich war vierzehn Jahre alt geworden; da brachten sie uns eines Abends Papa tot nach Hause. Er war von der Straßenbahn, die er auf dem Weg nach dem Theater benutzt hatte, abgesprungen, zu Fall gekommen und so unglücklich unter einen Wagen geraten, dass er noch auf dem Weg ins Krankenhaus starb. Meine Mutter verlor fast den Verstand darüber. Sie wurde schwer krank. Es waren grässliche Tage damals, Babina. Ich war selbst ein unerfahrenes Kind, und wenn unsere gutmütigen Wirtsleute mir nicht beigestanden hätten, ich hätte mir keinen Rat gewusst. Als ich mich ein wenig gefasst hatte, schrieb ich heimlich an Großpapa, schilderte ihm unsere Not und bat um Hilfe. Als Antwort erhielt ich von Tante Luise einen Brief, in dem sie mich fragte, ob ich mich nicht schämte, gleich meiner Mutter Bettelbriefe zu schreiben. Was sie sich eingebrockt habe, möge sie ausessen. Ich sagte Mama nichts davon, auch nicht, als sich ihr Zustand etwas besserte: Ganz gesund wurde sie nicht wieder. Es fehlte uns an dem Nötigsten, wo hätte ich da gute Weine und kräftige Speisen hernehmen sollen, um sie zu stärken? Dann schrieb Mama selbst noch einmal an Großpapa und fragte, ob sie nicht nach Hause kommen dürfe. Der Brief kam ungeöffnet zurück. Nun verfiel Mama vollends. Sie klagte sich an, dass sie dem Vater ungehorsam gewesen sei und verzehrte sich in Sehnsucht nach seiner Verzeihung. Zwei Jahre hat sie sich noch so hingeschleppt. Wir lebten von dem wenigen Geld, das ich durch Handarbeiten verdiente. Es wollte nie reichen. Ein Stück nach dem anderen von unserem bisschen Habe musste verkauft werden. Nun ist Mama gestorben. Ich habe sie mit Hilfe unserer guten Wirtsleute begraben, und was wir noch besaßen zur Tilgung unserer Schulden zurückgelassen. Nur das Reisegeld nach hier nahm ich mit und ein wenig Wäsche da in dem Köfferchen. Auch ein Brief...


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.